Das Sterben gehört zum Leben, nicht zum Tod. Das ist die Leitlinie des Teams des neuen Hospiz Christophorus in Schmelz. Drei Gesellschafter haben sich das Ziel gesetzt, Schwerkranken einen Abschied in Würde zu bereiten.
Tageslicht erfüllt den Raum, fällt auf die sanften Violetttöne der geblümten Fototapete und lässt sie erstrahlen. Ein Bild, welches an einen langen Frühlingsspaziergang erinnert. Welches das Herz wärmt. Und ein Bild, welches man mit dem Leben verbindet – nicht mit dessen Ende. Doch findet es sich genau hier wieder. Mitten in Schmelz in einem Hospiz. „Für mich ist das ein Herzstück. In die Ausstattung der Einrichtung wurden von mir sehr viele Details mit viel Liebe bedacht", erzählt Elke Schorr, Leiterin des Hospiz Christophorus.
Ende November öffnete die Einrichtung ihre Türen und deckt seitdem eine Versorgungslücke im nördlichen Saarland ab. Ein Zustand, den die drei Gesellschafter Elke Schorr, Dr. med. Peter Schorr und Dr. Mike Packheiser nicht hinnehmen wollten. Bereits vor vier Jahren begann die Planung für das nun erste saarländische Hospiz in privater Trägerschaft. „Im Saarland gibt es zwar eine recht gute Palliativversorgung, aber in der nördlichen Hälfte gab es kaum Angebote", erklärt Geschäftsführer Mike Packheiser. „Wir hatten unseren Ursprung in der SAPV", erzählt Peter Schorr. SAPV steht für Spezialisierte ambulante Palliativversorgung. „Wir haben uns damals mit dreizehn Kollegen zusammengeschlossen, um eine Interessenvertretung für Palliativärzte zu gründen. Damit wir alle unter den gleichen Bedingungen die gleiche Arbeit leisten." Doch konnte dieses SAPV-Netzwerk keine durchgehende 24-Stunden-Betreuung bieten. Ein stationäres Hospiz sollte Abhilfe schaffen – am besten in zentraler Lage. Direkt im Schmelzer Zentrum gelegen punktet der Standort insbesondere mit der guten medizinischen Infrastruktur – begonnen bei den Apotheken, über das Sanitätshaus bis zu den Arztpraxen und einem Pflegeheim.
„Oft realisieren Menschen erst im Hospiz, dass ihr Leben zu Ende geht", sagt Elke Schorr. Oft wissen Patienten auch erst seit wenigen Wochen, dass sie an einer unheilbaren Krankheit leiden. Niemand denkt gern über den Tod nach – und mit einem Augenblick ist er greifbare und schmerzliche Realität. „Da gibt es die Phase des Unverständnisses, der Verdrängung. Warum gerade ich? Es gibt Menschen, die denken, das ist eine Bestrafung für etwas, das sie getan haben. Dann gibt es die Phase der Depression", erklärt Peter Schorr. „Durch diese Phasen muss man den Menschen begleiten." Eine psychologische und seelsorgerische Betreuung ist daher genauso wichtig wie eine palliativmedizinische Versorgung. Dazu braucht es Vertrauen. In persönlichen Gesprächen wird bereits vor der stationären Aufnahme über Wünsche, Vorstellungen und Bedürfnisse gesprochen, um einen persönlichen Bezug herzustellen. In diesen Prozess sind auch die Angehörigen involviert. Denn ein Hospiz ist nicht nur für den kranken Patienten verantwortlich. „Wir geben den Menschen das Gefühl, dass sie nicht alleine sind. Dass es ihnen hier gut geht", so Elke Schorr.
„Das Gefühl, dass sie nicht alleine sind"
Immer an vorderster Stelle stehe der Erhalt der Würde. „Vor einiger Zeit haben wir einen Patienten bekommen, der kam komplett ungepflegt aus dem Krankenhaus. Wir haben ihn erst einmal gewaschen, seine Haare geschnitten, ihn rasiert und eingecremt", erinnert sich Peter Schorr. „Danach haben wir ihm gesagt, dass er ja ein richtig hübscher Mann sei – da hat er gestrahlt und gesagt, dass er sich so noch nie gefühlt habe." Damit das so bleibt, kümmern sich die Pflegerinnen und Pfleger mit viel Herz um die Patienten. Jennifer Dötsch ist eine von ihnen. „Wir stellen uns ganz individuell auf die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen ein", erzählt sie. Sei es wann die Patienten aufstehen möchten, wann sie speisen wollen oder wie sie gewaschen werden möchten.
Denn die individuellen Wünsche des Patienten sind von besonderer Bedeutung. „Wir möchten ihre letzten Wünsche erfüllen", sagt Elke Schorr. „Wir reden da auch offen drüber." Das beinhaltet nicht zuletzt auch alltägliche Dinge wie die Essensauswahl. Zu jeder Tages- und Nachtzeit ist es dem Patienten möglich die gewünschte Speise am Ort seiner Wahl zu sich nehmen zu können. Der erste Patient, der im Hospiz begleitet wurde, hatte einen ganz besonderen letzten Wunsch, wie sich Dötsch erinnert: „Er wollte noch eine letzte Zigarette rauchen. Wir haben ihn mit seinem Bett ganz nahe ans Fenster gefahren und ihm das ermöglicht. Das war ein ganz besonderer Moment. Für manche ist das nur eine Kleinigkeit, aber für diesen Mann war das so wertvoll." Einem Mann, der noch nie das Meer gesehen hatte, sollte über die Aktion „Wünschewagen" auch das ermöglicht werden. Leider konnte er die Fahrt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr antreten. Das Gefühl, gehört und geschätzt zu werden, wird ihm aber bleiben. „Wir geben etwas – aber wir bekommen auch ganz viel zurück", sagt Schorr. „Es wird nirgendwo so viel gelacht, wie im Hospiz", stimmt Peter Schorr zu. „Letztens war ich bei einem Patienten, der hat mir ganz viele Witzchen und Anekdoten aus seinem Leben erzählt und wir haben herzlich gelacht. Hier wird noch gelebt."
Doch dient die Zeit im Hospiz auch dem Reflektieren und Nachdenken. Dafür steht der „Raum der Stille" für jeden offen. Als religions- und konfessionsneutrale Einrichtung ist auch er ökumenisch eingerichtet und bietet die Möglichkeit, über das Leben nachzudenken. Über den Weg, den man bereits gegangen ist und über den, der noch vor einem liegt. Ein Weg, auf dem das rund 30 Personen starke Team Begleiter, Unterstützer und Freund zugleich ist.
Zeit zum Reflektieren und Nachdenken
Ebenfalls ein Freund für viele Patienten ist Hund Pablo. Der aufgeweckte Vierbeiner besucht die Patienten gern einmal auf ihren Zimmern. „Das ist so eine Art Therapiehund", erzählt Peter Schorr und lacht. „Das ist unsere gute Seele im Haus", pflichtet Geschäftsführer Packheiser bei. Und tatsächlich: Selbst Patienten, die mit kaum jemandem zu tun haben möchten, nehmen den kleinen Hund auf den Schoß, streicheln ihn und sprechen mit ihm. Als kleiner Unterstützer schenkt er insbesondere eines: Freude.
Unterstützung ist aber nicht nur für die Patienten, sondern für das gesamte Projekt wichtig. Zentraler Partner ist hierbei der Förderverein Hospiz und Palliativzentrum für die Landkreise Merzig-Wadern und Saarlouis in Schmelz e.V. „Wir wollen gemeinsam einen Beitrag leisten, dass die humanistisch-christliche Idee der Hospizarbeit, insbesondere in den Landkreisen Merzig-Wadern und Saarlouis, vertieft und verbreitet wird", sagt der Fördervereinsvorsitzende Alfred Staudt. Zwar zahlen die Krankenkassen Tagessätze für jeden Patienten, doch decken diese nur 95 Prozent der Betriebskosten. „Deswegen sind wir immer auch auf Spenden angewiesen", so Packheiser. Finanzielle Mittel vom Land gibt es nicht. Gewinn machen die Gesellschafter nicht – rechtlich wäre das auch nicht erlaubt. „Das ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass wir uns als privater Träger eine goldene Nase verdienen", stellt Packheiser klar.
Alle eingenommenen Gelder fließen in die Betreuung der Patienten. Für zwölf Menschen bietet das Hospiz Christophorus Platz. Dazu kommen zwei Gästezimmer für Angehörige. Die Zimmer tragen die Namen von heimischen Baumarten: Buche, Eiche, Linde. Auch in ihnen zeichnen sich helle und einladende Farben ab. In die Einrichtung hatte Elke Schorr sehr viel Herzblut gesteckt, fuhr teilweise bis nach Trier um die passenden Teile zu finden. Geschaffen hat sie eine wundervolle Atmosphäre. „Das bringt dem Menschen auch neuen Lebenswillen", erklärt die Leiterin. Durch die fröhliche Einrichtung und eine intensive Betreuung blühen viele der Schwerkranken wieder auf und können teilweise sogar wieder nach Hause in ein ambulantes Pflegeprogramm. „Es gibt Hospize mit einer Entlassungsquote von bis zu zehn Prozent", erzählt Packheiser.
„Wir helfen uns auch innerhalb des Teams. Das ist sehr wichtig"
Doch das ist nicht der Regelfall. „Wir können hier niemanden gesund machen", erklärt Peter Schorr. „Aber wir können helfen, die Schmerzen zu lindern. Die Leute haben viel weniger Angst vor dem Sterben, als davor, Schmerzen zu erleiden." Durchschnittlich verbringen Patienten 19,5 Tage in einem Hospiz. Was dann folgt ist ein harter und schwerer Weg. „Kein Mensch hat das ewige Leben gepachtet. Manche sterben früher, als sie es sich vorgestellt haben, der Prozess aber ist für alle gleich", sagt der Mediziner. Trotz aller Trauer, die der Tod mit sich bringt, ist es aber auch eine Befreiung. „Das hört sich vielleicht komisch an, aber es ist ein schönes Gefühl, wenn man jemandem einen leichten und würdevollen Tod ermöglichen kann", erzählt Dötsch. „Wenn man dabei ist und weiß, man konnte das Leiden, dass er vorher hatte, lindern." Dennoch lässt der Tod niemanden kalt. „Jeder muss selbst für sich entscheiden, wie er damit umgeht", erzählt die Pflegerin. „Wir helfen uns auch innerhalb unseres Teams. Das ist sehr wichtig." Aber auch seelsorgerische Unterstützung finden Angehörige wie auch Mitarbeiter in dieser schweren Zeit innerhalb des Hospizes. So viel und so lange sie brauchen.
„Wer einen Fluss überquert, muss die eine Seite verlassen", lautet das Leitbild der Einrichtung. Doch hinterlässt ein jeder ein Stück Erinnerung auf der anderen Seite. Damit diese Erinnerung auch im Hospiz einen zentralen Platz findet, steht im Raum der Stille eine kleine Schale mit Holzornamenten. Auf ihnen finden sich die Namen der verstorbenen Patienten wieder. Auf einem Stück aus dem Holz, dessen Name auch das Zimmer trug, in welchem sie die letzten Tage und Wochen ihres Lebens verbrachten – in Würde.