Finanziell drückt der Schuh, Gewerbesteuerzahler fallen weg, als Wohnort attraktiv: Trotz Saarlandpakt wird Ensdorfs Bürgermeister Jörg Wilhelmy viele Klinken im Land putzen müssen, um die Kommune zu modernisieren.
Herr Wilhelmy, mit Ensdorf verbindet man das Kraftwerk, das Saar-Polygon. Wie würden Sie Ihre Kommune beschreiben?
Ja, Ensdorf ist mittlerweile die Saar-Polygon-Gemeinde und damit unter den Top drei der touristischen Destinationen im Saarland. Darauf sind wir stolz, versuchen das weiterzuentwickeln. Aber wir sind auch in anderer Hinsicht attraktiv: Wir haben Flächenpotenzial und sind dabei, das ehemalige Bergwerksgelände Duhamel zu einem hochwertigen Gewerbestandort umzuwandeln. Dort soll auch Wohnen möglich sein. Im Kraftwerksumfeld haben wir ein Entwicklungspotenzial von 50 Hektar für Industrie- und Gewerbeflächen. Ich verspreche mir perspektivisch dort attraktive Bedingungen. Die vorhandene Infrastruktur mit der Anbindung an BAB, Schiene und Saar ist ja heute schon gegeben und dadurch neue Ansiedlungen.
Mit dem Kraftwerk Ensdorf ist 2017 jedoch ein Steuerzahler weggefallen. In welcher Größenordnung?
Ja, das tut uns weh. Hier kann man von rund einem siebenstelligen Betrag sprechen, der uns fehlt.
Das ist für eine Gemeinde mit einem Haushalt von rund 13 Millionen Euro in den Aufwendungen sicher nicht einfach wegzustecken. Wie kompensieren Sie den Ausfall?
Sparen, sparen, sparen. Wir setzen natürlich auch auf die Altschuldenübernahme durch den Bund, auf neue Gewerbeansiedlungen, für die wir die Flächen bereitstellen, auf Wertschöpfung vor Ort und damit neue Einnahmen.
Wie hoch sind die Schulden?
Langfristige Schulden haben wir in Höhe von rund fünf Millionen, knapp sechs Millionen Euro Kassenkredite. Die Hälfte wird vom Land übernommen, damit stehen wir künftig etwas besser da. Der Saarlandpakt sieht zwar vorrangig gut aus, wird uns aber in den kommenden 40 bis 50 Jahren binden. Was dann noch an Kassenkrediten steht, werden wir in einem Annuitätendarlehen bis 2065 zurückzahlen müssen. Das ist ein hohes Ziel, das uns die Landesregierung vorgibt.
Die Landesregierung aber wird nicht müde zu betonen, dass der Saarlandpakt ein großer Wurf für die klammen Kommunen des Landes ist.
Ja, der Pakt sieht ja auch einen Betrag für Investitionen vor. Der beläuft sich aber für unsere Gemeinde nur auf etwas weniger als 100.000 Euro. Der Pakt hat eben eine eklatante Schwäche: Er geht nicht auf die strukturellen Probleme ein, die die einzelnen Gemeinden haben. Ein Beispiel: Uns fehlt ein Millionenbetrag durch den Ausfall an Gewerbesteuern. Ein weiterer Gewerbesteuerzahler investiert nun an einem anderen Standort. Steuerrechtlich wird dies gegengerechnet, somit fehlt uns ein weiterer hoher sechsstelliger Betrag in der Kasse. Darauf geht der Saarlandpakt nicht ein.
Wie viel dürfen Sie derzeit investieren?
Derzeit erlaubt mir die Kommunalaufsicht, etwa 450.000 Euro jährlich in der Gemeinde zu investieren, hinzukommen rund 500.000 Euro, die für Investitionen in das gemeindliche Abwassersystem notwendig werden. Da sind knapp 100.000 Euro ein Tropfen auf den heißen Stein. Unser Ansatz, familienfreundliche Kommune zu sein, benötigt akut jedoch mehr Geld. Wir müssen den Kindergarten erweitern, und unsere Schule platzt aus allen Nähten. Wir wissen jetzt schon, dass einzelne Klassen 2024 dreizügig werden. Derzeit sind es 186 Schüler, dann werden es 240 sein: Die Kinder sind da, also müssen wir die Schule erweitern. Allein das kostet uns geschätzte fünf Millionen. Ab 2025 hat der Bund außerdem einen gesetzlichen Anspruch für Nachbetreuung vorgesehen. Im Moment betreuen wir 100, ab 2025 potenziell 240 Kinder. Wir haben das Schwimmbad mit der größten zusammenhängenden Wasserfläche im südwestdeutschen Raum, mehr als 80 Jahre alt, mit erheblichem Sanierungsstau – Sie sehen, warum das Geld nicht reicht. Dabei könnten wir jetzt erheblich investieren, weil wir in einem historischen Zinstief sind. Deshalb verstehe ich nicht, warum man die Kommunen gerade jetzt an die kurze Leine nimmt. Immerhin hat Ministerpräsident Hans selbst ein „Jahrzehnt der Investitionen“ für das Land ausgerufen. Ich wäre froh, ich könnte das für Ensdorf auch ausrufen.
Wie wollen Sie denn diese Ansprüche vor allem der Eltern erfüllen?
Die erste Baustelle ist der Kindergarten. Wir errichten zwei neue Gruppen. Der Planungsauftrag vom Gemeinderat ist erteilt, die Mittel für 2020 im Haushalt einzustellen. Nun reden wir mit dem Ministerium. Denn ich will das Kultusministerium dafür sensibilisieren, dass die heutigen Kita-Kinder die Schulkinder von morgen sind. Ich will keine Containerschule aufstellen müssen.
Die Gesellschaft altert jedoch insgesamt. Was wollen Sie an dieser Stelle für die Senioren tun?
Die Senioren machen einen großen Anteil in der Gemeinde aus. Auf Vereinsebene haben wir vielfältige Angebote, aber uns fehlt ein Zentrum. Ich möchte gern einen Mehrgenerationen-Ansatz am liebsten zusammen mit anderen Trägern etablieren, aber auch hier brauche ich die entsprechenden Mittel. Es gibt Gebäude, die infrage kommen. Diese sind aber nicht im Besitz der Gemeinde, also werden wir uns mit den Eigentümern einigen und mit Landesprogrammen und möglichst vielen Töpfe auch aus dem Bund dies zu realisieren versuchen.
Den Supermarkt am Marktplatz in der Ortsmitte gibt es lange nicht mehr – wo gehen die Ensdorfer Senioren denn einkaufen?
Die Nahversorgung ist seit Langem Thema in Ensdorf. Es ist richtig, vor etwa zehn Jahren hat in der Ortsmitte ein größeres Geschäft zugemacht, weil einerseits die Nachfrage nicht mehr vorhanden und andererseits die Verkaufsfläche zu klein war. Wir haben aber am Ortsrand einen Supermarkt, wir haben im Ort noch einen Bäcker, einen Orientladen, wo auch viele Ensdorfer kaufen. Für alle, die nicht mehr gut zu Fuß sind, keine Angehörigen oder kein Auto haben, gibt es einmal pro Woche einen Shuttlebus, der diese Menschen – immer donnerstags – abholt und zum Einkaufen fährt.
Viele Kommunen klagen über Leerstände im Ort, bebauen aber die Randlage. Auch in Ensdorf?
Ensdorf ist hochattraktiv als Wohnort, denn wir liegen strategisch günstig: nahe der A8 und der A620, nahe Frankreich, nahe der Kreisstadt Saarlouis. Es gibt kaum Leerstände von Häusern im Ort. Derzeit entwickeln wir Ensdorf Süd 2 in Randlage. Dort reißt man dem Investor die Grundstücke quasi aus der Hand. Innerorts wollen wir aber ebenfalls weiter verdichten. Klar gibt es auch freie Grundstücke innerhalb der bereits bebauten Ortslage, die für die Enkel aufgehoben werden. Darauf haben wir natürlich keinen Einfluss. Nun stehen der Landesentwicklungsplan Siedlung und der Landesentwicklungsplan Umwelt zur Novellierung an, laut Landesregierung sollen aus zwei Entwicklungsplänen einer gemacht werden. In Abhängigkeit der Größe einer Gemeinde und der Nachfrage nach Wohngrundstücken und dem prozentualen Anteil von ungenutzten Grundstücken könne man von der Landesplanung die Genehmigung bekommen, weitere Neubaugebiete auszuweisen. Hier hängt es nun davon ab, wie gut es die Landesplanung mit uns meint.
Sorgt auch das Gewerbegebiet Lisdorfer Berg für die hohe Nachfrage?
Ob dies einen Effekt auf den Zuzug hat, können wir jetzt noch nicht sagen. Die Nachfrage nach Bauplätzen ist aber ungeachtet der dortigen Entwicklung ohnehin sehr hoch, da mache ich mir überhaupt keine Gedanken.
Sie haben den Shuttlebus erwähnt. Gibt es Verbesserungsbedarf beim öffentlichen Nahverkehr?
Wir haben eine gute Taktung, angebunden an die Kreisverkehrsbetriebe in Saarlouis. Unser Problem ist allerdings der Bahnhof, der in einem desolaten Zustand ist. Dafür muss man sich wirklich schämen. Seit vielen Jahren bemühen wir uns darum, einen Haltepunkt in die Ortsmitte zu bekommen. Diese Bemühungen setze ich fort. Der Bahnhof ist mittlerweile im internen Ranking der Bahn im Saarland unter den ersten zehn, um die sie sich kümmern will. Ich führe Gespräche mit der Bahn und dem Wirtschaftsministerium, damit der Bahnhof endlich dorthin kommt, wo er hingehört: in direkte Nähe des Marktplatzes.