Mit der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit am 8. Februar 1950 wurde in der DDR ein umfassender Überwachungsapparat aufgebaut. Die Stasi überwachte fast alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens und schreckte selbst vor Mord nicht zurück. Kein Volk wurde in der Geschichte je so eng überwacht wie die DDR-Bürger.
Es war ein wahrlich bizarrer Auftritt. Am 7. November 1989 trat Erich Mielke zusammen mit den weiteren Mitgliedern des DDR-Ministerrats von seinen Ämtern zurück. Die Proteste im Land gegen die Regierung hatten sich in den Wochen zuvor zugespitzt, doch Mielke als Minister für Staatssicherheit war sich immer noch keiner Schuld bewusst. Zwei Tage vor dem Mauerfall trat er vor der Volkskammer noch einmal ans Rednerpult. „Wir haben, Genossen, liebe Abgeordnete, einen außerordentlich hohen Kontakt mit allen werktätigen Menschen", stammelte er, was im Nachhinein fast schon unfreiwillig komisch war. Denn tatsächlich wusste die DDR-Staatssicherheit über viele Werktätige mehr als deren Arbeitskollegen.
Über Jahre hinweg hatte die Stasi einen umfassenden Überwachungsapparat aufgebaut und die eigenen Bürger flächendeckend ausspioniert – am Arbeitsplatz ebenso wie in den eigenen vier Wänden. „Wir müssen alles wissen", hatte Mielke von Anfang an gefordert. Das wahre Ausmaß der Überwachung wurde allerdings erst nach der Wende offenbar. Allein bei der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) lagern 111 Kilometer Aktenmaterial, andere Quellen sprechen sogar von 160 Kilometern. Dazu 1,4 Millionen Fotos sowie unzählige Videos und Tonbänder.
Der Gesetzestext, durch den all das legitimiert wurde, passte dagegen auf ein einziges Blatt Papier. Womöglich war das Gesetz zur Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit sogar das kürzeste der deutschen Rechtsgeschichte, mit gerade einmal 48 Wörtern. Und auch die anschließende Pressemeldung über den Beschluss der DDR-Volkskammer fiel äußerst knapp aus. Während über das zeitgleich beschlossene Jugendgesetz in aller Breite berichtet wurde, fand sich der Hinweis auf die Stasi-Gründung erst ganz am Ende des Textes. Die „Schweriner Landes-Zeitung" etwa vermeldete tags darauf lapidar: „Ein Gesetz über die Errichtung eines Ministeriums für Staatssicherheit wurde nach der Begründung durch Innenminister Karl Steinhoff gleichfalls angenommen." Nur wenige DDR-Bürger dürften damals die wahre Tragweite begriffen haben.
Die Stasi unterhielt eigene Gefängnisse
Am 8. Februar 1950 wurde das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) offiziell aus der Taufe gehoben, besser bekannt als Stasi – oder wie es im Volksmund hieß: die Abteilung „Horch und Guck". Als Erster leitete der langjährige Kommunist Wilhelm Zaisser die neue Behörde. In den Folgejahren entwickelte sie sich zu einem der Eckpfeiler des Partei- und Sicherheitsapparates, mit dem die SED-Führung die eigene Bevölkerung unter Kontrolle hielt. Die Stasi war innenpolitische Geheimpolizei, Ermittlungsbehörde und Auslandsnachrichtendienst gleichermaßen; sie sah sich selbst als „Schwert und Schild" der Partei. Dabei unterlag sie keiner parlamentarischen Kontrolle, sondern war direkt dem Politbüro unterstellt. Die entscheidenden Fragen zur Staatssicherheit beriet der zuständige Minister mit Staatschef Walter Ulbricht beziehungsweise später Erich Honecker höchstpersönlich im wöchentlichen Vier-Augen-Gespräch.
Ebenso kurz wie der Gesetzestext selbst fielen auch die Beratungen in der Provisorischen Volkskammer aus. „Die Abgeordneten folgten dem Innenminister: Sie verzichteten auf Wortmeldungen, Ausschussberatungen, Enthaltungen und Gegenstimmen und ließen damit eine der folgenreichsten Entscheidungen in der Geschichte der DDR binnen weniger Minuten passieren", schreibt Jens Giesecke in seinem Buch „Die Stasi", der Projektleiter der Abteilung Kommunismus und Gesellschaft am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam.
Die Regierung hatte die Gründung eines weiteren Ministeriums damit begründet, dass sich die Fälle von Sabotage, Diversion und Spionage häufen würden, mit denen „der amerikanische Imperialismus, dieser Hauptfeind unserer Republik und unseres Volkes" die junge Republik überziehe. Um das zu unterbinden, sei es notwendig, „die Schaffung geeigneter Organe, die den Kampf gegen Agenten, Saboteure und Diversanten führen, wie auch […] entsprechende Strafgesetze, die der Justiz die Möglichkeit geben, die von diesen Organen festgenommenen und überführten Täter der gerechten Strafe zuzuführen, zu verwirklichen", ereiferte sich Mielke. Mit der Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft, die dem Innenministerium unterstellt war, gab es in der DDR zu diesem Zeitpunkt bereits eine politische Geheimpolizei. Mit der Gründung der Stasi wurde diese nun gewissermaßen ausgegliedert und in ein eigenständiges Ministerium umgewandelt.
Und was für eines. Das MfS unterhielt eigene Gefängnisse – darunter die zentrale Untersuchungshaftanstalt in Berlin-Hohenschönhausen, in welcher bis 1989 vor allem politische Gefangene physisch und psychisch gefoltert wurden. Heute befindet sich dort eine Gedenkstätte. Die Staatssicherheit stand unter Waffen und besaß außerdem ein eigenes Wachregiment: das Wachregiment „Feliks Dzierzynski", der militärische Arm des Ministeriums, dessen Einheiten 1961 unter anderem den Mauerbau absicherten. Zu Hochzeiten umfasste die Truppe rund 11.000 Mann.
Insgesamt waren bis zu 91.000 hauptamtliche Mitarbeiter bei der Staatssicherheit beschäftigt. Im Schnitt kam damit ein Stasi-Mitarbeiter auf 180 Bürger – kein Volk wurde in der Geschichte je so eng überwacht. Gerade in den 70er-Jahren, also ausgerechnet während der deutsch-deutschen Entspannungspolitik, stieg die Zahl der Mitarbeiter besonders stark an, weil die Stasi aufgrund wachsender Kontakte zwischen Ost und West eine Zunahme „feindlicher Beeinflussung" fürchtete. Hinzu kamen je nach Quelle zwischen 110.000 und 190.000 inoffizielle Mitarbeiter (IM), die sich aus verschiedenen Gründen bereit erklärten, verdeckt mit der Staatssicherheit zusammenzuarbeiten. Es kam vor, dass Arbeitskollegen einander bespitzelten, Männer und Frauen ihre Partner, Jugendliche ihre Eltern. Auch Sportvereine, Kirchen und andere systemkritische Gruppen wurden infiltriert, und selbst die Fußball-Nationalmannschaft der DDR stand stets unter genauer Beobachtung.
Manches zerstört, vieles gerettet
Die Stasi überwachte fast alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens. Sie arbeitete mit Polizei, Zoll und anderen Behörden zusammen, hörte private Telefonate ab und öffnete Briefe. Das Ziel: jegliches Verhalten zu unterbinden, das der Regierung gefährlich werden konnte. Nachdem man dabei in den ersten Jahren der DDR noch mit offensiver Härte und Brutalität vorgegangen war, wurden die Methoden mit der Zeit „leiser", aber deshalb nicht weniger perfide. Im Zuge sogenannter Zersetzungsmaßnahmen wurden gezielt Gerüchte gestreut und Regimegegner damit systematisch diskreditiert, Freundschaften und berufliche Karrieren zerstört oder durch gegenseitige Verdächtigungen Misstrauen erzeugt. Oft wussten die Betroffenen gar nicht, wie ihnen geschieht.
Daneben betrieb die Stasi auch Auslandsspionage, vor allem in der Bundesrepublik. Gezielt wurden Politiker, Verbände, Medien, Militär, Sicherheitsbehörden, Wissenschaft und Wirtschaft ausgespäht; der größte Erfolg war dabei sicher die Platzierung von Spion Günter Guillaume im Bundeskanzleramt von Willy Brandt. Auch Mordanschläge gegen Regime-Gegner im Westen gab es. Im eigenen Land konnte die Staatssicherheit dagegen den Aufstand vom 17. Juni 1953 nicht verhindern und wurde von den Protesten kalt erwischt. Die Ereignisse wurden zum Trauma für die junge Behörde und führten dazu, dass das MfS in der Folge immer weiter ausgebaut wurde.
Minister Wilhelm Zaisser musste nach dem Volksaufstand jedoch abtreten. Seine Nachfolger wurden erst Ernst Wollweber und ab 1957 schließlich Erich Mielke, der das Ministerium bis zu seinem eigenwilligen Abgang 1989 mehr als drei Jahrzehnte leitete. Nach der Maueröffnung wurde die Behörde dann zunächst in Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) umbenannt und Anfang 1990 schließlich ganz aufgelöst. Die Verantwortlichen hatten da bereits begonnen, Beweismaterial zu beseitigen. Durch die Besetzung der Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg am 15. Januar 1990 und ähnliche Aktionen in anderen Städten konnte das meiste Material jedoch gerettet werden.