Als Ministerpräsident des kleinsten Flächenlandes hat man es schwer im Fahrwasser der Bundespolitik. Schnell gerät man in den Strudel der großen Länder wie NRW oder Bayern. Es bedarf immer Geschick und Taktik, aber auch ein Quäntchen Glück, sich trotzdem zu behaupten.
Es gibt Augenblicke in der zweijährigen Zeit als Ministerpräsident, die haben sich Tobias Hans mit Sicherheit eingeprägt. Dazu gehört wohl auch seine erste Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) in Berlin im Frühsommer 2018. Hans war gerade drei Monate im Amt und eigentlich frohgemut, sein Leitthema „gleichwertige Lebensverhältnisse" bei der MPK ganz oben auf die Agenda zu setzen. Doch im Freistaat Bayern standen zu dieser Zeit Landtagswahlen an, und die CSU war aufgrund schlechter Umfragewerte ordentlich auf Krawall gebürstet. Allen voran Innenminister Horst Seehofer, der den neuen bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder nach Kräften unterstützen wollte. Damals stand immer noch die Flüchtlingskrise auf der Tagesordnung. Er musste Punkte sammeln in der bayrischen Heimat. Er wollte konsequente Härte an der Grenze zeigen.
Bei der damaligen Ministerpräsidentenkonferenz knallte Söder seinen Amtskollegen ein entsprechendes Positionspapier auf den Tisch – und verschwand dann einfach. Er ließ seine übrigen 15 Kolleginnen und Kollegen einfach sitzen, schließlich hatte er aus seiner Sicht Besseres zu tun. Auch Tobias Hans, damals turnusgemäß Vorsitzender der MPK, war mehr als konsterniert. Ein Vertreter der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei brachte es auf den Punkt: „Da hat der Söder mal die ganze Party in Klump gehauen."
Heute hat Tobias Hans bei der Erinnerung an diese denkwürdige Sitzung nur noch ein Schmunzeln übrig, „Ministerpräsidentinnen und Präsidenten sind schon sehr selbstbewusste Leute, und als Chef dieser Runde muss man dann mit solchen Vorkommnissen auch lernen umzugehen." Tatsächlich sind solche Auftritte eines Länderchefs in der Ministerpräsidentenkonferenz eher die seltene Ausnahme.
Tobias Hans hat es trotzdem geschafft, sein Thema, den Kampf für gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland, prominent auf die Tagesordnung der Bundespolitik zu setzen. Vor allem die Länder in Ostdeutschland sind froh, aus dem tiefsten Westen endlich einen Verbündeten gefunden zu haben. Dabei hat der saarländische Ministerpräsident auch zwei enge Mitstreiter aus der SPD gefunden, Manuela Schwesig, Landeschefin in Mecklenburg-Vorpommern und Dietmar Woidke aus Brandenburg. Im Sommer vergangenen Jahres legte dann die „Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse" ihren „Plan für Deutschland" vor.
Es zeichnet die Arbeit der Länder im Bundesrat aus, dass hier weniger das Parteibuch, sondern vielmehr das jeweils ureigene Interesse der Länder zählt. Diesbezüglich legendär ist der Pakt zwischen dem damaligen bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Horst Seehofer und seinem Thüringer Amtskollegen Bodo Ramelow von der Linkspartei. Ramelow stimmte für die inzwischen gescheiterte Pkw-Maut für Ausländer und bekam dafür die Stimmen der Bayern für eine Eisenbahnstrecke.
Hartnäckig Verbündete organisieren
Für Tobias Hans ist klar: „Mein Auftrag auf Bundesebene ist es, etwas für das Saarland rauszuholen, dafür bin ich im Bundesrat." Das muss aber nicht zwingend gleich mit ungewöhnlichen Deals einhergehen, braucht aber immer Verbündete. „Beim Stahl ist es mir in meiner Zeit als Vorsitzender der MPK gelungen, alle 16 Länder unter einen Hut zu bekommen und so die Bundesregierung unter Druck zu setzen." Hans spielt damit auf den Stahlbeschluss von Brüssel aus dem März 2018 an, der bei der Ministerpräsidentenkonferenz im vergangenen Herbst in Bayern auf sein Drängen hin um eine CO2-Komponente noch erweitert wurde. Damit, sagt Hans, soll einer klimaverträglichen Stahlproduktion hier in Deutschland Rechnung getragen werden. Die Bundesregierung hat somit den Auftrag von den 16 Ministerpräsidenten, Deutschland vor Billigstahl aus China zu schützen, der nicht klimafreundlich produziert wurde und damit um ein Vielfaches billiger ist. Die Stahl-Initiative des Saarlandes hat Tobias Hans mehr als einen Achtungserfolg bei seinen Amtskollegen im Bundesrat eingebracht. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bescheinigt ihm politischen Überblick und vor allem Bodenständigkeit. „Der Tobias Hans ist ein Typ, wo ich denke, der passt zu uns Sachsen. In der Art eher zurückhaltend, aber in der Sache dann hier im Plenum der Länderkammer auf den Punkt." Diese Zurückhaltung im Bundesrat ist, was den meisten aufgefallen ist. Tobias Hans ist ganz offenbar kein Freund der Dampfplauderei. Einmal im Monat am Freitag ist Sitzung des Bundesrates. Um Punkt 9.30 Uhr klingelt der Bundesratspräsident, derzeit Dietmar Woidke, mit dem Glöckchen, der offizielle Teil beginnt. Allerdings trudeln die Landeschefs mit ihren Mitarbeitern ab kurz nach 9 ein. Die knappe halbe Stunde wird für letzte Absprachen, aber sehr, sehr oft auch einfach nur für ein Schwätzchen genutzt. Ob Armin Laschet, Manuela Schwesig, Winfried Kretschmann oder bis vor Kurzem Bodo Ramelow, parteiübergreifend gibt es immer eine kleine Anekdote, die man untereinander austauscht. In dieser Runde ist Tobias Hans nicht gesichtet worden. Er betritt immer erst auf den Punkt, zum Klingeln des Glöckchens den Saal. Trotz dieser zurückhaltenden Art, einen richtig guten Kumpel hat Tobias Hans in der Runde der Ministerpräsidenten längst gefunden: Daniel Günther. Der Ministerpräsident aus Schleswig-Holstein gehört mit Tobias Hans zwar nicht mehr zu den oft beschriebenen „jungen Wilden" in der Union, aber zumindest sind die beiden die jüngsten Ministerpräsidenten nicht nur innerhalb der Union, sondern der Republik. „Nicht ganz", protestiert Daniel Günther im FORUM-Gespräch, „Tobias ist ja wesentlich jünger als ich." Knapp fünf Jahre liegen zwischen den beiden. Das ist der Grund, warum sie sich nicht mehr aus den Tagen bei der Jungen Union kennen. „Wir haben uns später in den Funktionen der jeweiligen Partei- und Parlamentsarbeit kennengelernt, sind uns da halt immer über den Weg gelaufen. Und da war Tobias Hans immer jemand, auf dessen Wort ich mich verlassen konnte." Beide verbinden auch die Herausforderungen in ihren Ländern, auch wenn diese gut 800 Kilometer auseinanderliegen. Schleswig-Holstein hat ebenso wie das Saarland mit massivem Strukturwandel zu kämpfen. Diesbezüglich ist Tobias Hans derzeit in Sachen Kohleausstieg unterwegs mit gleich vier weiteren Länderchefs. Dabei geht es Hans im übergeordneten Sinne wieder einmal um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Diesmal bei der Abfindung für den Kohleausstieg. Als vor acht Jahren das letzte Steinkohlebergwerk im Saarland stillgelegt wurde, war der Bund nicht zu größeren Abfindungen bereit. Nun wurde der Ausstieg aus der Braunkohle beschlossen, und die betroffenen Länder sollen über 40 Milliarden Euro Strukturhilfen erhalten. Deshalb kämpft der saarländische Ministerpräsident für eine ähnliche Abfindung für den saarländischen Steinkohleausstieg, sozusagen als Nachschlag.