Vor 50 Jahren eroberte Joe Frazier den Schwergewichts-Thron der beiden damals bestehenden Box-Weltverbände. Es gelang ihm, seinen Titel im ersten Jahrhundertkampf der Boxgeschichte gegen Muhammad Ali zu verteidigen, mit dem er sich später auch den legendären „Thrilla in Manila" liefern sollte.
Es hatte nicht viel gefehlt, um dem Traum des jungen Boxers Joe Frazier, ein zweiter Joe Louis zu werden, ein frühzeitiges Ende zu bereiten. Was seine technischen Fähigkeiten betraf, so reichte sein Können bei Weitem nicht an sein Vorbild heran. Sein martialischer Kampfstil erinnerte mehr an Rocky Marciano, der als der ungekrönte Knock-out-König in die Boxgeschichte eingegangen war und dessen Kämpfe Frazier im Kreise seiner Familie vor dem heimischen Bildschirm mitfiebernd verfolgt hatte. Schon wegen seiner überschaubaren Größe von nur 1,81 Metern und seinem daraus resultierenden Reichweiten-Nachteil gegenüber vielen Gegnern kannte Frazier im Ring nur den Vorwärtsgang. Diese Taktik verfolgte er, um möglichst schnell in den Infight zu gelangen, seiner ureigenen Spezialität, bei der er dann seinen gefürchteten linken Haken zum Einsatz bringen konnte. Diesem linken Haken verdankte er die meisten seiner 27 K.-o.-Siege in seiner Profikarriere. Wenn die Kampfmaschine Smokin’ Joe, so sein Spitzname, erst einmal ins Rollen kam, konnte sie von kaum jemandem mehr gestoppt werden.
Einer der Wenigen war Buster Mathis, ein großgewachsener und trotz seiner Größe von 1,91 Meter erstaunlich leichtfüßiger und technisch versierter Boxer, der Frazier gleich zweimal während dessen Amateurzeit besiegen konnte. Ansonsten war Fraziers Amateurbilanz mit 36 Triumphen makellos. Die Niederlage gegen Mathis im Finale der US-Ausscheidungskämpfe für die Olympischen Spiele 1964 in Tokio schien Fraziers Träume von einer Profikarriere jäh zu beenden. Sein erklärtes Ziel war es gewesen, sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren, dort Gold zu gewinnen und so den Sprung ins Schwergewichts-Profilager zu schaffen.
Doch Frazier hatte Glück. Buster Mathis musste verletzungsbedingt auf die Spiele verzichten, und Frazier rückte für ihn als Olympia-Teilnehmer nach. Und dieses Mal nutzte Frazier seine Chance. Trotz angebrochener Schlaghand gewann er in Japan gegen den Deutschen Hans Huber und holte sich die Goldmedaille – seine Eintrittskarte ins Berufsboxen. Ab 1965 und den folgenden Jahren fuhr Frazier Sieg um Sieg ein, ehe er am 4. März 1968 in seinem 20. Profikampf erstmals die Chance bekam, um den WM-Titel zu boxen. Sein Kontrahent im New Yorker Madison Square Garden: ausgerechnet sein Angstgegner Buster Mathis. Doch Frazier tilgte die frühere Schmach und wurde Champion der New York State Athletic Commission, die wenig später als World Boxing Council (WBC) ein ernsthafter Konkurrent zur ältesten World Boxing Association (WBA) werden sollte.
Erster WM-Kampf gegen Angstgegner
Joe Frazier war das Kunststück gelungen, als erster Kämpfer der Schwergewichts-Boxgeschichte sowohl olympisches Gold als Amateur als auch anschließend einen WM-Titel als Profi zu erringen. Damit hatte der am 12. Januar 1944 in Beaufort im US-Bundesstaat South Carolina geborene Joseph William beruflich schon einiges erreicht. Als jüngstes von insgesamt zwölf Kindern des als ärmliche Farmpächter tätigen Ehepaars Frazier hatte er den Weg nach ganz oben geschafft. Der Sport bot Frazier die einzige Chance zum gesellschaftlichen Aufstieg, und diese nutzte er konsequent.
Wer weiß, wo er ohne das Boxen gelandet wäre, denn bereits im Alter von 13 Jahren hatte der junge Joe die Schule beendet. Mit 16 Jahren verdiente er sich etwas Geld in den Schlachthöfen von Philadelphia – und begann mit dem Boxen. Eigenen Angaben zufolge soll er tagsüber zu Trainingszwecken aufgehängte Rinderhälften als Sandsack-Ersatz mit seinen Fäusten traktiert haben. Eine Anekdote, die im Kultfilm „Rocky" 1976 von Sylvester Stallone aufgegriffen wurde. In dem Streifen spielte Joe Frazier übrigens eine kleine Nebenrolle. Schon mit 17 Jahren heiratete er seine damals 15-jährige Jugendliebe Florence Smith, bei ihrer Scheidung ihm Jahr 1985 hatte das Paar fünf Kinder. Insgesamt brachte es Frazier auf elf Nachkommen mit vier verschiedenen Frauen.
Mit dem WBC-Titel allein wollte sich Frazier natürlich nicht begnügen. Er bereitete sich vielmehr mit vier siegreichen Kämpfen auf die anstehende Titelvereinigung von WBC und WBA vor. Am 16. Februar 1970 war Jimmy Ellis sein Gegner. Bereits in der vierten Runde schickte er Ellis zweimal auf die Bretter und zwang ihn damit zur Aufgabe. Frazier hatte es geschafft, war als WBA- und WBC-Champion im Schwergewicht der Boxer der Boxer. Eigentlich. Der begehrte Ehrentitel „Unumstrittener Boxweltmeister" blieb ihm aber versagt, weil in den Hinterköpfen nahezu aller Box-Experten der Name Muhammad Ali herumspukte. Obwohl dem eleganten Distanzboxer Ali 1967 alle Titel aberkannt worden waren, weil er den Dienst an der Waffe für sein Vaterland abgelehnt hatte, galt er dennoch als der mit Abstand beste Schwergewichts-Kämpfer. Als seine Boxsperre im Oktober 1970 aufgehoben wurde, wollte nahezu jeder Boxfan einen Fight zwischen ihm und Frazier sehen. Da auch die Börse stimmte – beide Boxer erhielten damals 2,5 Millionen Dollar – stimmte Frazier nach der ersten Titelverteidigung gegen Bob Foster einem Kampf gegen Ali um die WM-Krone zu.
Im Vorfeld des Fights, der am 8. März 1971 vor mehr als 20.000 Besuchern im restlos ausverkauften Madison Square Garden und vor rund 300 Millionen Zuschauern an den heimischen Bildschirmen über die Bühne ging, hatten sich beide Kontrahenten übelste Beschimpfungen geleistet. Vor allem Ali als Herausforderer ging Frazier vehement an, was letztlich Ursache für die fast schon an blanken Hass grenzende nahezu lebenslange Feindschaft zwischen den beiden Boxern war.
Vermögen durch Immobilien verloren
Ali hatte Frazier als „Gorilla", „Uncle Tom" oder „Champion des weißen Mannes" verspottet. Frazier hatte den zum Islam konvertierten Ali einen „Clown" genannt und ihn beharrlich nur unter seinem Geburtsnamen Cassius Clay angesprochen, was Ali auf die Palme brachte. Der bis dahin ungeschlagene Ali ging als klarer Favorit in den zum „Kampf des Jahrhunderts" gehypten Fight. Anfangs wurde Ali seiner Favoritenrolle gerecht und hielt Frazier auf Distanz. Doch dann ließ er sich – aus Überheblichkeit oder notgedrungen – immer häufiger auf den Infight und wilde Schlagabtausche ein. Ein gravierender Fehler, der ihn auf den Punktzetteln der Ringrichter immer weiter ins Hintertreffen brachte. In der 15. Runde schickte Frazier den großen Ali mit seinem berüchtigten linken Haken sogar auf die Bretter. Ali im Staub – das hatte es noch nie gegeben.
Frazier gewann einstimmig nach Punkten und konnte seinen Titel danach weitere zweimal verteidigen, ehe er von George Foreman am 22. Januar 1973 entthront wurde. Es war eine vernichtende Niederlage für Frazier, der weit von seinem idealen Kampfgewicht entfernt war. Foreman schickte Frazier sechsmal auf die Bretter, sodass der Kampf bereits nach zwei Runden mit technischem Knock-out beendet war. Beim nächsten Aufeinandertreffen zwischen Frazier und Ali ging es am 28. Januar 1974 im Madison Square Garden nur um eine Anwartschaft für einen WM-Titelkampf. Der Fight war relativ unspektakulär und Ali wurde nach einem einstimmigen Punktsieg nach zwölf Runden zum Sieger erklärt.
Beim dritten Kampf mit Ali am 1. Oktober 1975 ging es hingegen wieder um den WM-Titel. Ali hatte zwischenzeitlich Foreman entthront und Frazier sich durch zwei Siege als Herausforderer qualifiziert. In einem denkwürdigen, geradezu epischen Fight traktierten sich die beiden Boxer bis an die Grenzen der Belastbarkeit. 14 Runden lang ging es unter Treibhausbedingungen vor 30.000 Zuschauern im Araneta Coliseum von Quezon City richtig zur Sache. Der „Thrilla in Manila" wurde vom renommierten „Ring-Magazine" als größter Boxkampf der Geschichte eingestuft, auch auf dem vierten Platz ist Frazier mit seinem Ali-„Jahrhundertkampf" sehr prominent vertreten. Beide Kämpfer wussten später nicht, wie sie die 15. Runde in der philippinischen Gluthitze noch hätten überstehen sollen. Ali fühlte sich nach späterem Bekunden dem Tod ganz nahe, Frazier war nahezu blind, da beide Augen zugeschwollen waren.
Fraziers Trainer warf das Handtuch
Beide Boxer wurden schließlich von Fraziers Trainer Eddie Futch erlöst, der das Handtuch für seinen Schützling warf. „Der nächste Schlag hätte tödlich sein können", sagte Futch nach Schlachtende und einem Kreislaufkollaps von Ali unmittelbar nach der Urteilsverkündung gegenüber der Weltpresse.
Nach einer Niederlage gegen Foreman in einem Revanchekampf am 15. Juni 1976 und einem späteren, mit einem peinlichen Unentschieden endenden Comeback-Versuch gegen Floyd Cummings am 3. Dezember 1981 beendete Frazier mit einer Bilanz von 32 Siegen in 37 Kämpfen endgültig seine Box-Karriere. Sein beträchtliches Vermögen ging bei Immobiliengeschäften verloren. Er versuchte sich mit einem Box-Gym einigermaßen über Wasser zu halten, doch der Laden wurde 2008 geschlossen. Joe Frazier starb am 7. November 2011 in Philadelphia an einem Leberkrebs-Leiden. Sein Leichnam wurde in einem weißen Sarg im Wells Fargo Center aufgebahrt. Zu seiner Beerdigung fanden sich 4.000 Gäste ein, denen Pastor Jesse Jackson folgende Worte stellvertretend für alle Trauernden mit auf den Heimweg gab: „Sagt ihnen, dass Rocky kein Champion war, dass Frazier einer war."