Ludwig van Beethoven gilt als Vollender der Wiener Klassik. Deren musikalisches Korsett er jedoch mit seinen Kompositionen sprengen und dadurch zum größten Erneuerer der Musikgeschichte werden sollte. Sein Privatleben sollte jedoch weitaus mehr Schatten als Licht aufweisen.
Das genaue Geburtsdatum des gemeinhin als größten Komponisten aller Zeiten angesehenen Ludwig van Beethoven ist nicht überliefert. Von daher trat der Spross einer Musikerfamilie erst mit seiner am 17. Dezember 1770 in der Bonner St.-Remigius-Kirche vollzogenen Taufe ins Licht der Geschichte. Sein bei der Bonner Hofkapelle angestellter und als Musiklehrer tätiger Vater erkannte schon früh das außergewöhnliche musikalische Talent seines Filius und begann ihn unter ziemlicher Vernachlässigung der schulischen Ausbildung zu einem pianistischen Wunderkind zu drillen, das bald auch noch weitere Instrumente wie Orgel, Violine, Bratsche oder Cembalo beherrschte. Wobei neben dem Vater eine Reihe weiterer Lehrmeister mit dem Komponisten und Kapellmeister Christian Gottlob Neefe an der Spitze zur Stelle waren, um die musikalischen Fortschritte des Jungen zu beschleunigen, der seinen ersten öffentlichen Auftritt im zarten Alter von sieben Jahren absolvieren und dabei schon seine verblüffende Fähigkeit zum Improvisieren unter Beweis stellen konnte.
„Mozarts Geist aus Haydns Händen"
Mit zwölf Jahren veröffentlichte Beethoven mit Unterstützung Neefes seine ersten Kompositionen, 1783 wurde er bereits Mitglied der Bonner Hofkapelle, wo er schnell dank der Protegierung durch den Kurfürsten von Köln, Maximilian Franz von Österreich, zum Hoforganisten avancieren sollte. Der gebürtige Wiener Habsburger Maximilian sollte der erste Förderer Beethovens werden und machte ihn mit dem Werk von Wolfgang Amadeus Mozart bekannt. Beethovens Entourage träumte davon, aus ihm einen zweiten Mozart zu machen, weshalb der Kurfürst dem 16-Jährigen eine Studienreise nach Wien spendierte. Es gibt allerdings keine Belege dafür, dass Beethoven sein Vorbild während seines dreimonatigen Aufenthaltes an der Donau tatsächlich getroffen hatte. Der schlechte Gesundheitszustand der Mutter zwang ihn im Mai 1787 zur Rückreise nach Bonn, wo er nach dem Tod seiner Mutter und den daraus resultierenden Alkoholdelirien seines Vaters zum faktischen Oberhaupt seiner Familie wurde, wobei er sich vor allem um seine beiden jüngeren Brüder kümmern musste. Durch seinen Umgang in liberalen Bonner Kreisen erwärmte er sich für die Ideale der Französischen Revolution und lernte im Juli 1792 Joseph Haydn kennen, den neben dem im Dezember 1791 verstorbenen Mozart zweiten Großmeister der Wiener Klassik. Auf Vermittlung des in Bonn als Geheimrat tätigen Grafen Ferdinand Ernst von Waldstein wurde für Ende 1792 ein zweiter Wiener Studienaufenthalt arrangiert, bei dem Beethoven, so Waldstein, „Mozarts Geist aus Haydns Händen", empfangen sollte.
Wien sollte Beethovens neue Heimat werden, weil es nach dem Tod seines Vaters Ende 1792, dem Hinwegfegen des Kölner Kurfürstentums infolge der Französischen Revolution und dem Nachzug seiner beiden Brüder an die Donau keinen Grund mehr für eine Rückkehr an den Rhein gab. Zudem hatte Beethoven schon während seines gut einjährigen Kompositionsunterrichts bei Haydn auch in Wien wieder schnell adlige Förderer wie den Fürsten Karl Lichnowsky gefunden, die ihm ein Leben als freischaffender Künstler neben den Verlagshonoraren für seine Werkseditionen ermöglichten und mit dazu beitrugen, dass er ein 650 Werke umfassendes, beispiellos vielseitiges Œuvre schaffen konnte.
Wobei Beethoven als einer der ersten bedeutenden Komponisten ganz bewusst Werke schaffen wollte, die besonders auch für die Nachwelt Bedeutung haben sollten. Weshalb er häufig ungewöhnlich lange an vielen Kompositionen feilte, sie immer wieder korrigierte oder zu verbessern trachtete. Neben den neun Sinfonien werden gemeinhin die 32 Klaviersonaten, die 16 Streichquartette, die Violin- und Cellosonaten sowie seine einzige Oper „Fidelio" (erste Fassung unter dem Titel „Leonore" anno 1805) zu seinen größten Meisterstücken gezählt. Gelegentlich scheute er aber auch nicht davor zurück, eingängige Gefälligkeitsstücke für die Wiener Gesellschaft zu schreiben, beispielsweise das rondoartige Klavierstück „Für Elise" anno 1810 oder die sogenannte Schlachtensinfonie „Wellingtons Sieg", mit der er Ende 1813 seinen bis dahin größten Triumph feiern konnte. In der Regel machte er es aber seinen Zeitgenossen, die von Mozart eine fröhliche-verspielte Musik gewohnt waren, mit seinen neuartig dramaturgisch aufgebauten, mit völlig überraschenden Wendungen aufwartenden und in einem furiosen Finale gipfelnden Stücken nicht leicht. Das breite Publikum konnte mit den aus seiner Sicht viel zu komplizierten Werken nichts anfangen. Beethovens Kommentar: „Wahre Kunst ist eigensinnig, lässt sich nicht in schmeichelnde Formen zwingen."
Die gesamte Wiener Zeit mit mindestens 40 Wohnungswechseln lässt sich in drei Schaffensphasen unterteilen. In der frühesten Periode, die um 1802 endete, wurde Beethoven im Anschluss an sein erstes Konzert im März 1795 und seiner einzigen Tournee, die ihn nach Prag, Dresden, Leipzig und Wien geführt hatte, vor allem als Klaviervirtuose gefeiert. Aber in seinen ersten zehn Wiener Jahren entstanden daneben auch schon 20 seiner 32 Klaviersonaten. Und auch den beiden weiteren Gattungen der Wiener Klassik, dem Streichquartett und den Sinfonien (die 1. und 2.), widmete er schon seine Aufmerksamkeit. In der sogenannten heroischen Periode bis 1812, seiner produktivsten Zeit, komponierte Beethoven allein sechs weitere Sinfonien. Aus dem Spätwerk ragten die zwischen 1818 und 1823 geschriebene Messe „Missa solemnis" und natürlich die am 7. Mai 1824 uraufgeführte und vom Premierenpublikum frenetisch gefeierte 9. Sinfonie heraus.
Trotz Taubheit konnte Beethoven komponieren
Beethoven galt im Umgang mit anderen als schwieriger, launischer Mensch. Goethe hatte ihn nach einem Treffen im Juli 1812 als von „lakonischer Natur" beschrieben. Schon in seiner Jugend galt er als Einzelgänger, aus seiner Wiener Zeit wurden ständige Auseinandersetzungen mit seinem häufig wechselnden Hauspersonal kolportiert. Sein Freundeskreis dürfte dabei ziemlich überschaubar gewesen sein, nur dem schönen Geschlecht versuchte er sich unermüdlich zu nähern, ohne dabei jedoch nennenswerte Erfolge erzielen zu können. Es wurden ihm zwar eine ganze Reihe von Liebschaften mit größtenteils hochgeborenen Damen angedichtet, aber wohl nur mit Josephine Brunsvik hat es wahrscheinlich eine echte Liebesaffäre gegeben, die über Schwärmereien oder glühende Briefe hinausgegangen war. Bis heute kursieren Spekulationen über eine gemeinsame Tochter namens Minona. Beethovens sehnlichster Wunsch nach einer eigenen Familie sollte niemals erfüllt werden, auch wenn er ersatzweise zwischen 1820 und 1826 die Vormundschaft über seinen Neffen Karl nach dem Tod seines Bruders Kasper übernommen hatte.
Noch weitaus mehr Kummer als das fehlende Familienglück dürften ihm seine zahlreichen Krankheiten bereitet haben. Wobei ihm neben ständigen, ab dem Alter von 30 Jahren auftretenden Malaisen wie Leibschmerzen, Gelbsucht oder fortschreitender, aus reichlichem Alkoholgenuss resultierender Leberzirrhose am meisten der Gehörverlust zu schaffen gemacht hatte. Dieser hatte sich erstmals im Alter von 27 Jahren bemerkbar gemacht und ihn 1802 sogar an Selbstmord denken lassen, wie aus dem „Heiligenstädter Testament", einem Brief an seine beiden Brüder, abgelesen werden kann. Das Ohrleiden hatte nicht nur seine Karriere als Klaviervirtuose vorzeitig beendet, sondern zog vor allem auch seine zwischenmenschlichen Kontakte stark in Mitleidenschaft. Ab 1814 versuchte er, sich mit Hörrohren zu behelfen, ab 1818 konnte er die Kommunikation nur noch mit Hilfe sogenannter Konversationshefte bewerkstelligen, was als Zeichen für völlige Taubheit interpretiert werden kann. Beim Komponieren beeinträchtigte ihn seine Gehörlosigkeit nicht weiter, allerdings konnte er die Melodien vieler seiner Meisterwerke nur noch im eigenen Kopf vernehmen. Am 26. März 1827 starb Beethoven an den Folgen seiner Leberzirrhose, drei Tage später gaben ihm 20.000 Personen beim Trauerzug das letzte Geleit.