Die Regisseurin und Schauspielerin Eveline Sebaa (44) bringt ein Kultstück aus den Neunzigern zurück in die saarländische Theaterlandschaft. Die „Vagina Monologe", ein Theaterstück von Eve Ensler, ist demnächst zu sehen. Im Interview hebt Sebaa die Aktualität hervor.
Frau Sebaa, das Stück „Vagina Monologe" von Eve Ensler war 1996 ein Broadway Hit und wurde bereits in den 2000er Jahren auch in Deutschland aufgeführt. Warum taucht das Stück jetzt in Saarbrücken auf?
Hintergrund ist, dass die #MeToo-Debatte abgeflacht ist. 2017 gab es einen medialen Hype, jeder hat sich geäußert. Und dann wurde es immer weniger, die Witze darüber wurden mehr. Meine Schauspiel-Kolleginnen Bérengère Brulebois und Simone Hoffmann sind mit dem Stück auf mich zugekommen. Als ich es erneut gelesen hatte, hat es sofort was in mir ausgelöst und ich dachte, ja, das ist eine gute Idee, das jetzt zu machen. Um zu zeigen, dass 1996 ganz viele Dinge schon mal gesagt wurden, was die Emanzipation, die Genderthematik betrifft, wie sich die Frau selber sieht, wie sie mit ihrem eigenen Geschlecht umgeht. Eve Ensler hat damals über 200 Interviews geführt, die eine erschreckende Aktualität haben.
Welcher Monolog hat sie am meisten berührt?
Was ich besonders an den Monologen finde, ist, dass Eve Ensler es geschafft hat, durch die Landschaft von Frauenleben, Frauengedanken, Frauenängsten und Frauenfreuden durchzuführen. Sowohl im Schönsten als auch im Schlimmsten. Sie spannt den Bogen von Lust am eigenen Körper zu finden, zum Beispiel im Vagina-Workshop. Das ist ein großartiger Dialog, bei dem man viel Schmunzeln muss, aber eben auch viele Wahrheiten erfährt. Sie hat zur Erstellung der Monologe jeder Frau Fragen gestellt. Zum Beispiel die Frage: Was würde deine Vagina anziehen? Aber es geht auch um Kriegsopfer, um die Frau als Objekt und das ist dann ein Bogen, den sie da spannt, der sehr konzentriert ist.
Das Wort Vagina. Was löst es bei Ihnen aus?
Simone, Bérengère und ich haben früh an der Arbeit gemerkt, dass wir drei uns auch mit unserer eigenen Scham beschäftigen müssen, dass wir das Wort Vagina so gut wie nie benutzen. Banal und provokativ gesagt, scheint es gängiger, das Wort Schwanz zu nutzen. Es taucht immer wieder mal auf, wenn es um Männer geht. Wir haben uns gefragt, warum Frauen mit ihrem Geschlecht so schüchtern und zurückhaltend sind. Das ist eine einfache Antwort. Sie ist nicht sichtbar. Ich baue einen anderen Bezug dazu auf.
Ist es Verlegenheit oder irgendwas zwischen Ekel und Erotik? Warum ist das unausgesprochen?
Ekel auf gar keinen Fall. Ich habe eine merkwürdige Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, die gar nicht da ist. Auch im Zuge der #MeToo-Debatte, bei der ich gemerkt habe, dass Sexualität und Lust von Frauen anders konnotiert ist. In einem Monolog geht es um Selbstbefriedigung. Im Zuge ihrer Recherchen hat Eve Ensler mit vielen Frauen gesprochen, die eine unglaubliche Scham hatten, überhaupt darüber zu sprechen. Das hat mich überrascht.
Es ist ja durchaus auch sehr persönlich, worüber man mit Fremden nicht unbedingt reden muss?
„Ja, es ist eine intime Geschichte, was ja auch was unheimlich Schönes hat, das Frau eine Zurückhaltung spürt, weil Sexualität was Privates ist, das geht nur mich was an. Das Problem daran ist aber, dass, wenn man so ganz leise ist, es schnell passieren kann, dass die eigenen Wünsche und die eigenen Vorstellungen keine große Rolle mehr spielen, weil frau nicht gelernt hat, darüber zu sprechen.
Driftet das nicht alles in eine sexualisierte Darstellung der Frau ab?
Es geht natürlich um Sex und Sexualität von Frauen. Eve geht meiner Meinung nach damit aber sehr klug um. Während sie das Stück geschrieben hat, hat sie sich selbst gefragt, ob sie das nicht zu sehr zur Schau stellt, sich gefragt, worum es ihr eigentlich geht. Möchte ich darüber sprechen?! Im Laufe der Interviews merkte sie jedoch, wie befreiend es für die Frauen ist, endlich mal darüber zu reden. Und nicht zu sagen, dass geht niemanden was an. Gerade für ältere Frauen. Da gibt es einen Monolog einer 72-Jährigen, der sehr berührend ist und deutlich macht, wie wichtig es ist, über die weibliche Sexualität zu sprechen.
Neben dem Sexuellen ist Gewalt gegen Frauen ein zentrales Thema.
Ja, das liegt mir auch sehr am Herzen. Es ist ein Monolog von einer Frau dabei, die ein Kriegsopfer wurde. Damit das nicht in einem luftleeren Raum bleibt, dass Gewalt gegen Frauen verübt wird. Nicht nur in Kriegssituationen, sondern auch in Form von Beschneidung. Ein Großteil der Einnahmen wird an den Verein „INTACT", eine Hilfsorganisation, die Frauen und Mädchen in Not unterstützt, gespendet.
Alleine in Deutschland leben, laut Bericht des Bundesfamilienministeriums (Stand 2017), über 48.000 Mädchen und Frauen als Opfer von Genitalverstümmelung.
Ja, das ist wirklich unfassbar. Deshalb ist die Frage richtig, ob eine zu sexualisierte Sicht darauf nicht kontraproduktiv ist. Wenn man sich dann überlegt, dass es dazu gehört, einem Mädchen komplett das Lustzentrum wegzunehmen, damit viele Dinge nicht in Gang kommen, dann stellt sich die Frage: Ist es nicht absolut wichtig, darüber zu reden? Was ist die Sexualität einer Frau und ist das etwas, das Angst macht, wenn frau Lust empfindet?
Wie stellen Sie das heraus?
Die „Vagina Monologe" werden durch die sogenannten Tatsachen ergänzt. Das ist in Form eines Berichtes auch ausdrücklich erwünscht, dass man dann die Zahlen aktualisiert. Da werden Zahlen über sexuelle Übergriffe genannt in dem Ort, wo das Stück aufgeführt wird.
Wen soll das Stück ansprechen?
Wir wollen eine Diskussion in Gang bringen, denn Eve Enslers Stück ist so entwaffnend und schonungslos ehrlich, dass auf jeden Fall die Wichtigkeit deutlich wird. Ich glaube, wir sind alle noch immer ziemlich konservativ in unserem Denken. Dieses Stück geht eben ernsthaft, aber auch humorvoll mit dem Frausein um.
Warum sollte Mann es nicht verpassen?
Männer werden nicht vorgeführt, sondern eingeladen, sich Gedanken zu machen. Zum Beispiel, wie die Lust entsteht. Ein Zitat aus dem Stück: „Was würde deine Vagina sagen, wenn sie sprechen könnte: mach langsam." Und das ist lustig, ja, aber die Lust zu wecken ganz konkret, das beschreibt eine lesbische Frau. Das kann Mann mit Humor anhören, aber dieses Wissen auch gut mit nach Hause nehmen.