Aus Asien über Amerika schwappt derzeit eine neue Pflegewelle über die europäische Damenwelt. Der Intimbereich rückt bei der sogenannten V-Beauty als angesagter Lifestyle- und Wellness-Trend in den Fokus.
Die deutsche Ausgabe der „Vogue" hat kürzlich die weibliche Intimpflege zum „größten Wellness-Trend 2019" deklariert. Eine Einschätzung, die auch von anderen Blättern hierzulande wie der „Elle" oder der „Gala", aber auch von Web-Portalen wie Modepilot.de geteilt wird. Hintergrund ist eine aktuelle Studie der Beauty-Abteilung des renommierten Trendforschungsinstituts WGSN, das der Intimpflege-Branche für die nächsten Jahre einen wahren Boom prognostiziert hat. Im Jahr 2026 sollen über 33 Milliarden Euro umgesetzt werden können. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass in diesen Wert nicht nur der wahrscheinliche Absatz von Pflegecremes, Waschlotionen, Sprays, Peelings, Ölen oder Tuchmasken für „down under" eingeflossen sind, sondern auch von Produkten wie Vibratoren oder Trainingsgeräten für den Beckenboden. WGSN war auf das neue Trend-Thema Intimpflege, das in westlichen Ländern bis dahin, da tabubelastet, kaum öffentlich behandelt wurde, im Jahr 2017 bei Recherchen in Tokio aufmerksam geworden.
„Bei uns rückte es gleichzeitig mit der #MeToo-Bewegung in den Fokus", so WGSN. „Die Vagina ist wieder zum Thema geworden, nicht nur darauf bezogen, wie man sie pflegt und präsentiert, sondern auch, wie man sich ihr annehmen sollte." Der Hinweis auf die #MeToo-Bewegung war natürlich eine willkommene Steilvorlage und wurde beispielsweise von der „Gala" in „V-Time ist die neue Me-Time" verwandelt. Das „V" wird als Abkürzung für Vulva oder Vagina verwendet. Ganz im Sinne der Body-Positivity-Bewegung soll frau sich auch in Sachen Intimpflege eine neue, selbstbewusste Offenheit zulegen und die gewohnte Verwöhnroutine auf die Bikinizone erweitern. „Wichtig hier", so die „Elle": „Das Thema Wellness steht im Fokus, nicht die optische Optimierung der Vagina. Durch Masken, Cremes und Pflegeöle soll die Vulva mit Feuchtigkeit versorgt werden und einen Moment der Pflege geschenkt bekommen – Me-Time für den Intimbereich sozusagen."
Die Frage, ob diese intensivierte V-Pflege, auch schon mal als „Sexual Wellness" bezeichnet, unbedingt sein muss, ob man dem Intimbereich wirklich die gleiche Beauty-Aufmerksamkeit wie dem Gesicht schenken sollte, wurde dabei eigentlich nie gestellt. Was, wenn sich dahinter eigentlich nur eine geschickte Marketing-Kampagne von cleveren Beauty-Unternehmen verbirgt? Oder kann es wirklich schon als ein ausreichender Grund angesehen werden, Cleanser oder Moisturizer aus der Gesichtspflege nun auch im Intimbereich einzusetzen, nur weil dies in asiatischen Ländern offenbar schon länger ausprobiert wurde? Wird künftig wirklich kein Weg mehr an einer „Vagiküre" vorbei führen, ein Werbeschlagwort, das sich Avonda Urben, die Gründerin der dänischen Intimpflegeserie „The Perfect V", die es inzwischen auch im Douglas-Sortiment gibt, ausgedacht hat. Urben: „Ich spreche immer von Vagiküre, so wie wir die Hände oder Füße mit Maniküre oder Pediküre pflegen, sollte das untenrum doch auch selbstverständlich sein."
Die Vagiküre bietet einen Markt für neue Pflegeprodukte
Die entsprechenden Produkte laden regelrecht zum Shoppen ein, wie die „Elle" unkritisch schwärmte: „Die Optik hilft dabei, sich von der Peinlichkeit zu verabschieden: Ästhetisch verpackte Produkte haben nichts an sich, für das man sich im weitesten Sinne schämen könnte, sie zeugen vielmehr von Qualität und sollen Frauen ein gutes Gefühl geben. Schon beim Shoppen, später dann im Badezimmer. Die Wahl der Inhaltsstoffe spielt auch eine wichtige Rolle, es wird mit Natürlichkeit gearbeitet und Trendwörter wie ‚vegan’ fallen." Zudem könnten Frauen als willkommenen Nebeneffekt ihre intimsten Körperteile viel besser kennenlernen, weil diesbezüglich noch vieles im Argen liege. Vielen Ladys sei die Anatomie ihrer Vagina noch immer ein Rätsel, vor allem was den Unterschied zwischen Vagina und Vulva betreffe. Als Beleg für diese These wurde in diversen Publikationen auf eine aktuelle Befragung britischer Frauen durch das internationale Marktforschungsinstituts You Gov verwiesen.
Während die Anwendung der diversen Pflegeprodukte im äußeren Schambereich (der Vulva) relativ unbedenklich ist, wird es drinnen in der Vagina ziemlich heikel. „Die Vagina sollte nicht mit Produkten gepflegt werden", so die Frankfurter Gynäkologin Senait Trapp in einem Artikel in der „Zeit". Denn dadurch wird die natürliche Schutzflora geschwächt und das Risiko der Ausbreitung von Darmbakterien erhöht. „Vielleicht riecht die Vagina dann kurz nach Blumen statt nach Joghurt", so Senait Trapp, „allerdings holt man sich so leichter einen Infekt." Selbst bei den gebräuchlichen Intimwaschlotionen sollten die Produkte einen ph-Wert aufweisen, der ungefähr dem natürlichen ph-Wert entspricht. Auch Vaginal-Dampfbäder, die dank Gwyneth Paltrow als Detox-Kur in den USA schon sehr en vogue sind, werden von den meisten Gynäkologen als ziemlich kritisch beurteilt, weil auch das Steaming der Intimzone den Säureschutzmantel zerstören kann.
Wer unbedingt seine Vulva pflegend verwöhnen möchte, der kann nach Rasur, Waxing oder Sugaring verschiedene Prozeduren durchführen. Peeling, Auftragen von Feuchtigkeitscremes oder Ölen. Sehr angesagt sind derzeit Produkte des Labels Fur, vor allem das „Fur Oil" (bestellbar über net-a-porter.com), das dank Inhaltsstoffen wie Salbeiöl, Teebaumöl und Jojobaöl Entzündungen oder Rötungen vorbeugen soll. Auch das „Rejuvenating Botanical Oil for Intimate Skin" der Marke Lady Suite (bestellbar über Amazon) ist sehr gefragt, weil die Ingredienzen Jojoba- und Karottensamenöl angeblich einen positiven Effekt bei einer zu trockenen Vulva, bei eingewachsenen Haaren oder Rasierpickelchen haben sollen.