Michaela Axt-Gadermann (52) ist als Dermatologin und Professorin im Bereich Gesundheitsförderung eine Expertin für Hautfragen aller Art. Im Interview verrät sie, wie man das Gesicht optimal pflegt, ob Naturkosmetik Vorteile hat, was Hyaluron-Drinks tun und mehr.
Frau Prof. Dr. Axt-Gadermann, was ist wichtiger für einen schönen Teint – gute Ernährung oder ein gutes Pflegeprogramm?
Beides ist wichtig, denn – im Vergleich zu anderen Organen – haben wir mehrere Möglichkeiten, die Gesundheit der Haut zu beeinflussen. Eine hautfreundliche, gesunde und ausgewogene Ernährung mit vielen Antioxidantien, die zum Beispiel in Beeren, intensiv gefärbtem Gemüse, dunkler Schokolade, grünem Tee, Gewürzen wie Kurkuma und Rosmarin enthalten sind, gesunden Fettsäuren aus Rapsöl, Leinöl, fettem Fisch wie Lachs, Thunfisch, Hering, Makrele, wenig Zucker und ausreichend Eiweiß stellt die Grundlage für eine schöne Haut dar. Ohne einen gesunden Lebensstil nutzt die teuerste Pflegeserie herzlich wenig. Aber auch die Pflege darf man nicht vernachlässigen. Während die Ernährung einen Schutz von innen aufbaut und eher in den unteren Schichten hohe Spiegel an Schutzstoffen erzielt, sorgt Pflege für den Schutz von außen. Das kann man auch durch Studien belegen. Diese und andere Studien zeigen sehr gut, dass es bei Ernährung, Nahrungsergänzungsmitteln und Hautpflege kein „Entweder-oder", sondern nur ein „Sowohl-als-auch" geben sollte.
Können Cremes die Hautalterung wirklich minimieren oder würde die Haut, würde man sie immer nur mit Wasser waschen, nicht mitunter genauso altern?
Ja, die richtigen Cremes können eine ganze Menge bewirken und machen durchaus einen Unterschied. Das beste Mittel, um Falten vorzubeugen ist zwar nicht spektakulär, aber umso wirkungsvoller: Sonnenschutz. Wer sich vor Falten und Altersflecken schützen möchte, benötigt aber nicht nur einen Lichtschutzfaktor, sondern zusätzlich einen UVA-Schutz. Der Lichtschutzfaktor wird mit einem Zahlenwert angegeben. Wenn ein UVA-Schutz vorhanden ist, dann erkennt man das an einem Zeichen auf der Verpackung (ein Kreis mit den Buchstaben UVA). Daneben können Antioxidantien wie Retinol, Vitamin C oder Vitamin E und Pflanzenstoffe die Haut vor Schäden durch freie Radikale schützen. Interessant sind auch Pflegepräparate mit einem sauren pH-Wert – 5,5 oder niedriger. Diese sorgen für eine stabile Hautbarriere und scheinen Enzyme, die Kollagen abbauen, zu bremsen.
Sollte man generell eher Naturkosmetik oder herkömmliche Produkte benutzen?
Generelle Aussagen kann man hier nicht treffen. Naturkosmetik bietet auf den ersten Blick viele Vorteile gegenüber herkömmlicher Kosmetik. Die Rezeptur der Naturkosmetika ist meistens frei von Stoffen, die nur dem Aussehen des Produktes dienen, der Haut aber schaden können. Allerdings ist Naturkosmetik auch nicht immer unproblematisch, denn natürliche Inhaltsstoffe unterliegen in ihrer Zusammensetzung oft großen Schwankungen und bergen ein recht hohes allergenes Risiko. Selbst wenn in kontrollierter Naturkosmetik oder in Bioprodukten nur natürliche Rohstoffe wie pflanzliche Öle, Fette und Wachse, Pflanzenextrakte oder ätherische Öle aus kontrolliertem Anbau verwendet werden, heißt das nicht, dass diese nicht auch Allergien auslösen können. Verbraucher denken oft, Allergien träten nur gegenüber „gefährlichen Substanzen" auf. Jeder Allergiker, der schon mal auf eine Bio-Kiwi oder einen Bio-Apfel mit Juckreiz und Quaddeln reagiert hat, weiß, dass das nicht stimmt. In Kosmetika vertragen viele Anwender mit empfindlicher Haut auch die hochkonzentrierten ätherischen Öle oder verschiedene pflanzliche Inhaltsstoffe nicht. Teebaumöl, Arnika oder Kamillenextrakt sind bekannte Naturstoffe, auf die viele Menschen mit Allergien reagieren.
Konventionelle Kosmetik verursacht – entgegen der weitverbreiteten Ansicht – nicht häufiger Allergien und Unverträglichkeiten. Allerdings enthält sie manchmal bedenkliche Inhaltsstoffe, die auch über die Haut resorbiert werden können. Haben es Wirkstoffe geschafft, die Hautbarriere der Epidermis zu überwinden, erreichen sie in der Dermis die Blutgefäße. Mit diesen können sich die Kosmetikinhaltsstoffe dann bequem zu jedem Winkel des Körpers befördern lassen. Wie gut das funktionieren kann, beweist die Tatsache, dass sich die Lust zu rauchen durch Nikotinpflaster stillen lässt, die auch ohne Glimmstängel den Wirkstoff in den Körper schleusen.
Sind Parabene und Silikone wirklich so schlimm wie ihr Ruf in den letzten Jahren?
Parabene sind Konservierungsstoffe, die eine hormonähnliche Wirkung haben. Welche langfristigen Auswirkungen diese auf unsere Gesundheit haben können, darüber kann man nur spekulieren. Silikone sorgen für eine scheinbare Verbesserung des Hautzustandes, glätten Fältchen und lassen die Haut zunächst mal strahlender erscheinen. Langfristig haben sie aber keinerlei Nutzen für die Haut. Sie verursachen zwar keine Allergien, aber sie stärken auch nicht die Hautbarriere und trocknen deshalb auf Dauer die Haut aus.
Aktuell werden überall Hyaluron- und Kollagen-Drinks beworben. Lassen diese unsere Haut wirklich straffer und frischer aussehen?
Hyaluronsäure fördert die Einlagerung von Feuchtigkeit in die Haut. Je mehr Wasser gebunden wird, desto besser werden Linien, Falten und Furchen aufgefüllt, und die Haut wirkt praller. Kollagen ist ein wichtiger Bestandteil des Bindegewebes. Beides kann man als Nahrungsergänzung einnehmen. Wichtig ist eine längerfristige Einnahme und eine ausreichend hohe Dosierung. In Studien wurden Hyaluronsäurepräparate in unterschiedlichen Dosierungen untersucht. Mit 120 und 240 Milligramm Hyaluronsäure pro Tag verbesserte sich schon nach zwei Wochen die Feuchtigkeitsversorgung und Geschmeidigkeit der Haut. Nach sechs Wochen war die Haut weniger rau, Falten hatten sich sichtbar gebessert und die Elastizität messbar zugenommen. Kollagenpräparate zeigen Effekte, wenn sie in einer Dosierung von 2,5 bis fünf oder gar zehn Gramm über mindestens acht bis zwölf Wochen eingenommen werden.
Sie empfehlen für die Haut auch Grüntee. Warum?
Teeextrakte schützen nicht nur von innen – als Tee getrunken –, sondern auch von außen die Haut vor schädlichen Sonnenstrahlen und verlangsamen den Alterungsprozess. Optimal ist die Kombination aus der regelmäßigen Tasse Tee mit einer Kosmetik, die Grünteeextrakte enthält. In einer Studie wendeten Frauen mit leichter Hautalterung entweder acht Wochen lang eine Creme mit zehn Prozent Grüntee-Extrakt an und nahmen gleichzeitig zweimal täglich eine Nahrungsergänzung mit 300 Milligramm Grüntee ein oder sie bekamen wirkstofffreie Cremes und Kapseln. Nur in der „Grüntee-Gruppe" war das Bindegewebe deutlich straffer geworden. Auch das Trinken von Grüntee (0,5 Liter täglich) schützt die Haut vor UV-Schäden, lässt sie geschmeidiger werden und stärkt das hauteigene Abwehrsystem.
In den letzten Jahren finden sich immer mehr Seren und Ampullen-Sets in den Regalen, die man vor der Tagespflege auf die Haut auftragen soll. Ist das wirklich sinnvoll?
Die Wirkstoffkonzentration in Seren und Ampullen ist häufig um ein Vielfaches höher als in Tages- oder Nachtcremes. Sie stellen deshalb eine perfekte Ergänzung zur täglichen Hautpflege dar. Als alleinige Pflege sind sie jedoch nur geeignet, wenn die Haut selbst sehr viel Fett produziert. Bei trockener oder Mischhaut sind Seren allein nicht reichhaltig genug und können die pflegende Creme nicht ersetzen – man kann aber beides gut miteinander kombinieren. Vor allem Hyaluronsäure, Antioxidantien und Pflanzenextrakte lassen sich gut mithilfe von Seren in die Haut einschleusen.
Wie pflegt man das Gesicht optimal?
Unsere Haut kommt mit relativ wenig Pflege aus. Tun wir hier des Guten zu viel, dann schadet das mehr, als es nutzt. Dass man die Haut regelmäßig peelen muss, ist so ein Mythos, der nur schwer auszuräumen ist. Häufiges Peeling zerstört die Hautbarriere und trocknet die Haut aus. Auch, wenn die Kosmetikindustrie uns vermittelt, dass man regelmäßig Hautschüppchen entfernen muss, trifft das höchstens auf Teenager mit vielen Pickeln und Mitessern zu. Alle anderen können auf ein Peeling verzichten. Auch eine Reinigung würde ich nur abends empfehlen. Morgens kann man getrost darauf verzichten. Ebenso sollte man es mit der Hautpflege nicht übertreiben, denn zu viel Feuchtigkeitscreme schädigt die wichtige Hautflora. Darunter versteht man gesunde Bakterien, die unsere äußere Hülle besiedeln und sie gesund erhalten.
Welche Produkte beziehungsweise Wirkstoffe sollte man bei unreiner Haut benutzen?
Unreine Haut verträgt ein Peeling meistens gut. Zusätzlich sollte die Pflege hornlösende und desinfizierende Substanzen wie Zink, Salicylsäure oder Fruchtsäuren enthalten. Oft reicht bei unreiner Haut die alleinige Anwendung von Seren oder Gelen. Zu reichhaltige Pflege verschlechtert den Hautzustand.
Worauf muss man achten, wenn man unter Rosazea leidet?
Keine durchblutungsfördernden oder reizenden Pflegeprodukte wie Retinol, Fruchtsäuren oder Vitamin B3 anwenden. Jeden Morgen ein Produkt mit hohem Lichtschutzfaktor auftragen und auf einen guten Schutz vor UVA-Strahlen achten. Möglichst fettfreie beziehungsweise fettarme Kosmetika anwenden. Keine heißen Getränke trinken, keine scharf gewürzten Speisen essen. Alles, was die Durchblutung der Haut anregt, kann eine Rosazea verschlechtern. Überprüfen lassen, ob eine Fehlbesiedelung des Darms (SIBO-Syndrom) vorliegt –
das ist bei vielen Patienten ein ganz wichtiger Grund. Alkohol strikt meiden. Studien konnten nachweisen, dass selbst kleine Mengen den Hautzustand bei Rosazea verschlechtern können.
Wie sollte die Pflege bei Neurodermitis aussehen?
Seit Kurzem beschäftigt sich die Wissenschaft mit dem Einfluss der Hautflora auf den Krankheitsverlauf der Neurodermitis. Die Bakterienbesiedelung der Haut der Patienten ist eine andere als die der gesunden Haut. Probiotische Präparate stabilisieren und regenerieren die bei Neurodermitis gestörte Hautflora.
Alles, was den Juckreiz verstärkt wie Schafwolle, kratzende Etiketten, eine unpassende Pflege meiden. Öle wie Jojoba- oder Kokosöl zur Pflege verwenden – stabilisiert die Hautbarriere besser als Olivenöl. Produkte sollten die Hautbarriere stärken und Feuchtigkeit binden. Geeignete Inhaltsstoffe sind zum Beispiel Urea (2-5 Prozent), Milchsäure, Squalen, Ceramide und Hyaluronsäure.
Darf man sich hier schminken?
Ja, wichtig ist aber, dass die Produkte zum Hauttyp passen. Bei der Rosacea sollte man fettarme beziehungsweise fettfreie Produkte verwenden, bei
der Neurodermitis darf die Hautpflege etwas reichhaltiger sein. Wichtig bei beiden: Am besten auf gute Apothekenkosmetik setzen, die frei ist von unnötigen Zusatzstoffen, die im Zweifelsfall die Haut reizen und verschlechtern könnten.
Gerade bei Hauterkrankungen im Gesicht tut es den Betroffenen oft gut, wenn sie Veränderungen abdecken können. Hier sollte man am besten in der Apotheke nach verträglichen Produkten fragen.
Mit welchen Produkten kann man hier gezielt Rötungen abdecken?
Hier verwendet man vor allem grünstichige Produkte oder ein gut deckendes Make-up.
Was fehlt uns, wenn das Gesicht dauerhaft fahl und müde aussieht?
Das kann unterschiedliche Ursachen haben. Rauchen und Bewegungsmangel sind häufige Gründe, eine unausgewogene Ernährung mit vielen Fertiggerichten und Fastfood und zu wenigen Nährstoffen kann schuld sein. Aber manchmal auch eine falsche Hautpflege, die nicht zu unserem Hauttyp oder Hautproblem passt.
Welche Mittel lassen die Haut strahlen?
Präparate mit Retinol, Fruchtsäuren oder Vitamin C sorgen für den „Glow".
Welche Inhaltsstoffe sind wahre Feuchtigkeitsspender?
Feuchtigkeitsbindende Zusatzstoffe wie Harnstoff (Urea), Hyaluronsäure oder Milchsäure sorgen dafür, dass das Wasser nicht so schnell aus der Haut verdunstet und lassen die Haut glatt erscheinen. Interessant ist auch Squalen. Sebum, also die Creme, die die Talgdrüsen unserer Haut selber produzieren, besteht zu rund 15 Prozent aus Squalen. Squalen sorgt dafür, dass weniger Wasser aus der Haut verdunstet und die Haut ihre Feuchtigkeit gut halten kann.
Trocknen Feuchtigkeitscremes mit sehr viel Glycerin die Haut auf Dauer wirklich aus, wie einige Hautärzte behaupten?
Glycerin sollte nicht zu hoch konzentriert verwendet werden, da sich sonst die Effekte umkehren und die Haut sogar trockener werden kann. Emulsionen mit zwei bis fünf Prozent Glycerin sorgen für eine gute Feuchtigkeitsbindung. Ideal ist eine Kombination von Harnstoff und Glycerin zu etwa gleichen Anteilen.
Warum kann Blaulichtstrahlung – etwa durch PCs – Schäden an der Haut verursachen?
Bildschirme von PCs, Tablets und Handys geben Licht mit einer bestimmten Wellenlänge ab (blaues Licht). Das setzt unsere Haut unter einen ganz besonderen Stress, nämlich den sogenannten Blaulichtstress. Japanische Forscher stellten fest, dass blaues Licht, ähnlich wie UV-Licht, die Bildung freier Radikale in der oberen Hautschicht enorm steigert. Dadurch werden nicht nur Zellschäden hervorgerufen, die die Hautalterung beschleunigen können, sondern auch die Feuchtigkeitsversorgung der Haut leidet, und die Haut ändert ihre Ausstrahlung, wird insgesamt fahler. Die Bildung von Kollagen und Elastin wird blockiert. Das blaue Licht macht nicht in der Epidermis halt, sondern gelangt auch in die nächste Etage und sorgt hier für eine Beschädigung der Fasern, die unsere Haut normalerweise schön straff halten sollen.
Wie sollte man die Haut im Winter anders pflegen als im Sommer?
Ein Grund für die trockene Haut im Winter ist die extrem trockene Winterluft: Je niedriger die Temperaturen sinken, desto weniger Feuchtigkeit befindet sich in der Atmosphäre. Auch in der Wohnung sinkt die Luftfeuchtigkeit in der kalten Jahreszeit oft deutlich ab. Das veranlasst die Haut, vermehrt Flüssigkeit nach außen abzugeben. Doch nicht nur an Feuchtigkeit mangelt es der Winterhaut, auch die Talgdrüsen reagieren auf das Klima und produzieren weniger Hautfette und der produzierte Talg ist zäher und verteilt sich nicht so gut auf der Haut. Dadurch wird der natürliche Schutzfilm der Haut durchlässiger, die Haut rauer und die Haare trockener. Als erstes zeigt sich das meist im Gesicht, an den Händen und Unterschenkeln. Wenn es kalt und trocken ist, reicht deshalb die Sommerpflege oft nicht mehr aus.
Die Hautpflege muss im Winter manchmal völlig umgestellt werden. Doch dazu ist nicht gleich eine neue Kosmetikserie notwendig. Oft genügt es, tagsüber das Nachtpflegeprodukt zu verwenden oder einfach auf eine reichhaltigere Creme aus der gleichen Serie umzusteigen.
Was leistet eine gesunde Darmflora für die Haut?
Die Darmflora beeinflusst die Haut auf vielfältige Weise. Zum einen produziert sie Antioxidantien, UV-Schutzfaktoren und Vitamine und beeinflusst die Bildung von Ceramiden, Hyaluronsäure und den pH-Wert der Haut günstig. Zum anderen gehen viele Hauterkrankungen wie Neurodermitis, Akne, Rosacea oder Schuppenflechte mit einer gestörten Darmflora einher. Hier helfen probiotische Ballaststoffe und vor allem auch probiotische Bakterien.
Welche probiotischen Keime verbessern welche Hautprobleme?
Für verschiedene Bakterienstämme wurden günstige Effekte auf die Haut nachgewiesen. Prinzipiell günstige Effekte auf die Haut haben die meisten Bifidobakterien sowie verschiedene Milchsäurestämme wie Lactobazillus rhamnosus, Lactobazillus plantarum oder Lactobazillus casei.
Symptome bei Heuschnupfen und Allergien sprechen hingegen gut auf die Einnahme von Lactobacillus gasseri und Bifidobacterium bifidum an. All diese Keimstämme sind zum Beispiel enthalten in dem Präparat „For you Darmflora komplex". Meistens dauert es etwa acht Wochen, bis man erste Erfolge sehen kann, denn zunächst muss sich die Darmflora umstellen, dann kann sie positiven Einfluss auf die Haut nehmen.
Weitere Infos: www.axt-gadermann.de