Es war das unangreifbare Herz des DDR-Systems: Das Ministerium für Staatssicherheit, kurz MfS, die „Stasi" im Volksmund. Der Aufwand, den allein dessen Spionageabteilung leistete, war enorm. Das bezeugt Heribert Schwans Buch „Spione im Zentrum der Macht", das sich der DDR-Agententätigkeit im anderen deutschen Staat, der BRD, widmet. Der ehemalige Journalist Schwan hat für seine Recherche mehr als 81.000 Blatt Aktenmaterial der DDR-Auslandsspionage durchforstet.
Entweder waren es ideologische oder finanzielle Gründe, dass sich zumeist westdeutsche Bürger vom ostdeutschen Geheimdienst anwerben ließen oder selbst anboten. Wenn es darum ging, andere zum Ausspionieren zu überreden, wurde mit zwei Tricks gearbeitet. Bei Männern segelten die MfS-Leute oft unter falscher Flagge: Sie stellten sich ihnen als Angehörige ausländischer Konzerne oder einer befreundeten Macht vor, die interne Informationen benötigten.
Bei Frauen wurde erstaunlich erfolgreich der Romeo-Trick angewendet: Gutaussehende MfS-Mitarbeiter begannen mit Ministeriumssekretärinnen gezielt ein Liebesverhältnis, das oft in eine Ehe mündete. Und schon sprudelte eine neue Informationsquelle. Die Schnüffelarbeit wurde bald zur Routine: Das Abfotografieren von vielfach geheimen Dokumenten, das Schreiben von Berichten über Parteitage, vertrauliche Sitzungen, Interna oder Charaktereigenschaften.
Schwan beschreibt einige dieser Agenten, die sich oft bis nahe an die Macht hinaufarbeiten konnten. 320 Spione bespitzelten allein Bundeskanzler Helmut Kohl. Und da die DDR in allen BRD-Regierungen von Adenauer bis Kohl spionierte, lernt man nebenbei auch einiges an deutscher Zeitgeschichte. Was bleibt, ist zweierlei: der Eindruck des riesigen Aufwands, den die misstrauisch-paranoide Agentenbürokratie des Stasi-Ministers Erich Mielke und seines Spionagechefs Markus Wolf trieb. Und die Frage: Was hat dieser Aufwand den einen genützt, was hat er den anderen geschadet?