Dirk Darmstaedter gelang mit The Jeremy Days 2019 ein Comeback. Parallel veröffentlichte der Hamburger sein zehntes Soloalbum.
Mit „Brand New Toy" schaffte die Band The Jeremy Days 1988 den internationalen Durchbruch. Ihre Hits spielten Radiosender fortan auf dem ganzen Globus. Einst eröffneten sie die Musikmesse Popkomm, tourten durch ganz Europa und nahmen ihr Album „Speakeasy" in New York auf: Die Musiker gehörten in den 80er- und 90er-Jahren zu den ganz Großen der Szene. „Es war für uns wie ein achtjähriger Flug zur Sonne, der 1996 mit der Auflösung der Band endete", drückt es Sänger Dirk Darmstaedter etwas pathetisch aus.
Womit weder Fans noch Kritiker rechneten, passierte 2019: Das Comeback von The Jeremy Days! „Seit der Bandauflösung haben wir uns vielleicht dreimal gesehen und dann immer zu uns selbst und Reportern gesagt: Die Band kommt nie mehr zurück", so der alte und neue Frontmann der Gruppe. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Nachdem Veranstalter immer wieder anfragten, ob man zum 30. Jahrestag der Band-Gründung (2018) nicht doch „etwas machen" könne, trafen sich die fünf Barden schließlich im Hamburger Tonstudio. „Die Chemie stimmte sofort. Das hatte fast etwas Magisches", erinnert sich Dirk Darmstaedter.
Seit dem umjubelten Comeback-Konzert im Januar 2019 ist die Gruppe wieder in aller Munde. Seit November sind die Vollblutmusiker deutschlandweit live zu erleben. Für Konzertbesucher gibt es alte Hits und neue Songs „auf die Ohren", wie vom Management zu erfahren ist. Berlin liegt Dirk Darmstaedter übrigens sehr am Herzen, wie er im Interview betont. Seit einer gefühlten Ewigkeit komme er hierher, auch schon ins alte Westberlin vorm Mauerfall 1989. „Natürlich war und bin ich oft wegen der Musik da. Heute finde ich besonders Berlin-Mitte spannend", sagt der 54-Jährige. Mitte biete einen tollen Mix aus Szene, Kultur und Weltstadt. „Potsdam liebe ich aber genauso. Die Landeshauptstadt hat ein ungeheures Flair. Die lässige Atmosphäre gefällt mir. Das ist ein echter Wohlfühlort."
Mit dem Projekt „Club der toten Dichter" war Darmstaedter den eigenen Worten nach im gesamten Osten unterwegs. „Wir spielten um die 85 Konzerte, und ich kam an Orte und in Städte, von denen ich vorher noch nie etwas gehört hatte. Schade, dass ich nie wieder dort war", bedauert der gebürtige Hamburger. Auf die Frage nach ihm bekannten Ostbands kann er aus dem Stand Puhdys und Rockhaus nennen.
Neue Ideen spricht er beim Spazierengehen in sein iPhone
Noch viel mehr kann er aber zur eigenen Solokarriere sagen, der er kürzlich mit seinem zehnten Soloalbum „Strange Companions" das i-Tüpfelchen aufsetzte. Die neue CD entstand auf eher unkonventionelle Art und Weise. Darmstaedter produzierte sie nicht in einem Ritt im Studio, sondern nahm jeden Monat jeweils einen Song auf, den er auch sofort produzierte und digital veröffentlichte. „Das habe ich 16 Monate lang gemacht und am Ende Titel ausgewählt", sagt der Hamburger über das ganze Gegenteil eines geplanten Konzeptalbums. „Mir ging es nicht darum, den Fundus für ein Album zu schaffen, sondern nur um jeweils diesen einen Song, den ich gerade am Wickel hatte."
Besonderen Druck habe er beim Einspielen des Jubiläumsalbums nicht verspürt. „Was für ein Druck? Das Leben ist viel zu kurz für solchen Quatsch." Da halte er es als Solokünstler wie mit seiner Band: „Wir feiern uns jetzt nur noch selbst!" Sein Herz hänge in Zeiten von Spotify und Youtube noch immer an CD beziehungsweise Schallplatte. „Ich bin da noch aus einer anderen Generation, halte gern das Produkt mit schöner Coverhülle in der Hand", so der Norddeutsche.
Den ersten Song seiner neuesten Silberscheibe – „Wilhelmsburg" – widmete er dem gleichnamigen Hamburger Stadtteil, der ihm in der Metropole am nächsten steht. Wilhelmsburg sei Idylle und Stadt in einem, ein eigener Kosmos sozusagen. Das werde ihm immer klar, wenn er unterwegs ist. „Kürzlich in Lissabon war das wieder so, als ich richtig Heimweh bekam." Ganz klar, dass das Sonntagsfrühstück des Künstlers im Hamburger Süden stattfindet. Ein irisches Porridge mit Früchten darf dabei nicht fehlen. Die bevorzugte Sorte lässt sich Dirk Darmstaedter schicken, da sie in seiner Wohngegend nicht zu bekommen ist, berichtet der Musiker.
Nach dem Morgenmahl geht’s mit dem Hund raus zu ausgedehnten Spaziergängen. „Zwei bis drei Stunden laufe ich täglich. Das hält Körper und Geist gesund. Beim Walken kommen mir sowieso die besten Ideen, da passieren im Gehirn viele gute Sachen." Geistesblitze und Ideen spricht Dirk Darmstaedter meist gleich in sein iPhone. Joggen komme schon deshalb nicht infrage, schmunzelt er. Hobbys außerhalb der Musik habe er im Grunde genommen keine. „Höchstens man zählt mein Interesse an Dokumentationen über Musik dazu", lächelt der schlanke Mann, der auch schon Radiosendungen moderierte.
Der Sänger hatte von 2002 bis 2014 sogar mal ein eigenes Musiklabel: „Tapete Records" entwickelte sich schnell zu einem der wichtigsten Independent-Label Deutschlands. Bereits nach fünf Jahren betreute Dirk Darmstaedter mit einem Kollegen 30 Künstler, die auf etwa 100 Alben rund 1.000 Lieder produzierten. Man entdeckte so unter anderem Bands wie Tele und Erdmöbel, die bald darauf zu Major-Labels wechselten. Lange kann der The-Jeremy-Days-Sänger nicht mehr über frühere Erfolge berichten. Das nächste Interview seiner Promotion-Tour zur neuen CD steht im Terminkalender. Es geht zum Deutschlandfunk nach Berlin-Schöneberg.