In der Heimatstadt von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer regiert zum ersten Mal eine SPD-Bürgermeisterin: Denise Klein will neue Gewerbe in die hochverschuldete Kommune locken und bestehende sichern. Die Grundversorgung einer alternden Bevölkerung soll so sichergestellt bleiben.
Frau Klein, als SPD-Bürgermeisterin gegen einen schwarz-grünen Stadtrat und dazu noch in der AKK-Heimat: Wie haben Sie das denn angestellt?
Bei Bürgermeisterwahlen geht es weniger um die Wahl einer Partei, sondern vielmehr um die Person. Ich habe bereits im Vorfeld gespürt, dass die Bürgerinnen und Bürger eine Veränderung wollen und das hat das Wahlergebnis letztendlich auch gezeigt. Was die Zusammenarbeit im Stadtrat betrifft, gehe ich davon aus, dass wir sachorientiert an die Dinge herangehen und Lösungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger erarbeiten. Schon aufgrund meiner kommunalpolitischen Erfahrung bin ich zuversichtlich. Außerdem möchte ich Bürgermeisterin aller Püttlinger sein.
Püttlingen gehört mit rund 55 Millionen Euro Schulden zu den hochverschuldeten Kommunen des Saarlandes. Da bleibt wohl wenig finanzieller Spielraum für dringend notwendige Investitionen.
Das ist in der Tat ein großes Problem, denn wir müssen mit wenig Geld viel tun. Ein richtiger und wichtiger Schritt ist der Saarlandpakt zwischen Land und Kommunen. Aber auch der Bund muss viel stärker in die Pflicht genommen werden, wenn man bedenkt, dass rund 90 Prozent Pflichtausgaben insbesondere im sozialen Bereich angesiedelt sind. Für diese Situation darf und kann man die Städte und Gemeinden nicht allein im Regen stehen lassen. Dennoch glaube ich, dass wir zukunftsorientierte Lösungen in der Stadt Püttlingen erzielen. Eine wichtige Einnahmequelle für uns sind beispielsweise die Gewerbesteuern.
Das ist unbestritten. Erhöhungen sind natürlich keine gute Lösung, folglich müssten Sie mehr Industrie und Gewerbe in Ihrer Stadt ansiedeln.
Wir haben zwei größere Gewerbegebiete und ein drittes kommt jetzt dazu. Am Ortsausgang Köllerbach in Richtung Elm/Sprengen entsteht bis 2021 mit der Breitwies ein neues Gewerbegebiet. Dafür hat die Stadt in der Vergangenheit bereits die entsprechenden Grundstücke gekauft. Hier haben wir wichtige Flächen für den Klein- und Mittelstand geschaffen. Es gibt bereits zahlreiche Anfragen von Unternehmen aus Püttlingen selbst. Denn es geht auch darum, den hier angesiedelten Betrieben Möglichkeiten zur Erweiterung zu bieten. Im schlechtesten Fall würden sie Püttlingen verlassen, und dann wäre die Gewerbesteuer komplett verloren. Wir wollen mit dem neuen Gewerbegebiet auch jungen Unternehmen aus dem Handwerk oder Start-ups Raum und Platz für deren wirtschaftliche Entwicklung bieten. Wichtig ist mir, an dieser Stelle zu erwähnen, dass diese Gebiete infrastrukturmäßig mit Glasfaser erschlossen werden müssen. In Püttlingen selbst sind wir bereits gut vorangekommen, denn bei der Erneuerung der Energie- und Wasserversorgungsleitungen wurden Leerrohre für Glasfaser gleich mitverlegt. Des Weiteren werde ich alles tun, um den Einzelhandel in der Stadt Püttlingen zu stärken, um möglichst eine Grundversorgung an Gütern des täglichen Bedarfs sicherzustellen. Eine neue Bäckerei und ein neuer Blumenladen haben sich beispielsweise für den Standort Püttlingen entschieden. Derzeit sieht es in puncto Leerstand von Geschäften ganz gut aus.
Stichwort Leerstand: Wie steht es denn mit bezahlbarem Wohnraum in der Stadt Püttlingen samt Ortsteilen aus?
Als Kleinstadt mit vielen ländlich geprägten Ortsteilen sind wir in punkto Wohnraum gegenüber den Ballungszentren wie Saarbrücken gut aufgestellt. Junge Menschen, die zum Studieren nach Saarbrücken kommen, sollten vielleicht verstärkt darüber nachdenken, dass wir in nur 15 Kilometern Entfernung über bezahlbaren Wohnraum verfügen. Was mir für die Zukunft viel mehr Kopfzerbrechen bereitet ist die alternde Bevölkerung. Wir müssen heute investieren, damit die Menschen möglichst lange selbstbestimmt und zufrieden in ihren eigenen vier Wänden bleiben können. Deshalb fördern wir von der Stadt Projekte wie das Seniorenbüro oder das Mehrgenerationenhaus. Menschen brauchen Treffpunkte wie Quartierstreffs oder Generationentreffs. Das ist auf die Zukunft ausgerichtet. Wir organisieren Beratungen oder Veranstaltungen wie die Kinoaktionen oder den Primeurabend. Probleme mit der Sicherheit wie in anderen Städten haben wir übrigens nicht. Bei uns muss man keine Angst haben, nachts alleine auf den Straßen unterwegs zu sein.
Ein Balanceakt sondergleichen. Die Jüngeren ziehen weg oder kommen erst gar nicht, wenn es keine attraktiven Arbeitsplätze gibt. Die Älteren leben allein in ihren Häusern, kommen ohne Auto nicht weg und sterben irgendwann. Wie attraktiv muss Püttlingen sein, damit das in dieser Form nicht eintritt?
Es gibt viele kleine Stellschrauben, an denen wir auch mit wenig Geld drehen können.
Da gibt es zum Beispiel das Thema Veranstaltungen wie die Kirmes, die wieder mehr in der Innenstadt ihren Platz haben muss, also zentral statt dezentral. Im September haben wir erfolgreich das erste Kinder- und Familienfest durchgeführt. Wir wollen den Stadtpark stärker beleben, ihn quasi zu einer Erlebnisstätte machen. Das sind viele kleine Dinge, die zu einem großen Ganzen zusammenwachsen und die Attraktivität der Innenstadt erhöhen.
In puncto Mobilität, sprich öffentlicher Personennahverkehr, ist eine Verbesserung ohne Hilfe des Landes kaum möglich. Wir haben in Püttlingen das sogenannte Ringbussystem, das alle Ortsteile miteinander verbindet und auch für die entsprechenden Anschlüsse an Völklingen und an die Saarbahn in Riegelsberg-Süd sorgt. Das möchte ich weiter ausbauen, vor allem auch in den Ortsteilen, die derzeit noch nicht so gut angebunden sind. Hinzu kommt der Verein Bürgerbus Püttlingen, der den öffentlichen Nahverkehr verbessern will. Erste konkrete Maßnahmen sollen bis Mitte 2020 umgesetzt sein. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Reaktivierung der Köllertalbahn. Hier sind wir mit den entsprechenden Stellen in der Diskussion und in Anbetracht der sich verschärfenden Klimadebatte bin ich optimistisch, hier zu einer neuen Lösung zu kommen.
Wie klimafreundlich ist denn eigentlich die Stadt Püttlingen?
Wir haben bereits seit 2014 ein Klimaschutzkonzept und wir planen eine Stelle für einen Klimaschutzbeauftragten. Ein Teil unseres städtischen Fuhrparks fährt bereits elektrisch, die Stadt erzeugt Solarenergie mit ihrer Photovoltaikfreiflächenanlage, der verstärkte Auf- und Ausbau von E-Ladestationen zählt dazu, wir haben Park & Ride-Parkplätze für unsere Pendler. Außerdem machen wir sehr viel in Zusammenarbeit mit den ortsansässigen Vereinen und dem Naturschutzbund. Dazu gehören Projekte wie Wasserbüffel im Köllertal, Steppenrinder in Etzenhofen, Aktionen mit Bienenzüchtern oder die Biberpopulation im Köllerbach. Diesen Weg werden wir weitergehen.
Interessant ist an dieser Stelle der Kulturbahnhof Püttlingen. Er wird das erste klimaneutrale Baudenkmal dieser Art Deutschlands sein.
Was wären drei wesentliche Gründe für einen Umzug nach Püttlingen?
In der Stadt Püttlingen mit ihren Ortsteilen leben jede Menge tolle und offene Menschen. Das zeigt unter anderem die gelungene Integration der Flüchtlinge. Immerhin leben rund 1.500 Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Stadt friedlich zusammen. Des Weiteren haben wir mit dem Köllertal eine sehr schöne Naturlandschaft. Und wir haben eine gute Gesundheitsversorgung nicht zuletzt durch das Knappschaftskrankenhaus Püttlingen. Außerdem gibt es ausreichend Kitaplätze. Das sind nur einige Pluspunkte. Mein Ziel ist es, gemeinsam mit den Bürgern daran zu arbeiten, Püttlingen weiter voranzubringen getreu meines Wahlkampfmottos „Der Mensch im Mittelpunkt". Wer etwas verändern will, muss sich einbringen. Jeden Dienstag bin ich von 10 bis 12 Uhr in Köllerbach und von 14.30 bis 18 Uhr in Püttlingen für alle Bürgerinnen und Bürger zu sprechen.