Nicht nur beim Homo sapiens, sondern auch im Tierreich ist der Schritt hin zum Erwachsenwerden eine entscheidende Lebensphase. Die tierischen Halbstarken legen dabei ähnliche Verhaltensweisen und Auffälligkeiten an den Tag wie menschliche Teenies.
Immer, wenn die Thomson-Gazellen bei ihren Streifzügen durch die offenen Savannen Kenias oder Tansanias beim Aufeinandertreffen mit Löwen oder Geparden nicht Fersengeld geben, sondern sich im Gegenteil ihren tödlichen Feinden annähern, kann man davon ausgehen, dass es sich um junge Paarhufer in der Pubertät handelt. Denn ähnlich wie ihre menschlichen Altersgenossen möchten sie in dieser Lebensphase ihre Grenzen und neuen Möglichkeiten erkunden, was das von Leichtsinn und überschüssiger Energie geprägte Spiel mit dem Feuer und einem für sie kaum zu begreifenden Risiko mit einschließt. Ob sie dabei auch so etwas wie einen Nervenkitzel oder Adrenalinkick verspüren, lässt sich natürlich nicht nachweisen. Wohl aber, dass das Ganze, wie die Wildtierökonomin Clara Fitzgibbon von der University of Cambridge beobachtet und in Studien publiziert hat, recht häufig für die Jung-Gazellen kein gutes Ende nimmt. Denn in einem von 419 Fällen werden die Teenies Opfer der Raubtiere.
Nicht nur die jungen Gazellen, sondern alle pubertierenden halbstarken Tiere müssen in dieser Lebensphase den schmalen Grad zwischen Sicherheit und Risiko erst einmal austesten. Sie müssen eine möglichst optimale Balance zwischen defensivem Verhalten und sinnvoller Angriffslust/Aggressivität finden. Eine Überdosis von Letzterem kann schnell tödlich enden. Davon können auch unbeteiligte, friedliche Spezies betroffen sein, wie das Beispiel pubertierender Elefantenbullen im südafrikanischen Pilanesberg Nationalpark gezeigt hatte. Die als Waisenkinder und daher ohne die nötige Sozialisation aufgewachsenen Tiere hatten weibliche Breitmaulnashörner attackiert, um sich mit ihnen zu paaren. Das war anatomisch zwar absolut unmöglich, aber genau das hatte die Elefanten so sehr provoziert, dass sie mehrere Nashornweibchen getötet hatten. Auch gegenüber ihren eigenen Artgenossen verhalten sich die meisten heranwachsenden Dickhäuter männlichen Geschlechts aggressiv, weshalb sie von der Herde ausgestoßen werden und sich zu Junggesellengangs zusammenschließen.
Anstieg von Aggressivität
Diese Form der Abnabelung von der Mutter, die auch bei Wildschweinen, Affen, Zebras, Gnus oder Delfinen zu beobachten ist, dient möglicherweise auch dazu, Inzucht im Rudel zu vermeiden. Bei vielen Tierarten wird dabei der Kontakt zu den Eltern endgültig und vollständig abgebrochen. Gerade für die männlichen Tiere ist die Pubertät eine wichtige Phase, um die eigenen Kräfte zu entdecken und sich in der Hierarchie nach oben zu kämpfen. Der Aufenthalt in den Teen-Clans bietet den männlichen Jungtieren Schutz vor Raubtieren und älteren Artgenossen, gegenüber denen ein angemessenes Verhalten erst noch erlernt werden muss. Die halbwüchsigen Weibchen bleiben der Herde oder dem Familienverbund treu und kümmern sich meist um fremden Nachwuchs. Sie üben sich gewissermaßen schon mal in der späteren Mutterrolle, indem sie mit dem fremden Nachwuchs spielen und ihn schützend behüten. Dem Spielen miteinander kommt auch bei vielen männlichen Jungtieren eine zentrale Rolle zu, weil damit ein geschmeidiges Sozialverhalten erprobt werden kann, was später zum Bezirzen der Weibchen hilfreich sein kann. Es wurde vor allem bei männlichen Ratten oder Delfinen beobachtet, während sich junge Primatenmännchen vor allem auf wohlige Gesten wie gegenseitiges Fellkraulen beschränken.
Laut der Kardiologin und medizinischen Beraterin des Zoos von Los Angeles, Prof. Barbara Natterson-Horowitz von der University of California, verläuft die Pubertät im Tierreich ähnlich lebenswendend, aufwühlend und gefahrenbehaftet wie beim Menschen. Was sie am Beispiel von Jungratten, die neugierig, unvorsichtig und draufgängerisch agieren, ebenso belegen konnte wie bei der Beobachtung von jungen Meerkatzen oder Zebrafinken, die sich allem Fremden auffällig unbefangen, interessiert und furchtlos zu nähern pflegten. Ähnliche Erfahrungen hatte die amerikanische Psychologin Prof. Linda Spear von der Binghampton University bei Experimenten mit halbwüchsigen Mäusen und Ratten gemacht.
Auch der renommierte Reproduktionsbiologe Prof. Burkhand Meinecke von der Tierärztlichen Hochschule Hannover sieht viele Gemeinsamkeiten zwischen pubertierenden Menschen und Tieren: „Ich kann keinen Unterschied erkennen zwischen der Pubertät von Tieren und der von Menschen." In welchem Alter die Pubertät bei Tieren einsetzt, ist von Art zu Art, aber auch individuell, recht verschieden. Laut Prof. Meinecke spielt dabei das Körpergewicht eine wichtige Rolle: Je schwerer ein Tier im Verhältnis zu seinen Artgenossen ist, desto früher beginnt bei ihm die Pubertät. Bei Nutztieren wie Rindern beispielsweise könne der Beginn der Pubertät daher sogar über die Futtermenge beeinflusst werden. Auch die Lebenserwartung, die Gruppengröße oder die Zahl der Tiere im Herdenverband (je kleiner, desto später der Pubertätsbeginn) und das Geschlecht sind wesentliche Faktoren für den Beginn der tierischen Pubertät, die mit dem Erlangen der Geschlechtsreife verbunden ist.
Gehirn verändert sich stark
Bei Thomson-Gazellen setzt die Pubertät bereits mit neun Monaten ein, bei Löwen dauert es im Schnitt anderthalb Jahre, bei Makaken dreieinhalb Jahre, bei Schafen sieben Monate, bei Schweinen sechs beziehungsweise sieben Monate (Weibchen), bei Rindern elf Monate, bei Pferden 13 beziehungsweise 14 Monate (Weibchen). Bei Elefanten kann bis zum Beginn der Pubertät eine ganze Dekade vergehen, Grönlandwale, die bis zu 400 Jahre alt werden können, lassen sich bis zur Geschlechtsreife noch viel mehr Zeit. Dass im Gehirn pubertierender Tiere ähnliche Vorgänge ablaufen wie bei menschlichen Teenies haben Wissenschaftler rund um den Neurobiologen Prof. Christos Constantinidis von der Wake Forest School of Medicine in Winston-Salem/North Carolina und der Psychiaterin Prof. Beatriz Luna von der University of Pittsburgh im direkten Vergleich mit Makaken nachweisen können. Vor allem die häufige Impulsivität war ihnen besonders aufgefallen. Das führten sie darauf zurück, dass sich bei den halbstarken Affen wie auch bei jungen Menschen in dieser Lebensphase neuronale Verbindungen im Gehirn so sehr verändert haben, dass die jeweiligen Individuen später wesentlich besser planvoll handeln können.
Der Hund in der Pubertät: In diesem Zusammenhang ist es fraglos lohnend, einen genaueren Blick auf eines der liebsten Haustiere zu werfen. Je nach Art variiert bei Rüden der Pubertätsbeginn zwischen fünf und 18 Monaten, bei der Hündin zwischen sechs und zwölf Monaten. Bei Hündinnen ist der Zeitpunkt leicht zu erkennen, weil er mit der ersten Läufigkeit einhergeht. Bei Rüden gibt es dafür gewisse Hinweise, beispielsweise das Heben des Beins zum Markieren des Reviers, das plötzlich nicht mehr so selbstverständliche Folgsamsein gegenüber Herrchen oder Frauchen, das allmählich einsetzende Interesse am anderen Geschlecht verbunden mit einer wachsenden Unverträglichkeit gegenüber anderen Rüden. Viele pubertierende Hunde irritieren ihre Besitzer dadurch, dass sie auf früher Erlerntes wie „Platz" nicht mehr reagieren. Experten erklären das damit, dass die Tiere das einfach in dieser Phase wieder vergessen haben, aber schnell wieder beigebracht bekommen können. Und sie weisen darauf hin, dass Herrchen und Frauchen penibel darauf achten sollten, dass ihr Liebling während der Pubertät nicht von einem Artgenossen gebissen wird, weil dieses Negativerlebnis sonst lebensprägend sein kann. Von einer zu frühen Kastration zur Umgehung der Pubertät wird seitens der Hundefachleute dringend abgeraten, weil damit dem Tier die Möglichkeit zur Ausbildung seiner Persönlichkeit genommen werde.
Die Katze in der Pubertät: Auch bei den niedlichen Kätzchen führt der Weg zum ausgewachsenen Stubentiger über die Pubertät. Geschlechtsreif sind Katzendamen mit sechs bis neun Monaten, Kater mit neun bis zwölf Monaten, wobei es zusätzlich zwischen den verschiedenen Rassen erhebliche Unterschiede gibt und die gesamte Pubertät generell etwa ein halbes Jahr lang dauert, bei Weibchen schon im dritten Monat beginnend, bei Männchen etwa im Alter von einem halben Jahr. Die mit der Pubertät einhergehenden Stimmungsschwankungen können sich durch Zickereien oder Rüpeleien äußern. Bei Katzen kann sich die erste Rolligkeit durch wohliges, von einem Miau-Konzert begleitetes Rekeln auf dem Boden zeigen, bei Katern durch die beginnende Terrain-Markierungssucht.