Viele Menschen hungern gerade, erhoffen sich positive Wirkungen auf die Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden. Aber auch außerhalb der Fastenzeit gibt es viele Gründe für Verzicht. Aber nicht für jeden Menschen eignet sich eine solche Kur.
Mit dem Ende der Faschingszeit starteten viele Menschen in die Fastenzeit. Traditionell bereiten sich gläubige Christen währenddessen auf Ostern und damit auf die Auferstehung Jesu vor. Die Idee dahinter: eine stärkere Beziehung zu Gott durch den Verzicht auf Nahrung oder Genussmittel. Mittlerweile geht es für viele Fastende aber um andere Dinge. Sie erhoffen sich, ein paar Kilo abzunehmen, ihre Gesundheit zu verbessern oder innere Ruhe zu finden. Aber was bringt Fasten wirklich?
Seit Jahrhunderten schreiben Ärzte wie Philosophen dem Fasten eine besondere Heilkraft zu. „Statt Medizin zu nehmen, faste heute lieber", empfahl schon der antike griechische Schriftsteller Plutarch. Immer mehr setzt sich nun die wissenschaftliche Forschung damit auseinander, inwiefern auch Schulmediziner das Fasten künftig wie eine bewährte Medizin verschreiben könnten. Denn längere Essenspausen haben messbare Auswirkungen auf den menschlichen Körper. Bekommt der Körper statt der täglichen 2.000 Kalorien plötzlich nur noch 500 Kalorien an Energie muss er sich anpassen. Die Folge: Der Stoffwechsel verändert sich, stellt auf Sparmodus um und greift auf seine Energiespeicher Glykogen, Fett und Protein zurück. Zunächst wird Zucker abgebaut. Der befindet sich als Glykogen in der Leber und in den Muskeln. Diese Reserven sind jedoch nach spätestens 24 Stunden aufgebraucht. Als nächstes wird Eiweiß abgebaut: Proteine, die sich zum Beispiel im Darm oder in den Muskeln befinden, liefern Energie. Aber nur für eine begrenzte Zeit, denn wenn der Körper zu viel eigenes Protein verliert, wird es lebensgefährlich. Erst dann – nach etwa vier Tagen – geht es an die Fettreserven. Das Fettgewebe eines gesunden, 70 Kilogramm schweren Mannes würde theoretisch reichen, um ihm über 70 Tage ohne Nahrung genug Energie zum Überleben zu liefern. Der Abbau der Fettreserven hat allerdings auch einen unschönen Nebeneffekt: Man fängt an zu stinken. Über den Schweiß und die Atemluft entsorgt der Körper Acetessigsäure, ein sogenannter Ketonkörper, der beim Fettverbrennen entsteht.
Messbare Wirkungen auf den menschlichen Körper
Für den Körper bedeutet diese Umstellung zunächst Stress. Daher fühlen sich viele Fastende am Anfang oft unwohl, sind nervös oder sogar aggressiv. Wird freiwillig gefastet, verschwinden diese Gefühle meist recht schnell. Stattdessen tritt etwas anderes ein. Bereits nach kurzer Zeit des Nahrungsentzugs fährt das Gehirn die Produktion des Glückshormons Serotonin hoch. Hält die Fastenperiode nun länger als ein paar Tage an, bleibt das Hormon auch länger im Blut und kann dort seine stimmungsaufhellende Wirkung entfalten. Es entsteht das sogenannte Fasten-High. Forscher konnten zudem Hinweise darauf finden, dass durch das Fasten neben Serotonin auch körpereigene Opioide, also Schmerzmittel, und Endocannabinoide in größerer Anzahl im Gehirn verfügbar seien. Endocannabinoide sind cannabisähnliche Stoffe, die vom Körper selbst produziert werden.
Während beim religiösen Fasten Christen traditionell 40 Tage und Muslime während des Ramadans 29 bis 30 Tage fasten, hängt die Dauer beim gesundheitlichen Fasten vom individuellen Gesundheitszustand und der gewählten Methode ab. Da wäre zum Beispiel das Null- beziehungsweise Wasserfasten. Das ist die strengste Form des Fastens. Statt fester Nahrung nehmen Fastende energiefreie Getränke wie Wasser oder Tee zu sich. Zu beachten ist dabei, dass die Vitamin- und Mineralstoffzufuhr ausbleibt. Bei kurzen Fastenzeiten, zum Beispiel eine Woche, kann der Körper auf Reserven zurückgreifen und den Nährstoffmangel ausgleichen. Fastet man über einen längeren Zeitraum, können häufig Kreislaufprobleme, Müdigkeit, Muskelkrämpfe oder Kopfschmerzen auftreten. Außerdem kommt es zu einem Abbau von Muskeleiweiß. Diese Fastenform sollte nur unter ärztlicher Aufsicht zum Beispiel in einer Fastenklinik durchgeführt werden. Um den Abbau von körpereigenem Eiweiß zu verhindern, kommen beim modifizierten Fasten Shakes oder Suppen mit einem hohen Eiweißgehalt zum Einsatz. Leistungsfähigkeit und persönliches Wohlbefinden sind deutlich besser als beim strengen Fasten. Gesunde Menschen können auf diese Weise für kurze Zeit, etwa eine Woche, fasten.
Eine besondere Form des Fastens ist das Heilfasten, eines der ältesten Naturheilverfahren der Welt, das auf den Mediziner Dr. Otto Buchinger zurückgeht. Zum Einstieg wird an sogenannten Entlastungstagen nur leichte Kost wie reife Äpfel, Reis oder Naturjoghurt gegessen. Parallel wird der Darm mit abführendem Glaubersalz gereinigt. Während der Kur nehmen die Fastenden ausschließlich flüssige Kost zu sich. Erlaubt sind neben Tee und Wasser auch Gemüsebrühe, Obst- und Gemüsesäfte. Wichtig bei der Buchinger-Methode, die oft auch in Form eines Klinikaufenthaltes stattfindet, ist außerdem der Dreiklang aus Körper, Geist und Seele. Neben den medizinischen Aspekten und gegenseitiger psychosozialer Motivation etwa in Gruppensitzungen, soll hier auch eine spirituelle Dimension berücksichtigt werden.
Hormone sind schuld am „Fasten-High"
Besondere mediale Aufmerksamkeit kam in letzter Zeit dem Intervallfasten zu. Auch hier gibt es viele verschiedene Varianten. Je nach Modell verzichten Fastende 16 Stunden bis zwei Tage auf feste Nahrung. Beim 16:8-Fasten etwa darf man acht Stunden am Tag essen, die restlichen 16 nicht. Außerdem kann man an jedem zweiten Tag fasten oder im Fünf-zu-Zwei-Modell an zwei frei wählbaren Tage in der Woche. Meist wird an den Fastentagen maximal ein Viertel der eigentlich benötigten Kalorien gegessen –
ähnlich wie beim Heilfasten nach Buchinger. An den fastenfreien Tagen gelten keinerlei Ernährungsregeln. Im Gegensatz zu den anderen Fastenmethoden soll das Intervallfasten dauerhaft durchgehalten werden und ist besonders zum Abnehmen geeignet.
Wie hilfreich Fasten tatsächlich ist, darüber streitet die Wissenschaft. Kritiker bemängeln, dass es keine großen klinischen Studien gibt, bei denen über Jahre hinweg eine repräsentative Menge an Menschen regelmäßig gefastet hat und mit einer nicht-fastenden Kontrollgruppe verglichen wurde. Befürworter des Fastens hingegen berufen sich auf Studien in kleinerem Rahmen, beispielsweise über drei Monate hinweg. Sie liefern Hinweise, die für positive Effekte des Fastens sprechen. Die US-Forscherinnen Ruth Patterson und Dorothy Sears fanden in der Fachliteratur 16 verschiedene Studien, in denen Menschen bei Intervallfastenkuren untersucht wurden. In elf der 16 Studien sank das Körpergewicht der Testpersonen. Auch Schlaf und Verdauung werden besser, wenn man ein paar Stunden vor dem Schlafengehen nichts mehr zu sich nimmt. Eine „Kalorienzufuhr eher früh am Tag und ein verlängertes Fastenintervall in der Nacht könnten das Risiko für verschiedene, häufige chronische Krankheiten senken", schreiben Patterson und Sears im Fachjournal „Annual Review of Nutrition".
Wissenschaft streitet noch über Wirksamkeit
Andere Studien deuten darauf hin, dass Fasten auch bei Krankheiten wie Rheuma oder chronischen Schmerzen des Bewegungsapparats helfen kann. Die Beschwerden sollen sich bessern und die Entzündungsparameter zurückgehen. Die tschechische Ernährungswissenschaftlerin Dr. Hana Kahleova fand heraus, dass sich auch Diabetes Typ 2 durch Intervallfasten bessern kann. Vor allem die sogenannte Fettleber schmelze durch die Fastenintervalle, was einen positiven Einfluss auf die Krankheitsentwicklung habe. Auch bei Adipositas soll Fasten hilfreich sein und vor allem beim Start in ein neues Ernährungsverhalten helfen. Zudem sprechen verschiedene Untersuchungen dafür, dass Fasten den Blutdruck senken kann. Dieser steige zwar nach Fastenende wieder an, erreiche aber nicht mehr die Anfangswerte. Aufsehen erregte auch die Studie des Molekularbiologen Changhan David Lee und seiner Kollegen, die im Versuch an Mäusen Krebszellen durch Fasten kurzzeitig aushungern und schrumpfen konnten. Auch Forscher um Valter Longo von der University of Southern California in Los Angeles fanden heraus, dass Mäuse, die vor einer Chemotherapie hungern mussten, besser auf die Behandlung ansprachen. Die Wissenschaftler vermuten, viele Tumorzellen seien besonders anfällig gegenüber dem durch Nahrungsentzug hervorgerufenen Stress. Inwiefern dies für Tumorpatienten tatsächlich von Nutzen sein kann, muss sich aber erst noch in der klinischen Praxis erweisen. Das vielfach beworbene Versprechen, Fasten würde den Körper entschlacken, ist wissenschaftlich übrigens nicht korrekt. Denn wissenschaftlich gesehen existiert keine wie auch immer geartete „Schlacke" im menschlichen Körper. Was es gibt, sind physiologische Abbauprodukte, die bei einigen Krankheiten wie Rheuma und Arthritis anfallen. Diese Stoffe aber können erst nach sehr langer Fastendauer ausgeschieden werden – wenngleich positive Effekte auf die Krankheiten möglich sind.
Für gesunde Erwachsene wird Fasten in der Regel als gut verträglich und risikolos angesehen. Allerdings kann es auch zu Nebenwirkungen wie etwa Kreislaufproblemen, leichter Unterzuckerung, Störungen im Elektrolythaushalt, Kopfschmerzen, Migräneanfällen, Hexenschuss, Muskelkrämpfen, vorrübergehenden Sehstörungen oder Wassereinlagerung und Schlafveränderungen kommen. Manchen Menschen wird explizit davon abgeraten zu fasten. Dazu zählen Menschen über 65 Jahre, Kinder unter 16 Jahren, Schwangere, stillende Mütter und Untergewichtige: Für sie kann der Angriff auf die Energiereserven gefährlich werden. Auch Menschen mit Essstörungen oder seelischen Problemen wird teilweise wegen der psychischen Wirkung vom Fasten abgeraten. Wer sich erst durch das Weglassen von Nahrung gut und glücklich fühlt, kann leicht in eine Art Abhängigkeit rutschen. Auch bei vielen chronischen Erkrankungen ist Fasten tabu. Krebspatienten sollten unbedingt darauf verzichten, ebenso wie Herzkranke. Sinkt der Kaliumspiegel zu stark, kann es zu Störungen des Herzrhythmus kommen. Bei Gichtpatienten kann Fasten einen Anfall auslösen, da der Harnsäurespiegel im Blut steigt. Auch Patienten mit Leber- oder Nierenerkrankungen wird abgeraten, denn die Ausscheidungsorgane leisten beim Hungern Schwerstarbeit. Wer mit dem Gedanken spielt zu Fasten, sollte vor Beginn am besten einen Arzt aufsuchen.