Döner Kebap müsse doch qualitäts- und fantasievoller zu bekommen sein, als es häufig in Berliner Imbissen verkauft wird. Dachten sich drei Freunde und eröffneten ihren eigenen Laden „mit Haltung". Bei „KWA Kebap with Attitude" in Mitte gibt’s seit Mai 2019 weiterentwickelte Klassiker.
Nächster Halt: „KWA, Kebap with Attitude". Aussteigen in Fahrtrichtung rechts in den Westen, in Fahrtrichtung links gen Osten. Erst einmal geht’s aber durch den „Alexanderplatz". Der wurde mit seinem grün gekachelten Look an der Küchenwand zitiert. Doch in der Gipsstraße steht auf dem Stationsschild der Restaurantname „Kebap with Attitude". In der längsseitigen, offenen Küche drehen sich die Spieße mit Rinder- und Hähnchenfleischkegeln, die dem Lokal seinen Namen gaben. Einen handwerklichen und mit Liebe gemachten Döner zu machen, hatten sich Deniz Buchholz, Daniel Herbert und Jannis Nowinski vorgenommen, als sie im Mai 2019 ihren Laden fürs „Döner mit Haltung" eröffneten. Eigene Erfahrungen im Nachtleben gaben den Anstoß zum Besser- und Selbermachen des Streetfood-Klassikers. „Jeder kennt das doch in Berlin. Kommst du nachts aus einem Club, hältst du danach erst mal einen Döner in der Hand", sagt Deniz Buchholz.
Das, was sie manches Mal in die Brottasche bekamen, gefiel den dreien nicht. „Wir wollten einen Schritt vorwärts machen und nicht den klassischen Döner, wie es ihn 1.600-mal in der Stadt gibt", sagt Deniz Buchholz. „Besser gesagt, gehen wir einen Schritt zurück und machen ihn so, wie ihn kleine Familienbetriebe ursprünglich zubereiteten: handwerklich und mit Liebe zum Produkt." Die umfasst vor allem ein Bewusstsein für hochwertiges Fleisch, das aus Freilandhaltung aus dem weiteren Umland stammt.
Transparenz sei ebenfalls wichtig: „Wir wissen von der Schlachtung bis zum Grill, was mit dem Fleisch passiert ist", sagt Buchholz. Auch die Saucen sind hausgemacht, „nicht nur Ketchup mit irgendeiner Chili-Mischung". Die Haltung zum Tier und zur Qualität in allen Produkten ist also klar.
Die Neuinterpretationen lassen sich auf der Karte als „Zeitreise durch die Döner-Geschichte" lesen: vom „O.G.", dem originalen „Iskender Kebap", wie er Ende des 19. Jahrhunderts in Bursa von Iskender Efendi als Tellergericht kreiert wurde, bis zum „Trüffel Delüks" in der jetztzeitigen Mitte-Version. „Iskender hat als Erster den Spieß in die Vertikale gebracht", sagt Buchholz. Beim „O.G." liegt das mit Petersilienbutter beträufelte Rindfleisch mit grüner Spitzpaprika, großen, aromatischen Tomaten- und salzig eingelegten Gurkenscheiben auf einer Metallplatte. Das Ganze ist ziemlich gemüsig, sanft und lässt sich mit Fladenbrot gemütlich wegessen. „Unbedingt Tomate und Gurke dazu nehmen", sagt Buchholz. Stimmt. Die salzige Säure und das Tomaten-Umami machen das Fleisch mit dem zarten Paprika erst richtig rund.
Mit dem „KWA Klassik" erweisen wir der wahren europäischen Döner-Hauptstadt die Ehre: „Das ist das Berliner Original mit Salat im Brot." Die in einer Metallwelle aufgeständerte Brottasche ist mit Rindfleisch, Rotkohl, Salat, roten Zwiebeln, Tomaten und Gurke gefüllt. Nicht zu vergessen das „Einmal mit alles und scharf"-Topping: Knoblauch-, Kräuter- und scharfe Sauce. Hui, die Zwiebelringe und die Chilisauce ziehen so richtig! Dem Klassiker, den 1972 Kadir Nurman in seiner Imbissbude am Bahnhof Zoo erfand, ist der Weg vom schnellen Arbeiter- zum stylisheren und qualitätsbewussteren Auf-die-Hand-Essen anzuschmecken. Jede Zutat gibt sich einzeln am Gaumen zu erkennen, verbindet sich mit den anderen aber flauschig. Salat, Gemüse, Gewürze, Fleisch und Brot sind happy miteinander.
Reines Hühner- oder Rindfleisch, von Hand gesteckt
Natürlich können sämtliche Döner alternativ mit gegrilltem zyprischen Halloumi-Käse oder Falafel geordert werden. So viel vegetarischer und veganer Foodie-Zeitgeist gehört in Berlin längst standardmäßig ins Brot. Ein weiteres unverkennbares Merkmal des Berliner Döner Kebap blieb auch bei „KWA" erhalten – die Klecker-Garantie. Der erste Spritzer Sauce landet beim Zusammendrücken und Abbeißen ordnungsgemäß auf meinem Busen.
Nach der Überarbeitung des Klassik-Döners nahm sich das Trio den „KWA Tschick" vor. Der „Funky Mango"-Döner sei die erste eigene Interpretation aus Pop-ups gewesen, sagt Buchholz. Rund ums Huhn wird in Brot, in der Yufka-Wrap oder auf der Platte mit einem Mango-Cranberry-Chutney, Sesam, Koriander und einer Kokos-Mango-Sauce gespielt. Der „Smoky Tschick" wiederum verweist mit einer Smoky-Barbecue-Sauce, Cole Slaw und Röstkartoffeln sehr frei auf seinen amerikanischen Streetfood-Bruder, den Burger. Bei den Specials tobt sich das Team richtig aus. Gerade steht etwa ein „Gonzo Blue Cheese" mit Spinat, Walnüssen, Blauschimmelkäse, Birnen, Tomaten und Balsamico auf der Karte und winkt in Richtung Italien.
Der „Trüffel Delüks" auf seiner Platte lädt mit wildem Spargel und Trüffelscheiben-Auflage förmlich zum kultivierten Essen mit Besteck ein. Wir gabeln begeistert von den Röstkartoffel-Würfeln, der Trüffel-Mayo und dem Salat mit Granatapfelkernen dazu. Die erdige Wucht der „Delüks"-Knolle passt verblüffend gut zum Fleisch. Auf dieser Platte haben sich womöglich die bei ihrer Geburt getrennten Geschmacksgeschwister Rind und Trüffel wiedergefunden. Die Zeit für mehr München auf dem Teller war in Mitte wohl reif. Der „Trüffel Delüks" sei einer der Lieblingsdöner der Gäste, verrät Deniz Buchholz. Dazu ein Gläschen vom Riesling von Peth-Wetz und schon ist das dekadente Leben auch ohne Champagner schön. Spätestens jetzt wäre es Zeit für ein kollektives „Obacht!" vom Fotografen, der Foodie-Freundin und mir: So eine Portion Döner im Brot für um die acht bis zwölf Euro oder für zwölf bis 17 Euro auf der Platte ist wirklich sättigend!
Dabei hatten wir zuvor schon diverse Mezze. Sie sind für im Schnitt vier bis 6,50 Euro zu haben. Zwei oder drei mittelgroße Teller oder Schälchen der Vorspeisen ergeben fraglos eine eigene Mahlzeit. Der Hummus ist cremig und vollmundig. Die Kichererbsenpaste wird mit einem schönen bissigen Topping serviert: Pinien- und Sonnenblumenkerne, Frühlingszwiebel, Petersilie und Minze. Sumach, Öl und einige ganze Kichererbsen machen den Hummus mit Fladenbrot zu einer sehr schmackigen Angelegenheit. Die „Türkischen Empanadas" mit Rind oder Huhn und Joghurt zum Dippen überraschen ebenfalls angenehm. Die mexikanisch-türkisch-berlinerische Crossover-Teigtasche wird nachhaltig hergestellt: „Wir verwenden das Fleisch von unseren Spießen", sagt Buchholz. Die werden aus reinem Hühner- oder Rindfleisch von Hand gesteckt. Vor Ort wird allerdings inzwischen nur noch der Rinder-Kegel gebaut. „Wir haben für die Hühner-Spieße einen kleinen Betrieb gefunden, der das unseren Standards entsprechend macht."
Das empfindliche Hühnerfleisch muss beim Stecken der vielen Schichten von Hand beispielsweise konstant kühl gehalten werden. „Beim Beef haben wir noch keinen gefunden, der unseren Ansprüchen genügt." Ein fruchtiger Rote-Bete-Salat mit Trauben, Walnuss, Minze und Joghurt entwickelte sich bei den Mezze zum Favoriten des Fotografen, der eigentlich so gar kein Bete-Fanboy ist. Die türkische Grill-Tradition wird wiederum mit „Tursu", salzig eingelegtem Gemüse, gewahrt. Zu Gurken, Tomaten und Kohlstreifen gesellen sich Sumach und Petersilie.
Auch die Getränke sind alles andere als Standard
Traditionell bleiben wir auch beim Getränke-Tasting: Auf der alkoholfreien Seite wählen wir keinen Ayran aus Joghurt, sondern zwei Sorten Brause. Die klare, süße, türkische „Gazoz"-Limo tritt gegen die würzigere und weniger süße „Kreuzbär"-Fassbrause aus Berlin an. Wer lieber bodenständig Bier trinkt, ist mit Brło-Craftbeer vom Gleisdreieck oder mit einem Efes, Feliz Kulpa Smyrn’ Ale oder einem Pablo Bodrum Satsuma Wit vom Bospurus auf der sicheren Seite.
Nachdem wir in zwei genüsslichen Stunden zum Schmalerwerden der Döner-Spieße unseren Teil beigetragen haben, verlassen wir deutlich gesättigt und erheitert den blau gefliesten Mosaik-Tisch auf der „bunten" Westseite hinten im Gastraum. Das nächste Mal nehmen wir im schlichten, grauen Bereich auf der Ostseite der „Döner-U-Bahn" Platz. Bis dahin halten wir uns einfach an den Neon-Spruch oberhalb vom Pass: „Kebap your Life"!