In Chris Sanders’ „Ruf der Wildnis" nach dem gleichnamigen Abenteuerroman von Jack London werden aus Harrison Ford und einem von Tierhändlern verschleppten Bernhardiner-Mix Vertraute auf Lebenszeit.
Zwei zottelige Freunde fürs Leben auf einer irrsinnigen Odyssee durch die Schrecken des Eises und der Finsternis in Richtung Alaska: Star des furiosen Filmabenteuers ist „Buck" (Synchronschauspieler Terry Notary), auf den ersten Blick ein super-sympathischer Mix aus „Ein Hund namens Beethoven" und „Mein Partner mit der kalten Schnauze". Für ihn wird es noch kälter werden, als ihm lieb ist.
Sein Schicksal beginnt auf einer sonnenbeschienenen Ranch im kalifornischen Santa Clara Valley, als verhätschelter und nervtötender Hauselefant im Porzellanladen. Doch eines nachts wird er von skrupellosen Tierhändlern gekidnappt, um wie die meisten seiner Artgenossen wider seines Naturells und fernab seiner kommoden Lebenswelt, im arktisch-eisigen Alaska als Schlittenhund zu darben, wo er obendrein auf bestialische Weise geschlagen, geschunden und bis aufs Blut gequält wird. „Er war ein Hund wie selten ein anderer und er hatte unheimlich gelitten. Aber er war nicht kleinzukriegen", erfährt der gebannte Zuschauer im Laufe der Zeit in diesem perfekten Popcorn-Kracher vom Eremiten John Thornton (Harrison Ford), dessen einsamer Weg sich fatal mit Bucks kreuzt.
Buck passt sich allem an
Der „Homo Sapiens" hat sich Schlittenhunde in jener Epoche zu reinen Lastenträgern in extremen arktischen Gebieten zu eigen gemacht, um sämtliche Güter, insbesondere die Post durch das unwegsame und gefahrvolle Terrain in der endlosen Yukon-Kältehölle zu transportieren. Denn Menschen und Pferde versanken im meterhohen Schnee, brachen sich die Gelenke oder wurden von heimtückischen Lawinenabgängen überrascht. Ganz zu schweigen vom gefürchteten Grizzly-Bären, der – mit einem Biss oder Prankenhieb – Köpfe rollen lassen kann.
Auch auf stark reißenden Gebirgsflüssen und steil abgehenden Wasserfällen eignen sich einzig und allein harte Hunde, im wahrsten Sinne des Wortes, für diese Aufgaben. Dennoch kein Grund, einen Vierbeiner verkettet aus seiner gegenteiligen Lebens- und Erfahrungswelt durch die mörderischen Kältepanoramen zu jagen, zumal das Thermometer an das nördlich abgegrenzte Alaska auf bis zu minus 50 Grad Celsius fallen kann. „Er macht den Eindruck, als hätte er in seinem Leben noch nie eine einzige Schneeflocke gesehen", belächelt John seinen Freund und Vertrauten in einer Szene. Viel zu lachen haben sonst beide wenig, denn auf ihrem schockgefrorenen Endlostrip müssen beide um ihr fragiles Dasein tapferer kämpfen, als einst die römischen Gladiatoren unter Neros Despotie in der römischen Arena. Buck agiert dabei wie ein Chamäleon, der sich anpasst und allen Gefahren stellt, nicht nur gegen seine übermächtigen wölfischen Widersacher, sondern der sich in allen Situationen schützend vor sein Herrchen stellt.
Auf Schutz und monetäre Sicherheit setzte 20th Century Fox auch schon 2017 in der dankbaren Adaption einer weltweit beliebten Literaturvorlage, den Filmanimateur Chris Sanders („König der Löwen", „Die Croods") mit einem vorwiegend computergenerierten Gewitterhagel, tragikomisch inszeniert und im Verbund mit dem pointierten Drehbuch-Ass Michael Green, („Blade Runner 2047") inszeniert. Karen Gillan („Jumanji – Willkommen im Dschungel") und „Ziemlich beste Freunde"-Star Omar Sy komplettieren das fiebrige Minus-40-Grad-Spektakel.
Einen trostlosen Dschungel der unwirklichen Art erlebte auch der literarische Schöpfer dieses Filmzaubers: Als Jack London (1876–1916) im Jahr 1897 nach Dawson City im Klondike umherirrte, war er noch kein Romancier. Heute zählt das abgeschiedene Nest rund 1.500 Einwohner, im Goldrausch waren es fast 50.000 Goldgierige. Der „Seewolf"-Autor darbte einen langen Winter in dieser Eisenklave, seine Goldausbeute war extrem gering. Mit Skorbut infiziert, kehrte er schließlich im Juli 1898 nach Kalifornien zurück.
„Der Ruf der Wildnis" markierte jedoch den Kindheitstraum des Schriftstellers. Dieser Plot zieht bis heute Groß und Klein in seinen Bann. Lawinen von Wolfsblutvariationen überrollen global seit 1908 die Leinwand und die Welten von TVs, Flatscreens und Smartphones. Die markanteste Adaption ist jedoch die 1973er Version von Lucio Fulci mit Franco Nero. Doch Harrison Ford und Buck sind nicht nur würdige Nachfolger, sondern kernige Kino-Katalysatoren, die neuzeitliche Unterhaltungsträume auch für die Zukunft am Leben erhalten.