In Großrosseln scheinen Geschichte, Großregion und aktuelle Probleme des Landes aufeinanderzuprallen. Die Warndt-Gemeinde taucht aber nicht nur regelmäßig in Polizeiberichten auf. Sie stemmt sich gegen den demografischen Wandel und will mit Ökologie und einem besseren ÖPNV punkten.
Von allen Gemeinden im Land hat Großrosseln im Saarland die längste Außengrenze zu Frankreich. Und das prägt die zum Regionalverband Saarbrücken gehörende Gemeinde im Alltag. Zahlreiche Filialen großer deutscher Lebensmittelketten haben sich direkt an der Grenze auf deutscher Seite niedergelassen und machen guten Umsatz mit unseren französischen Nachbarn. Allerdings gilt dies auch für Kneipen, Spielsalons und Kioske.
Während Prostitution im Vergleich zu anderen angrenzenden Kommunen in Großrosseln weniger ein Problem ist, blüht das Geschäft mit Drogen und Glücksspiel umso mehr. Da Spielautomaten in Kneipen in Frankreich offiziell verboten sind, kommen unsere Nachbarn gern zum Daddeln rüber.
Lediglich durch einen Grünstreifen auf der Straßenmitte getrennt sind Frankreich und Deutschland im Ortsteil Nassweiler. Der Bereich Bremerhof sorgte schon lange vor der Öffnung der Grenzen immer wieder für Kurioses, für Kapriolen und Polizeieinsätze, ob nun durch schon fast monatlich abgefackelte gestohlene Autos, durch das Dealen harter und weicher Drogen bis hin zur Entsorgung von Ermordeten auf der anderen Seite der Grenze. Kriminelle nutzen die sich bietenden Lücken zweier unterschiedlicher Rechtsräume und verschiedener Zuständigkeiten professionell aus – sehr zum Kummer der deutschen und französischen Polizei sowie der Bewohner Nassweilers.
Doch dies ist nur die eine Seite – und zwar die düstere. Es gibt auch viel Positives in der einst vom Bergbau geprägten Gemeinde. Als einst größter Arbeitgeber schloss die Grube Warndt im Jahr 2006 ihre Tore. Seitdem sind die ehemaligen Bergbauflächen größtenteils Konversionsgelände und weisen den Weg in eine zukunftsorientierte Energieversorgung. Großflächige Fotovoltaikanlagen auf dem Gelände erzeugen mittlerweile umweltfreundlichen Strom aus Sonnenlicht. Und auch die Abfallverwertungsanlage in Velsen als einer der größten Arbeitgeber vor Ort arbeitet mithilfe modernster Umwelttechnik.
Verjüngung und neue Perspektiven
Ansonsten sind Gewerbegebiete in der von Wald geprägten Gemeinde eher Mangelware. Viele der rund 8.000 Einwohner zählenden Gemeinde zieht es zum Arbeiten Richtung Saarbrücken und Völklingen. Und dies leider mit dem Auto. Daher ist es der Gemeinde ein großes Anliegen im Sinne der Nachhaltigkeit und Attraktivitätssteigerung, die Rosseltalbahn von Großrosseln nach Völklingen zu reaktivieren. Die Chancen stehen laut Bürgermeister Dominik Jochum gar nicht mal so schlecht, zumal die Strecke noch vorhanden ist, die Diskussionen um eine nachhaltige Verbesserung des ÖPNV voll im Gange sind und auch das saarländische Wirtschaftsministerium die Wiederbelebung mittlerweile forciert. Ob Rosseltalbahn, Köllertalbahn oder Niedtalbahn, bei den einst aufs Abstellgleis geschobenen Strecken im Saarland bewegt sich wieder etwas.
Während die Gemeinde unter ihrer Schuldenlast und dem Sanierungsstau leidet, gibt es mit dem Saarlandpakt und den Bemühungen der Bundesregierung zur Entschuldung notleidender Kommunen wieder Hoffnung auf Besserung. Zwar ist die Einwohnerzahl in den letzten Jahren stetig gesunken, aber gestiegene Geburtenrate und verstärkte Nachfrage nach Kindergartenplätzen erfreuen nicht nur den Bürgermeister.
Verjüngung und neue Perspektiven für Großrosseln hat auch er sich auf die Fahnen geschrieben. Er ist nicht nur jüngster Bürgermeister im Saarland, er hat auch den jüngsten ersten Beigeordneten und sechs der zwölf CDU-Fraktionsmitglieder des Gemeinderats sind unter 35. Also frischer Wind für die Gemeinde an der Rossel, dem einst dreckigsten Fluss in Westeuropa, der durch viele Renaturierungsmaßnahmen der letzten Jahre wieder ein wenig aufatmen kann.
Viel Natur, wenig Leerstand und günstiger Wohnraum, eine gute Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs sind Pluspunkte für Großrosseln. Klares Augenmerk gilt jetzt der Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung an den Außengrenzen.