Der Einzelhandel hat es nicht leicht. Nicht nur, aber gerade im Modesegment. Noch kritischer wird es, wenn man sich die Lage kleinerer Labels und Designer anschaut. Hohe Ladenmieten und das Aussterben der Fußgängerzonen sind da nur zwei Aspekte, die das Überleben erschweren.
Der Endverbraucher profitiert vom Onlinehandel, denn er lässt keine Wünsche offen. Alles nur Vorstellbare kann gezielt gesucht und ebenso leicht gefunden werden. Und dafür muss man nicht mal einen Fuß vor die Tür setzten. Bei Wind und Wetter wird binnen weniger Tage an die Haustür geliefert, was das Herz begehrt. Früher ist man einfach losgezogen, in die Stadt, hat geschaut, was es so gibt und dann wurde gekauft. Wer heute etwas Bestimmtes sucht, wird im Einzelhandel meist nicht fündig. Für Modehändler und kleine Designer, die keinen Versanddienst anbieten, ist diese Entwicklung besonders bitter. Den Laden vor Ort zu betreiben und einen Onlineshop zu pflegen, übersteigt schnell die Kapazitäten junger Designer und kleiner Labels. Die tun sich schon schwer mit Ladenmieten. Hinzu kommt noch der Platz, den es für ein etwaiges Atelier braucht. Die traurige Konsequenz ist, dass man auf eines von beidem verzichten muss – Onlineshop oder Laden. Beides geht nur selten. Ein Teufelskreis beginnt.
Um trotzdem von der eigenen Boutique leben zu können, gibt es aber viele nützliche Ansätze von Menschen, die sich Gedanken machen und gern ihre Ideen an den Einzelhandel weitergeben. Auf der Mercedes Benz Fashion Week lud „Fashion Exchange“ (FAEX) zu einer Podiumsdiskussion ein, die sich mit genau dieser Problematik beschäftigt. Bei FAEX finden sich Produkte abseits von Mainstream und Massenware für den individuellen Style. Independent Fashionlabels, die vom Entwurf bis zur Produktion auf Qualität und faire Herstellungsbedingungen achten, und die so die neuesten Trends in die unterschiedlichsten Städte bringen. Wie das gelingen kann?
Axel Bree, der das familiengeführte Taschenunternehmen vor einiger Zeit verlassen hat, sieht den entscheidenden Ansatzpunkt darin, dass man die Leute in die Stadt bekommen muss. Ob man sich da am Beispiel Berlins, Saarbrückens oder jeder anderen mittelgroßen Stadt oder Großstadt die Lage anschaut – die infrastrukturellen Defizite tragen nicht dazu bei. Parkplätze zu finden ist eine Herausforderung, öffentliche Verkehrsmittel sind in Großstädten zwar besser vernetzt, doch ist mit ihnen bestenfalls der Bedarfskauf machbar. „Die Leute sollen ja zum ‚Buying‘, also ausgiebigem Shopping animiert werden. Hinzu kommt, dass online ein wahnsinniger Preiskrieg betrieben wird. Vor allem unter den großen Marken, Stichwort UVP. Da kommt der Einzelhandel vor Ort nicht mit“, sagt Axel Bree.
Kooperationen stärken den einzelnen
Sein Vorschlag: „Der Einzelhandel muss einen Erlebniskauf offerieren. Darin sehe ich ein Riesenpotenzial. Man muss erst off- und dann vielleicht online liefern können. Das hat der Einzelhandel verpennt.“ Showräume, wie sie FAEX in Deutschland verteilt öffnet, sind die Schnittstelle. Denn man kann bestellen, was vor Ort gegebenenfalls nicht verfügbar ist.
Wenig förderlich ist auch ein Standortwechsel. In kleinen Städten fällt es nicht so schwer ins Gewicht, wie in Großstädten. Denn der Standort bindet ganz klar Stammkundschaft.
Hinter sich FAEX verbirgt Geschäftsführer Ingo Müller-Dormann und mit ihm die Idee, unabhängige Designer in ihrem kreativen Prozess zu unterstützen. Stückweise entsteht ein immer größeres Netzwerk von Kreativen und Experten aus den Bereichen Wissen, Produktion, Vertrieb und Finanzierung, die alle ihr Know-how einbringen und letztlich die Vertriebskanäle optimal vernetzen. Modelabels können ihre Kollektionen online und offline durch innovative Vertriebskonzepte einer breiten Zielgruppe präsentieren. Mit den FAEX-Events, Pop-Up-Stores und der Zusammenarbeit mit Händlern werden Produkte, die sonst nur online oder im Atelier erhältlich sind, bundesweit für Kunden verfügbar.
Entscheidend für die Teilnahme an der Fashion-Exchange Plattform ist, dass die angebotenen Produkte einer hohen Qualität unterliegen und dass transparente Produktionskanäle eingehalten werden. FAEX arbeitet deswegen ausschließlich mit inhabergeführten Labels zusammen. Designer, die sich bereits etabliert haben, nutzen das Vertriebsnetz für ihre Marke. Nachwuchsdesigner werden beim Markteintritt unterstützt. Die Kollektionen sprechen eine anspruchsvolle Kundschaft an. Qualität und Individualität stehe dabei ganz klar im Vordergrund, weshalb Shoppingcenter kategorisch ausgeschlossen sind. „Wir wollen eine Direktverbindung zu den Designern – wir geben Ansätze, was die Einzelhändler machen können“, sagt Müller-Dormann.
Wer Kleidung ohne eigene Kreationen vertreibt, dem ist damit geholfen, das Sortiment zu erweitern. Wer sich regionale Player aus anderen Bereichen mit ins Boot holt und so quasi das ganze „Paket“ liefern kann, punktet. Da können neben Kleidungsstücke regionale Produkte wie Gewürze, Öle, Schmuck, Weine oder sonstiges das Angebot abrunden. Kleine Events in regelmäßigen Abständen bindet die Kunden genauso, die einer persönlichen Einladung beim Shoppen gern folgen.
Weitere Informationen zu FAEX:
www.fashion-exchange.eu