Aus der Reihe der „Berliner Orte" aus dem Bebra Verlag erschien zuletzt ein Buch über einen Ort, den es schon lange nicht mehr gibt. Das Romanische Café war ein Künstlerlokal direkt neben der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Es war dort, wo sich heute das Europa Center befindet.
Verkehrten zuvor die Schriftsteller, Journalisten und Theaterleute im Café des Westens am Kurfürstendamm, zogen sie ab 1915 weiter in das „Romanische". Géza von Cziffra war einer dieser Cafégäste, und er hatte augenscheinlich ein gutes Gehör für all den Tratsch, der an den Stammtischen dort kolportiert wurde. So hatte das Café in den 20er-Jahren den Beinamen „Rachmonisches Café".
„Das Café war alles andere als schön", notiert er gleich im ersten Satz des Buches, um dann auf eine Besonderheit zu sprechen zu kommen. Für den fremden Besucher nicht erkenntlich, war das Café streng in mehrere Bereiche geteilt: Auf der einen Seite waren die „Schwimmer", die Arrivierten, die sich mit der Schreiberei über Wasser halten konnten. Auf der anderen die „Nichtschwimmer", die von Cziffra als „abenteuerliche Gestalten, aber mit durchaus bürgerlichen Ambitionen" beschreibt. Auf der Balustrade saßen die „Mondbewohner", die weltentrückten Schachspieler, unter ihnen auch der Schachweltmeister Emanuel Lasker. Auf der Terrasse tummelten sich die „Fremdlinge". Allein die Liste der Stammgäste des Cafés reicht für lange Erzählungen aus. Unter ihnen: Otto Dix, Max Liebermann, Rudolf Steiner, Billy Wilder, Erich Kästner und Bertolt Brecht, um nur einige wenige zu nennen.
Im Berlin der 20er-Jahre gab es 250 Theater, und so war der Tisch der Theaterdirektoren im Romanischen eine wichtige Anlaufstelle für unbekannte Schauspielerinnen und Schauspieler. Deren Anbahnungsversuche, die meist erfolgreich abgewehrt wurden, beschreibt von Cziffra süffisant, und auch heute noch erhält man ein gutes Bild vom wilden kulturellen Leben dieser Zeit. Eine dieser Anekdoten erzählt übrigens die merkwürdige Entstehungsgeschichte des heute noch existierenden Hebbel-Theaters an der Stresemannstraße nach.