Es ist ein Problem, das selbst viele Urologen nicht auf dem Schirm haben: eine durch die Krankheit IPP hervorgerufene Penisverkrümmung. Dabei lässt sie sich nicht nur vermeiden, sondern auch behandeln. Nur im schlimmsten Fall ist eine Operation nötig.
Irgendwann ging es einfach nicht mehr. Mit jeder Erektion wurden die Schmerzen stärker – und der Mitdreißiger Philipp B. (Name geändert) wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als zum Urologen zu gehen. Für viele Männer ist das eine Überwindung, denn Probleme mit dem Penis zählen wohl zu den unangenehmsten, wenn es darum geht, sich einem Mediziner anzuvertrauen. Da Philipp B. aber nicht mehr ohne Schmerzen Sex haben konnte, führte letztlich kein Weg daran vorbei. Die Diagnose: eine Penisverkrümmung. Bei jungen Patienten kommt das selten vor. Etwa ein Prozent der Männer in den Dreißigern und fünf Prozent der 60- bis 70-Jährigen haben mit diesem Problem zu kämpfen. Ist sie so schlimm, dass eine Operation nötig ist, kommt das meist bei Männern zwischen 40 und 50 Jahren vor. Doch wie entsteht solch eine Penisverkrümmung?
In vielen Fällen ist sie bereits angeboren. Fehler im Erbgut sorgen für solche kongenitale Penisdeviationen, also eine angeborene Penisverkrümmung. „Die Häufigkeit der angeborenen, operationsbedürftigen Penisverkrümmung wird in der Literatur mit 0,4 bis 1,0 Prozent angegeben. Die kongenitale Penisverbiegung ist auf einen vorübergehenden Testosteronmangel im Mutterleib im vierten Fetalmonat zurückzuführen", sagt der Spezialist für Urologie und Andrologie am European Institute for Sexual Health in Hamburg, Prof. Dr. Hartmut Porst, dem Branchenportal „Praxisvita". Bei den angeborenen Penisverkrümmungen sei die Mehrzahl nach links gebogen, nur selten nach rechts oder oben. Nach unten gerichtete Verkrümmungen treten indes häufig in Kombination mit einer Harnröhren-Fehlanlage auf. Bis zu einem Prozent auf 1.000 Neugeborene kommen mit einer Penisverkrümmung zur Welt. Andere Erkrankungen können damit im Zusammenhang stehen. Bei einer Hypospadie kommt es zu einer Entwicklungsstörung der Harnröhre. Die Harnöffnung befindet sich dabei an der Unterseite des Penis statt an der Spitze und die Krümmung zeigt nach unten. Bei einer Epispadie ist es umgekehrt. Die Öffnung der Harnröhre befindet sich an der Oberseite des Penis. Bei einer Megalourethra schließlich ist die Harnröhre ballonartig erweitert. Es fehlen Teile der Schwellkörper. Bei dieser Entwicklungsstörung krümmt sich der Penis meist nach oben.
Im Fall des Patienten Philipp B. war die Peniskrümmung allerdings nicht angeboren. Er hat es mit einer erworbenen Verkrümmung infolge einer Induratio penis plastica (IPP) zu tun, wie sein Besuch beim Urologen ergab. Dabei handelt es sich um die häufigste Form der erworbenen Penisverkrümmung. IPP ist eine Erkrankung, die am Anfang in den meisten Fällen durch eine knotige Verhärtung im Penisschaft auffällt. „Die Induratio penis plastica, auch Morbus de la Peyronie genannt, ist eine eigenständige, überwiegend genetisch bedingte Peniserkrankung, welche circa fünf Prozent aller Männer befällt. Also in Deutschland immerhin über zwei Millionen Männer", sagt Hartmut Porst. „In 30 Prozent der Fälle ist diese Erkrankung mit einer entsprechenden Knotenbildung an der Handinnenfläche mit Verkrümmungen meist der dritte bis fünfte Finger vergesellschaftet, auch als Morbus Dupuytren bezeichnet." Dabei lassen sich die Finger nicht mehr komplett strecken, da die Veränderungen im Bindegewebe die Finger behindern. 30 bis 40 Prozent der IPP-Patienten haben solche Probleme.
Induratio penis plastica ist eine genetische Erkrankung
IPP kann durch einen narbigen Schrumpfungsprozess zu einer Penisverkrümmung und -verkürzung führen. Diese unnatürlich starke Biegung entsteht vor allem bei einer Erektion. Im Gegensatz zu anderen Arten der Penisverkrümmung sind daran aber größtenteils keine Verletzungen des Gewebes schuld. Meist biegt sich der Penis nach oben, oft gar um 90 Grad. Viele Patienten leiden dann unter starken Schmerzen. IPP muss aber nicht zwingend zu Verkrümmungen führen. Es gibt auch Fälle, in denen es nur Verhärtungen im Penisschaft gibt, die sich im schlaffen Zustand ertasten lassen. Für die Betroffenen kann es durch eine Verdrängung von Gefäßen zu Gefühlsminderung und damit einer Einschränkung der Lebensqualität kommen. In schlimmsten Fällen haben die Patienten mit Erektionsstörungen zu kämpfen, was Auswirkungen auf Sexualität und Partnerschaft hat. Psychische Probleme können im fortgeschrittenen Status zu den Symptomen gehören. „Möglich sind bei solchen Erkrankungen sogar Penisverkürzungen um bis auf die Hälfte des Originalzustandes und das führt dann bei den Betroffenen häufig zu Depressionen bis hin zum Suizid", sagt Urologe Porst. Selbst in seinem Kollegenkreis ist die relativ häufige Krankheit noch weitgehend unerforscht und unbekannt. „Es besteht eine familiäre Häufung, also eine genetische Grundlage und meist tritt die Erkrankung im mittleren Lebensalter auf – mit einem Häufigkeitsgipfel zwischen 40 und 60 Lebensjahren", sagt Porst.
Als wahrscheinliche Ursache nimmt die Fachwelt Mikrotrauma innerhalb der Bindegewebsschicht des Penisses an. Solche Veränderungen wie kleine Risse können beim Geschlechtsverkehr entstehen, oft auch über Jahre hinweg, und erst nach langer Zeit Probleme bereiten. Wissenschaftler haben dazu aber auch schon genetische Veränderungen in Zusammenhang mit IPP nachgewiesen. Nicht bei allen Männern mit angeborener Veränderung in den Chromosomen tritt IPP allerdings auf. Weitere Begleiterscheinungen neben den Dupuytren können Krankheiten sein wie Leberzirrhose, Rheuma, Harnröhrentraumata oder Diabetes. Menschen, die einmal geraucht haben, haben ein 16-fach höheres Risiko, an IPP zu erkranken. Eine Penisverkrümmung, die dann entsteht, zeigt im Gegensatz zu angeborenen Biegungen meist nach oben. Dorsal, sagt man dazu in der Fachsprache.
Wie sich eine Penisverkrümmung behandeln lässt, erklärt Urologe Porst: „Wenn frühzeitig also innerhalb der ersten zwölf bis 15 Monate behandelt wird, sind konservative Therapiemaßnahmen mit Penis-Stoßwellentherapie, PDE-5-Hemmern und Penisstreckungsmaßnahmen oftmals sehr erfolgreich. Sie können den Betroffenen spätere aufwendige Operationen ersparen". Im Falle von IPP ist das aber schwierig. Denn die meisten Patienten wenden sich erst an einen Mediziner, wenn sie die ersten Verhärtungen spüren – und selbst dann ist der Gang zum Urologen für viele eine Überwindung. Doch sind die ersten Verhärtungen deutlich erkennbar, befindet sich IPP bereits im fortgeschrittenen Stadium. Das Ursprungsgewebe ist stark angegriffen und vernarbt. In besonders schlimmen Fällen kommt es zu Verkalkungen, die eine Therapie mit Medikamenten unmöglich machen.
Medikamente und eine PTT-Therapie sollen laut einer Studie wirksam sein
Wer im Frühstadium von seiner Erkrankung erfährt, kann es dennoch mit einer konservativen Therapie probieren. Der Großteil der verfügbaren Medikamente verfolgt das Ziel, die bei der IPP ablaufenden Entzündungsreaktionen zu hemmen, und damit auch die Bildung von Belägen und Verkrustungen zu verhindern oder zu verzögern. Zum Einsatz kommt in Deutschland häufig das antientzündliche Kalium-Paraaminobenzoat, ein B-Vitamin, dessen genaue Wirkung aber noch nicht vollständig geklärt ist. Es verbessert die Sauerstoffaufnahme im Gewebe und hemmt wahrscheinlich so die krankhaften Wucherungen. Vitamin E als Vitaminpräparat kommt ebenso zum Einsatz wie der Wachstumshemmer Tamoxifen, der Kollagenstopper Kolchizin und Stoffe wie L-Carnitin und Pentoxifyllin. Kalium-4-Aminobenzoat ist allerdings das einzige Medikament, das die Arzneimittelbehörde in Deutschland zur Verhinderung des Fortschreitens der Penisverkrümmung durch IPP zugelassen hat. Alle anderen Medikamente sind für die Behandlung anderer Erkrankungen entwickelt worden und für den dortigen Einsatz zugelassen. Ob die Krankenkassen solche Medikamente für die Behandlung von IPP bezahlen, hängt vom Einzelfall ab.
Im Fall von Philipp B. war es für diese Optionen ohnehin längst zu spät. Er ließ seinen Penis durch eine Operation begradigen. Er hatte Glück, denn eine Operation ist erst möglich, wenn die Erkrankung vollständig zum Stillstand gekommen und auch kein weiteres Fortschreiten zu erwarten ist. Wenn die Peniskrümmung etwa ein Jahr stabil bleibt, ist der Patient bereit für einen Eingriff. Die Operation sollte aber das letzte Mittel zum Zweck sein, denn in manchen Fällen kommt es zu Gefühlsstörungen als Nebenwirkung. Heute ist Philipp B. weitgehend beschwerdefrei. Für andere Patienten könnte es indes in Zukunft eine neue Hoffnung geben. Kanadische Forscher veröffentlichten Mitte des vergangenen Jahres Daten, die zeigen, dass eine Kombination der bereits etablierten Therapeutika mit der Andropenis penile traction therapy (PTT) eine gute Option sein könnte. PTT bezeichnet eine Form der Therapie, die mittels mechanischem Zug der Biegung entgegenwirken soll. Zwischen 2015 und 2018 haben die Wissenschaftler Daten von 46 Patienten gesammelt, die neben der Behandlung durch Medikamente eine Stunde pro Tag eine PTT-Therapie bekamen. Das Ergebnis der Studie war eine signifikante Abnahme des Krümmungsgrades und eine deutlich verringerte Größe der Ablagerungen.
Doch ob Tabletten, Zug oder Operation – die beste Option ist wie so oft Vorbeugung. Denn kleine Verletzungen, die über Jahre hinweg zu großen Problemen führen können, lassen sich mit etwas Vorsicht vermeiden. Selbst der härteste Penis ist nicht belastbar ohne Grenze.