In den närrischen Tagen und vor der Fastenzeit sei schnell noch ein Wort über die „Mitte" erlaubt, bevor sie verschwindet. Das nämlich dürfte ihr Schicksal sein, so inflationär schon in der Vergangenheit, erst recht aber in den letzten Tagen das Wort von der „Mitte" herumgeistert. Wenn Wörter derart häufig und von derart vielen im Mund geführt werden, wird alles erst ziemlich schwammig, dann nichtssagend, bis am Ende schlicht keiner mehr weiß, wovon eigentlich die Rede ist. So löst sich schließlich alles auf, günstigenfalls in Wohlgefallen, im Fall unserer „Mitte" eher schmerzhaft.
Wobei uns diese „Mitte" schon länger entgleitet. Mathematisch-statistisch exisistiert sie noch, stellt sich nur die Frage, ob der Mittelwert oder der Median gelten soll. Beides errechnet eine Mitte, die kann aber jeweils duchaus unterschiedlich liegen. Woraus sich ergibt, dass Mitte nicht zwingend Mitte ist. Damit dürfte es auch kaum noch wundern, wenn Wahlen, die doch angeblich in der Mitte gewonnen werden, zunehmend Ergebnisse zeitigen, bei denen „Mitte" kaum auszumachen ist.
Was links, rechts, oben oder unten ist, liegt im Auge des Betrachters. Wähnt sich nicht jeder selbst irgendwie in der Mitte und alles andere folglich für irgendwie daneben? Und wenn er (oder sie) sich einmal gar nicht mehr so im Mittelpunkt fühlt, obwohl doch allseits versichert wird, er stünde im Zentrum, kann er dann nicht schon mal auf absonderliche Ideen kommen?
Übrigens hat mir bislang keiner erklären können, wo eigentlich diese Mitte beginnt, wo sie aufhört und was jenseits davon ist. Ist Mitte am Ende doch nur die berühmte Scheibe, auf der durchaus ja alles halbwegs gut funktioniert, solange man nur den Rändern nicht zu nahe kommt (und runterfällt)?
„Mitte" war nie nur statistisch oder geografisch gemeint. Es ging immer auch um einen common sense, einen Grundbestand gemeinsamer Überzeugungen, Werte, Zukunftsideen. Wo das durch inflationäre Entwertung verschwimmt, wird die „Mitte"-Diskussion zur ziemlich substanzlosen Grenzzieherei auf Zeit.