Großrosseln hat ein zwiespältiges Verhältnis zu Frankreich. Der lokale Einzelhandel lebt von der Kaufkraft der französischen Nachbarn; dagegen gelten „Bremerhof" und „Le Bruch" als Mekka der Kriminalität. Bürgermeister Dominik Jochum erwartet mehr Unterstützung.
Herr Jochum, die CDU und SPD haben zwölf, die Linke einen und die AfD zwei Sitze im Gemeinderat. Wie klappt die Zusammenarbeit ohne eigene Mehrheit?
Zunächst einmal will ich Bürgermeister für alle Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Großrosseln sein. Wenn eine Fraktion eine gute Idee hat, die die Gemeinde voranbringt, werde ich das prüfen und mich für deren Umsetzung auch einsetzen. Dass das parteiübergreifend funktioniert, zeigt zum Beispiel die Besetzung der Beigeordneten. Sowohl Michael Krewer als erster und Fred Schuler als zweiter Beigeordneter gehören der CDU an. Schuler übernimmt als Polizist den Bereich Sicherheit und Ordnung und nimmt sich des Themas Sicherheitsbeirat an. Es ist im Rat unbestritten, dass er dafür der geeignete Mann ist. Das Thema Sicherheit und Ordnung brennt den Bürgern auf den Nägeln und hat daher oberste Priorität.
Was ist denn in der Gemeinde Großrosseln so gefährlich?
Das Problem der Sicherheit und damit meine ich den Bremerhof im Ortsteil Nassweiler ist hinreichend bekannt. Sowohl die deutsche als auch die französische Polizei wissen um diese Problematik, arbeiten intensiv bei Razzien zusammen, aber es ist nicht einfach, der Drogen- und Kleinkriminalität mit brennenden Autos und Überfällen sowie dem Bereich illegaler Glücksspiele Herr zu werden. Ein Problem, mit dem viele Grenzregionen zu kämpfen haben, denn professionelle Kriminelle nutzen die Schlupflöcher dies- und jenseits der Grenze. Und die kommen nun mal nicht nur aus dem Saarland und Lothringen, sondern aus ganz Deutschland und Frankreich, wie wir an den Autokennzeichen schon oft festgestellt haben. Hier erwarte ich auch mehr Unterstützung von den jeweiligen Ländern.
Also ist Frankreich eher ein Problem?
Keinesfalls. Wir haben eine gut funktionierende Partnerschaft mit unserer direkten französischen Nachbargemeinde Petite Rosselle sowie mit Rosbruck und Morsbach. Der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Vereinen, den Rathäusern und zwischen vielen Bürgern sind herzlich und vorbildlich. Viele Franzosen kommen zu uns und erledigen ihre Einkäufe. Davon profitieren die Geschäfte vor Ort, vor allem der Lebensmitteleinzelhandel und Drogeriemärkte.
Apropos Wirtschaft vor Ort. Große Industrie- und Gewerbeunternehmen gibt es in der Gemeinde nicht. Wie wollen Sie die lokale Wirtschaft voranbringen?
Mir liegt es sehr am Herzen, mit allen Gewerbetreibenden in Kontakt zu kommen, zu wissen, wo der Schuh drückt, was wir gemeinsam verbessern können. Zur Stärkung der Geschäfte vor Ort könnte ich mir beispielsweise eine Art Punktesystem vorstellen, das die Kunden belohnt, die vor Ort einkaufen. Das stärkt den Einzelhandel und sorgt für eine stärkere Bindung. Vorstellbar ist zudem ein neues Wohn- und Gewerbegebiet. Darüber werden wir im Gemeinderat reden.
Sie sind ein großer Anhänger der Rosseltalbahn. Was ist hierbei Stand der Dinge?
Das ist in der Tat so. Als Erstes hat der Gemeinderat den Beschluss von 2018, die Strecke der Rosseltalbahn zu entwidmen, Ende letzten Jahres wieder zurückgenommen. Die Strecke von Großrosseln nach Völklingen ist vorhanden und ich bin guten Mutes, dass wir die Wiederaufnahme mit der Unterstützung des Wirtschaftsministeriums auch hinbekommen. Das wäre ein ganz wichtiger Schritt zur Verbesserung des ÖPNV im Saarland und nachhaltig dazu, weil viele Pendler eine echte Alternative zum Auto nach Völklingen und Saarbrücken hätten.
Zur Verbesserung des örtlichen Nahverkehrs gehören außerdem die vielen kleinen Schritte. Dazu zählt die Einführung eines Bürgerbusses. Das Deutsche Rote Kreuz hat sich bereit erklärt, zweimal pro Woche Senioren und Kranke aus den Ortsteilen nach Großrosseln zu fahren, zum Beispiel für wichtige Erledigungen oder Einkäufe. Das ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt hin zu einem verbesserten Bürgerservice.
Bürgerservice ist ein wichtiges Stichwort. Wie wollen Sie den verbessern?
Da gibt es eine Reihe von Maßnahmen. Das bürgerfreundliche Rathaus gehört dazu. Jeden ersten Mittwoch im Monat ab 12 Uhr können alle Mitbürger mir persönlich in der Bürgersprechstunde ihre Anliegen vorbringen. Das wird sehr gut angenommen. Dialogbereitschaft ist das Fundament, um gemeinsam Lösungen zu finden. Künftig soll auch der Empfangsbereich im Rathaus wieder mit einer Person besetzt werden. Ein Bürgertelefon gehört genauso dazu wie demnächst die Einführung einer Windeltonne, damit die betroffenen Familien an dieser Stelle Entlastung erfahren. Bei vielen Bürgeranfragen geht es auch um Bauanträge, ein Beweis dafür, dass sie in unserer Gemeinde bleiben wollen. Die Erschließung neuer Wohngebiete für Familien ist daher ein wichtiges Anliegen.
Es sind aus meiner Sicht die vielen kleinen Maßnahmen, die den Wohlfühlfaktor in der Gemeinde erhöhen. Wir wollen für die Menschen da sein.
Die kommunalen Schulden im Land sind hoch, wie gehen Sie damit um?
Es ist kein Geheimnis, dass nahezu alle Kommunen im Saarland von einer hohen Schuldenlast geplagt sind. Der Saarlandpakt mit der hälftigen Übernahme der Kassenkredite durch das Land und die derzeit geführte Diskussion in Berlin zur Übernahme von Altschulden notleidender Kommunen sind extrem wichtige Schritte für uns, damit wir wieder verstärkt investieren können. Einige kommunale Gebäude sind sanierungsbedürftig. Außerdem brauchen wir einen neuen Kindergarten, denn allen Unkenrufen zum Trotz gibt es wieder mehr Kinder in der Gemeinde. Und das ist gut so. Ideen zur Umwidmung der Alten Schule in einen Kindergarten gibt es. Das müssen wir im Gemeinderat schnellstens auf den Weg bringen.
Bei der interkommunalen Zusammenarbeit gab es Anfang des Jahres einen Paukenschlag. Was war genau los zwischen Ihrer Gemeinde, Völklingen und Saarbrücken?
Ich war gerade mal im Amt, da lag bereits die Kündigung der Stadt Völklingen für die Zusammenarbeit im Ordnungsdienst auf dem Tisch. Selbst ein Aufschub zum Finden einer einvernehmlichen Lösung wurde nicht gewährt. Ich bin froh, dass die Landeshauptstadt eingesprungen ist und den Vertrag von Völklingen kurzfristig erst einmal so übernommen hat, sonst hätten wir in Großrosseln keinen Ordnungsdienst mehr. Das wäre von uns allein finanziell nicht zu stemmen. Mein Dank gilt daher dem ehemaligen Bürgermeister Ralf Latz und dem neuen Oberbürgermeister Uwe Conradt, die sich vorbehaltlos für unsere Gemeinde eingesetzt haben. Es ist ein weiteres Beispiel für die parteiübergreifende interkommunale Zusammenarbeit. Mit Völklingen arbeiten wir im Bereich Feuerwehr und Standesamt aber weiterhin gut zusammen.
Wie steht es um die digitale Zukunft der Gemeinde?
Wir haben die Zusage, dass die Ortsteile Emmersweiler und St. Nikolaus in den kommenden Monaten mit Glasfaser ausgebaut werden. Wir können heute sagen, dass unsere Gemeinde bis Ende 2022 komplett mit schnellem Internet versorgt wird.
Das Land ist bekannt für seine zahlreichen Vereine, was tut sich hier?
Zu den Highlights gehören das Schloss Karlsbrunn, die vielen verschiedenen Musikveranstaltungen in der Rosseltalhalle, das Warndt-Weekend, unser buntes Vereinsleben mit dem Karneval, die berühmte Poststelle in St. Nikolaus, die Rad- und Wanderwege im Warndt. Das wollen wir alles beibehalten und ausbauen. Ganz neu ist der geplante Bogenschießparcours vergleichbar mit dem in der Gemeinde Tholey. Er wird dieses Jahr eröffnet.
Und was wünschen Sie sich für die nächsten zehn Jahre?
Wir wollen Großrosseln mit den hier lebenden Menschen gemeinsam voranbringen. Die Bewohner sollen sich hier wohlfühlen, gerne hier leben, respektvoll miteinander umgehen und vor allem miteinander reden und nicht nur immer das Negative betonen. Das gilt verstärkt im digitalen Zeitalter. Für konstruktive Kritik bin ich jederzeit offen und auch selbstbewusst genug, das einzustecken. Wir machen sicherlich nicht alles richtig, aber vielleicht am wenigsten falsch, um an dieser Stelle mit den Worten der CDU zu sprechen.