Robert Hoyzer war vor mehr als 15 Jahren eines der größten deutschen Schiedsrichtertalente. Am 27. Januar 2005 gesteht er Wettbetrug und muss für zwei Jahre und fünf Monate ins Gefängnis.
In einem großen Spezial des Fußballmagazins „11Freunde" erzählen involvierte Personen über die größten Skandale des Fußballs. So auch Schiedsrichter Manuel Gräfe, der den Fall Hoyzer zur Aufklärung brachte. Gräfe lernte Hoyzer schon kennen, da war dieser bei Weitem noch nicht der Mann, der Spiele verschob und dafür Tausende von Euros einsackte. „Er war Nachwuchsschiedsrichter, machte eine Ausbildung zum Zimmermann", erinnert sich Gräfe. „Robert war zu dieser Zeit ein Frauentyp, aber noch jung und schüchtern." Damals waren Gräfe und Hoyzer auch noch gute Freunde. Doch diese Freundschaft litt merklich unter dem Aufstieg des Jungstars in das professionelle Schiedsrichterwesen. Undiszipliniertheiten, schlechtes Verhalten gegenüber Kollegen – das brachte Manuel Gräfe dazu, die Freundschaft zu beenden. „Anfang 2004 stand er dann alleine da – und als Student auch noch notorisch klamm. Diese Situation haben Leute anscheinend erkannt und ihn abgepasst", resümiert der heutige Bundesliga-Schiedsrichter. Nun ist es so, dass der Fall Hoyzer in der Öffentlichkeit vor allem durch das Pokalspiel des SC Paderborn gegen den Hamburger SV seine Bekanntheit erlangte. Doch der Absturz des einstigen Talents begann schon früher.
2004 ist Hoyzer 22 Jahre alt, leitet eine Nachwuchsschiedsrichtergruppe und pfeift selbst in der Regionalliga. Seine freie Zeit verbringt er oft und gern im Café King. Die Bar ist ein klassischer Treffpunkt der Amateursportszene in Berlin – Kleinkriminelle und Geltungssüchtige inklusive. Dort lernt Hoyzer einen Sohn kroatischer Einwanderer kennen: Ante Sapina. Dieser studiert Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität in Berlin und spielt ein wenig mit den internationalen Wettquoten der Buchmacher. Sapina bietet Hoyzer 8.000 Euro, um als Schiedsrichter für einen Sieg des SC Paderborn gegen den Chemnitzer SC in der Regionalliga zu sorgen. Außerdem sollen sie zur Halbzeit führen. Hoyzer pfeift kurz vor der Halbzeitpause einen unberechtigten Elfmeter für Paderborn, aber die Linienrichterin Inka Müller protestiert vehement. Hoyzer muss die Entscheidung zurücknehmen, verliert die Wette und zahlt bei der Rückkehr nach Berlin das Geld an Sapina zurück. Die nächste Gelegenheit sollte jedoch nicht lange auf sich warten lassen. Nach nur einer Woche will Hoyzer die nächste Chance nutzen. Wieder in der Regionalliga, beim Spiel Wuppertaler SV gegen Werder Bremen II. Robert Hoyzer spricht seinen Assistenten Felix Zwayer an, zahlt ihm für eine mögliche Mithilfe 300 Euro. Das Spiel endete mit einem Sieg für den Wuppertaler SV. Der entscheidende Elfmeter findet aber nicht auf der Seite Zwayers statt. Zwayer ist mittlerweile vielen Fußballfans ein Begriff – er pfeift Champions League und ist einer der besten Schiedsrichter der Bundesliga, er war aber in diesen Skandal ebenso verwickelt.
Hoyzer zahlt Zwayer 300 Euro
Gräfe traf Hoyzer übrigens wieder – in einer Diskothek. „Wir tranken auf alte Zeiten, die Meinungsverschiedenheiten hatten wir hinten angestellt", erzählte er dem Magazin „11Freunde". Am nächsten Morgen stand Hoyzer vor seiner Haustür, mit Brötchen zum gemeinsamen Frühstück. „Im Nachhinein denke ich, dass ich bei ihm einen kurzen Moment des Zögerns erkannte. Das war die Phase, als er erst ein Spiel manipuliert hatte, aber vielleicht noch ein letztes Mal in Gänze zögerte. Er schaute mir in die Augen, als würde er mir etwas erzählen wollen, aber er tat es dann doch nicht. Danach sah ich ihn privat nicht wieder", erzählte Gräfe.
Danach folgte dann Hoyzers größter Skandal seiner Karriere. Klaus Toppmöller, damals Trainer des Hamburger SV, begriff als einziger schon während des Spiels, dass hier etwas faul war. Im Interview nach dem Spiel sprach er sofort von Betrug. Dabei waren seine Worte nicht als das übliche Meckern über einen Schiedsrichter einzustufen, denn an diesem Nachmittag des 21. August 2004 war etwas anderes passiert. Im Pokalspiel zwischen Regionalligist Paderborn und dem Hamburger SV aus der 1. Bundesliga stand es standesgemäß 2:0 für den HSV – zumindest für kurze Zeit. Denn von Beginn an gab es unbedeutende Situationen, in denen der Schiedsrichter gegen die Hamburger pfiff. Was aber damals noch niemand wusste: Der Schiedsrichter hatte von seinen Paten 20.000 Euro versprochen bekommen, wenn der HSV verliert. Er hatte Geld im Paderborner Hotel erhalten, in bar, steuerfrei. „Nach dem 2:0 musste man handeln", sagte Hoyzer später in einer TV-Doku. Einer seiner früheren Manipulationsversuche war ein paar Monate zuvor gescheitert. Das sollte sich nicht wiederholen, also flüsterte er dem Paderborner Kapitän Thijs Waterink zu: „Mach doch mal was!" Der Holländer machte was, er ließ sich im Strafraum im Getümmel fallen, während ein Freistoß reinsegelte. Hoyzer gab Elfmeter. Wer sich die TV-Bilder heute anschaut, wird feststellen, dass er sehr früh auf den Punkt zeigte. Üblicherweise überlegen Schiedsrichter etwas länger. Hoyzer hatte auf die Gelegenheit gewartet. Später stellte sich heraus, dass auch Waterink mit 10.000 Euro gekauft war. Danach bekam Emile Mpenza die Rote Karte gezeigt, da er vor dem Anstoß den „Unparteiischen" als „Arschloch" beschimpfte. „Das kam mir sehr gelegen, auch wenn es gerechtfertigt war", sagte Hoyzer. Der Außenseiter wurde immer stärker, glich aus, ging nach der Pause sogar in Führung. Der HSV wirkte fahrig, war aber dennoch drauf und dran, den Ausgleich zu erzielen. Also musste Hoyzer handeln und pfiff erneut einen Elfmeter – weitaus absurder als der erste. Auf dem Weg in die Kabine soll der Schiedsrichter den Paderbornern gesagt haben: „Spielt weiter, den Rest erledige ich." Und so kam es. Denn das 4:2 war gleichzeitig der Endstand. Danach wurde Hoyzer im Café King gefeiert, die Wettmafia hatte durch diesen Sieg satte 700.000 Euro Gewinn gemacht – Hoyzer erhielt insgesamt für seine Taten 67.000 Euro und einen Plasmafernseher.
„Den Rest erledige ich"
„Der zweite Elfmeter war so schräg, er passte nicht zu Robert und seiner Klasse", sagte Manuel Gräfe und sah sich durch dieses Spiel in seiner Annahme bestätigt. Denn sowohl davor als auch noch danach gab es in Partien mit Hoyzer-Beteiligung einige schräge Entscheidungen. Zu dieser Zeit spricht Gräfe mit vielen Schiedsrichtern, auch mit Felix Zwayer, der aber schweigt und nachher gesteht, die Bestechung seitens Hoyzers viel zu spät angezeigt zu haben. Gräfe informierte Lutz Fröhlich, dieser dann den DFB. Fröhlich, Zwayer und Hoyzer werden in die Frankfurter Verbandszentrale eingeladen, wo Hoyzer aber alles abstreitet. Zwayer hingegen bekräftigt, dass alles stimme. So begann das Kartenhaus dann einzustürzen. Zwayer flüchtete danach aus Angst vor der Wettmafia für einige Tage an die Ostsee, der DFB machte den Skandal öffentlich.
Am 27. Januar 2005 gesteht Robert Hoyzer die Manipulationen und wird im November desselben Jahres mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten belegt. Manual Gräfe, der den Stein ins Rollen brachte, steht letztlich hinter seiner Entscheidung. „In der Nachbetrachtung finde ich es wichtig, dass dieser Skandal von Schiedsrichtern ins Rollen gebracht wurde. Besser, als wenn irgendwann ein Journalist oder ein Zufall das Ganze zutage gebracht hätte – und man hätte an der Institution gezweifelt. Es war etwas faul im System, aber das wurde auch von einzelnen erkannt", führt der heutige Bundesliga-Schiedsrichter aus.