Eine neue Studie scheint zu belegen, dass Übergewicht das Risiko für Asthma deutlich erhöhen und dessen Krankheitsbild verschlimmern kann. Je höher der BMI, desto höher die Verfettung der Lungenwände.
Dass Adipositas eines der größten Gesundheitsprobleme der Gegenwart ist, weil inzwischen fast jeder dritte Mensch auf dem Globus als übergewichtig eingestuft werden kann, dürfte allgemein bekannt sein. Und dass überflüssige Pfunde ursächlich für schwere Erkrankungen wie Diabetes, Atherosklerose, Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Leiden sein können, dürfte auch jedem bewusst sein. Dass es auch einen direkten Zusammenhang zwischen Asthma oder anderen Lungenerkrankungen, die die Bronchien verengen, und Adipositas geben könnte, wurde schon länger vermutet. Allerdings war man in der Forschung bislang meist davon ausgegangen, dass die Lungenfunktion und -kapazität vor allem aufgrund des vom massiven Bauchfett ausgeübten mechanischen Drucks eingeschränkt und dadurch entzündliche Vorgänge ausgelöst werden.
Auf den Gedanken, dass sich bei Menschen jenseits eines Body-Mass-Index (BMI) von 30 Fett auch im Lungeninnern selbst einlagern und dadurch möglicherweise Atemwegserkrankungen beeinflussen könnte, war bis zu den Forschungen eines internationalen Teams um John Elliot von der University of Western Australia in Crawley niemand gekommen. Daher war diese Erkenntnis, die Ende 2019 im Fachmagazin „European Respiratory Journal" nachzulesen war, eine wissenschaftliche Sensation. Auf diese war das Team im Rahmen einer Studie gestoßen, für die es Lungengewebeproben von 52 Verstorbenen mit und ohne Asthma-Erkrankung untersucht und verglichen hatte. Elliot: „Unser Forschungsteam beschäftigt sich mit der Struktur der Atemwege in den Lungen und wie diese bei Patienten mit Atemwegserkrankungen verändert ist. Dabei stellten wir fest, dass sich manchmal Fettgewebe in den Wänden der Atemwege anreichert."
Weitere Untersuchungen nötig
Den Forschern stellte sich sogleich die Frage, ob es bei diesen beobachteten Fettablagerungen womöglich einen direkten Zusammenhang mit einem Übergewicht des jeweiligen Probanden gab. Und wenn ja, welche Folgen das für die Entstehung oder die Förderung einer Asthmaerkrankung haben könnte. Mithilfe von Farbstoffen führten die Wissenschaftler detaillierte Analysen von fast 1.400 Atemwegen aus den Lungengewebeproben unter dem Mikroskop durch. 15 der verstorbenen Probanden hatten nicht an Asthma gelitten, 21 waren zwar an Asthma erkrankt, aber an anderen Ursachen gestorben, bei 16 war Asthma die Todesursache. Der BMI der Probanden war bekannt. Es stellte sich heraus, dass Fettzellen in der Lunge hauptsächlich bei übergewichtigen Probanden lokalisiert werden konnten. Je höher der BMI war, desto mehr adipöses Gewebe hatte sich ausgebildet, wobei sich das Fettgewebe vor allem an den Außenwänden der größeren Atemwege, sprich den Bronchien angelagert hatte. Die Menge beziehungsweise Fläche der Fettansammlungen nahm mit dem BMI und der Wandstärke der Atemwege zu. Außerdem konnten in dem adipösen Gewebe der asthmatischen Übergewichtigen zwei Arten von weißen Blutkörperchen – neutrophile und eosinophile – stark vermehrt registriert werden, die gemeinhin bei der Immunabwehr aktiv werden und in der verfetteten Lunge möglicherweise ursächlich für stetige Entzündungsreaktionen sein könnten. Bei den atemwegsgesunden Übergewichtigen war in der Fettansammlung lediglich die Zahl der Neutrophilen erhöht.
Die Forscher gehen davon aus, dass die Fettablagerung in der Lunge direkte Auswirkungen auf eine Asthma-Erkrankung haben kann. „Wir haben festgestellt", so der Physiologe und Mitautor der Studie Peter B. Noble von der University of Western Australia, „dass sich überschüssiges Fett in den Atemwegen ansammelt, wo es Platz einnimmt und die Entzündung in der Lunge zu verstärken scheint. Wir glauben, dass dies zu einer Verdickung der Atemwege führt, die den Luftstrom in und aus der Lunge einschränkt und zumindest teilweise das Auftreten von Asthma-Symptomen erklären könnte." Der erschwerte Luftfluss durch die Lungen könnte also ein neuer Erklärungssatz dafür sein, dass Übergewichtige häufiger an Asthma leiden oder die Krankheitssymptome bei ihnen stärker ausfallen. Daraus kann auch abgeleitet werden, dass Übergewichtige keineswegs häufig nur keuchen, weil ihre Körpermasse auf die Lungen drückt und ihre Kurzatmigkeit auf Veränderungen der Atemwege zurückgeführt werden kann, die mit ihrer Fettleibigkeit verbunden sind. Was natürlich nicht bedeutet, dass andere Ursachen für Atemwegserkrankungen wie genetische Komponenten, systemische Entzündungsprozesse, schädliche Umwelteinflüsse, Stoffwechselstörungen oder falsche Ernährung nun nicht mehr so wichtig wären.
Fettleibigkeit verschlimmert Beschwerden
Ungeklärt blieb durch die Studie, die vergleichsweise klein war und möglichst durch Untersuchungen mit größeren Gruppen erhärtet werden sollte, ob durch eine Gewichtsreduktion die krankhaften Veränderungen der Atemwege wieder rückgängig gemacht werden können. Eine 2018 im „Journal of Allergy and Clinical Immunology" veröffentlichte Studie, derzufolge Abspecken zu einer Verbesserung des Asthmaleidens führen könnte, scheint dies immerhin für möglich zu halten. Mit Blick auf die Ergebnisse des Teams um John Elliot geben die in der Deutschen Lungenstiftung organisierten Lungenärzte Asthmatikern folgenden Rat: „Um eine zusätzliche Verengung der Atemwege durch die Einlagerung überschüssigen Fettgewebes zu verhindern und damit das Risiko für eine Verschlimmerung der Asthmabeschwerden zu senken, sollten Asthmatiker auf ein gesundes Körpergewicht achten und überschüssige Pfunde möglichst konsequent abbauen." Und weiter: „Die neue Beobachtung, dass Adipositas auch eine Verdickung der bronchialen Atemwege verursacht, kann aber plausibel erklären, warum sich die Asthmabeschwerden bei Fettleibigkeit oft verschlimmern."
Nicht nur Erwachsene leiden unter Asthma, sondern auch Kinder. Im Jahr 2018 schon Wissenschaftler des Medical Centers der US-amerikanischen Duke University einen Zusammenhang zwischen dem Übergewicht bei Kindern und dem Risiko von Asthma-Erkrankungen nachgewiesen. Nach Auswertung der Daten von mehr als einer halben Million Kindern im Alter zwischen zwei und 17 Jahren kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass Kinder mit Übergewicht ein um 17 Prozent höheres Risiko haben an Asthma zu erkranken als ihre normalgewichtigen Altersgenossen. Fettleibige Kinder haben demnach sogar ein um 30 Prozent höheres Erkrankungsrisiko.