Nach dem offiziellen Brexit stellt sich die EU der 27 neu auf. Jugendforen und Bürgerkonferenzen, online wie offline, sollen bis 2022 Ideen für Europas Zukunft einbringen.
Das war es dann. Mit dem 1. Februar hat Großbritannien nach 45 Jahren Mitgliedschaft die EU verlassen. Der Austrittsprozess war besonders in London mehr als quälend. Zurück bleibt ein Land, das tief gespalten ist, zwischen Jung und Alt, zwischen Stadt und Land. Diese Gräben werden noch viele Jahre bestehen bleiben.
Auch könnte Großbritannien zu Klein-England schrumpfen, da sowohl die Schotten, die Nordiren und die Waliser für den Verbleib in der EU waren. Der größte Brocken dieser Scheidungsgeschichte über dem Ärmelkanal steht noch bevor. Wie soll das Verhältnis von UK mit der EU in Zukunft aussehen? In 10 Downing Street herrscht immer noch die Illusion, alles zu bekommen, aber nichts zu geben. Das wird nicht funktionieren, da sind sich die verbleibenden 27 Mitgliedstaaten ausnahmsweise mal einig. Wenn es schlecht läuft, droht nach der Übergangsphase im Dezember 2020 doch noch ein „harter" Brexit, ohne Regeln für Bürgerrechte und geordnete Wirtschaftsbeziehungen.
Das neue Jahr hat Europa eine andere schmerzhafte Erkenntnis gebracht. Durch das Desinteresse der US-Regierung an unserer europäisch-arabischen Großregion ist ein Machtvakuum entstanden, mit gefährlichen Folgen. Nach Syrien tobt auch in Libyen vor unserer Haustür ein Stellvertreterkrieg, der von verschiedenen Akteuren wie Russland, der Türkei oder Saudi-Arabien befeuert wird. Die Sicherheit in Europa ist mehr und mehr in Gefahr, da Terrorgruppen wie Al-Qaida oder der IS diese Tohuwabohu ausnützen und ganz Nordafrika destabilisieren. Die EU muss sich schnellstmöglich zu einer gemeinsamen Strategie zusammenraufen und als Vermittler, aber auch als Ordnungsmacht in Aktion treten. Auch Deutschland wird mehr als bisher gefordert werden, an der Südflanke Europas im europäischen Verbund ein Engagement für die Wahrung der Menschenrechte und die Sicherung des Friedens zu zeigen. Angesichts von Trump, Brexit und anderen Herausforderungen ist die Zustimmung in der Bevölkerung zur EU in letzter Zeit wieder gestiegen. Trotzdem herrschen immer noch viel Zweifel oder gar Verwirrung, wenn es um Europa geht.
Konferenz zur Zukunft startet am Europatag
Deshalb soll am Europatag, dem 9. Mai, eine „Konferenz zur Zukunft Europas" starten. Bis Sommer 2022 soll landauf, landab, online wie offline in Bürgerdialogen gestritten und beraten werden, wo die Reise mit Europa in diesem Jahrzehnt hingehen soll. Nach Ansicht des Parlaments soll das Votum der Bürgerkonferenzen und Jugendforen einen großen Einfluss für die weiteren Entscheidungen haben. Ob am Ende ein neuer Europa-Vertrag herausspringt, ist noch offen. Ein breiter Konsens für ein selbstbewusstes und starkes Europa zur Vertretung unserer Werte und Interessen in der Welt wäre schon ein großer Gewinn.
Neben den großen Themen gibt es auf der Agenda auch die anscheinend kleinen Probleme. Das Europäische Parlament (EP) hat dieser Tage gefordert, einheitliche Adapter für alle Internetgeräte vorzuschreiben. Wer hat sich nicht schon darüber geärgert, dass Firmen für jedes Smartphone oder Tablet eigene Anschlüsse auf den Markt bringen, die nicht passend sind für andere Geräte. Das EP will eine Gesetzgebung für einheitliche Standards auf den Weg bringen.
Europaweite Registrierung und Zertifizierung für Katzen und Hunde? Auch ich habe bei dieser Nachricht aus dem EP-Umweltausschuss gestutzt. Offensichtlich gibt es einen zunehmenden illegalen Handel mit Haustieren. So werden Welpen zu früh verkauft, was Gesundheitsgefahren für die Tiere und auch für uns Menschen bringen kann.
Gut gewappnet sieht sich die EU mit Blick auf das neuartige Lungenvirus aus China. Seit Jahren wurde ein dichtes Netz von Seuchenkontrollen und Seuchenbekämpfungsplänen in der EU aufgebaut. Nur durch eine enge Zusammenarbeit über Grenzen hinweg kann die Bevölkerung wirksam bei solchen Gefahren geschützt werden. Auch da zeigt sich der Wert der Union.