Mit unterschiedlichsten Veranstaltungen wurde im vergangenen Jahr das Bauhaus-Jubiläum gefeiert. Tanz und Performance in dessen Tradition gibt es auch
2020 – unter anderem in Dessaus Arena.
Vor rund 100 Jahren gründete Walter Gropius das Staatliche Bauhaus Weimar, das im April 1919 seine Arbeit aufnahm. 1925 zog es nach Dessau und ging sieben Jahre später nach Berlin, wo es sich 1933 nach knapp einem Jahr auf Druck der Nationalsozialisten selbst auflöste. Dessau ist die Stadt, mit der das Bauhaus am stärksten verbunden ist. Hier hat die Reformschule am längsten gewirkt und ihre Blütezeit erlebt.
Seit letztem Jahr wird diese Geschichte im neuen Bauhaus Museum erzählt, das mitten in der Innenstadt von Dessau entstand. Ein lang gestreckter Glasquader nach Entwürfen des jungen Architektenbüros Addenda Architects aus Barcelona. Mit rund 49.000 Objekten ist die Sammlung der Stiftung Bauhaus Dessau die zweitgrößte Sammlung zum Thema weltweit. Im Museumsobergeschoss, einem dunklen Betonschlauch, werden vor allem Schülerarbeiten, Aufzeichnungen aus dem Unterricht, Entwürfe und Prototypen aus den Werkstätten gezeigt. Beispielsweise Bauhaus-Ikonen wie die Lampen von Marianne Brandt, der Wassily Chair von Marcel Breuer, die Teppiche von Gunta Stölzl oder die Skizzen und Pläne der Laubenganghäuser von Hannes Meyer, heute Weltkulturerbe.
Während in der oberen Etage die Dauerausstellung eingerichtet wurde, präsentiert sich im Erdgeschoss eine „Offene Bühne", ein Forum für Tanz, Konzerte, Theater und Diskussionen. Blickfang ist die filigrane, halbkreisförmige Skulptur „Arena" von Rita ÂMcBride mit Treppenstufen zum Sitzen, Klettern und Hindurchgehen – eine Skulptur und Bühne zugleich.
Nach Festivals und zahlreichen Events im Jubiläumsjahr stehen hier auch in den nächsten Monaten zahlreiche Veranstaltungen auf dem Programm.
Einen Eindruck, wie unterschiedlich diese Arena bespielt werden kann, gab es beim Festival „Bühne Total". Als unter anderem die Düsseldorfer Choreografin Alexandra Waierstall ihre Tänzer mal imaginären Klängen folgend durch das Halbrund schickte, sie sich dann wieder zu einem schier unentwirrbaren Knäuel verheddern ließ. Mal in Distanz zu den Zuschauern, dann wieder zwischen ihnen.
Bühne Total
Als Walter Gropius das Totaltheater entwarf, löste er die bis dahin übliche Guckkastenbühne, bei der Bühne und Zuschauerraum voneinander getrennt sind, durch eine offene Raumbühne auf. Nur so sei es möglich, „das Publikum in seiner intellektuellen Apathie aufzurütteln"; so sein Gedanke. Die Bauhäusler erhoben den Anspruch, das Theater „total" zu denken, um das Tempo, die Technisierung und soziale Polarisation des modernen Lebens in neuartige Bühnenerlebnisse zu übersetzen. Das Publikum wurde in den Theaterraum miteinbezogen mit bewegten Bildern, mechanisierten Apparaten, Formen, Farben und Licht. Die Bühnenwerkstatt leitete Oskar Schlemmer. Sie galt als ein Lernraum, um Form- und Raumkonstellationen in und mit Bewegungen zu erkunden.
An diese Ideen und Visionen knüpfte das Festival „Bühne Total" an und ging der Frage nach, was man mit den damaligen Bühnenexperimenten heute Neues anfangen kann. Lehrende und Studierende internationaler Hochschulen, Performer, Choreografen und Künstler, Architekten und Designer stellten Installationen, Bewegungsstudien und Inszenierungen vor.
„Die sogenannten Leibesübungen für Gestalter waren kein neuer Tanzstil, keine bestimmte Art zu tanzen, weder Ausdruckstanz noch rhythmische Gymnastik, sondern Teil einer Ausbildung und eröffneten den angehenden Architekten, Medienkünstlern ein neues Verständnis und Empfinden für den Zusammenklang von Raum, Form und Körper".
Eine Art Werkstatt für Leibesübungen", so Torsten Blume. Der Festivalorganisator und Choreograf begleitet schulische Projekte und wünscht sich, dass die Bauhaus-Bewegungskunst auch künftig in die Lehrpläne der Auszubildenden aufgenommen wird.
Mythen in Bewegung
Klirrende Klänge. Klappern, Zischeln. Rascheln, Trommeln. Sagengestalten, Naturgeister, Hexen, Feen begegnen, umkreisen einander. Mit metallischen Stoffen, Scheiben, Rasseln und Besen untersuchen Studierende in „Myth in Motion" keltische Symbole und Rhythmen in der Bewegung. Sie verwandeln sich in Mischwesen aus Tier, Mensch und Maschine. Angelehnt an die sogenannte „Triskel", einem alten Symbol der irischen Mythologie. Die aus drei Kreisbögen, offenen Spiralen, ineinander verschachtelten Dreiecken und Knotenmustern besteht.
Inspiriert wurde dieses tänzerisch-pantomimische Experiment durch Oskar Schlemmers 1926 in der Bauhaus-Bühnenwerkstatt entwickelten „Raumtanz" und durch die streng programmierte Choreografie „Quad" von Samuel Beckett.
Bewegung als Empfindung
„Wir wollen keine Tänzer ausbilden, sondern die Bauhausbühne als eine Plattform für spielerisches Experimentieren etablieren", betont Torsten Blume. Schon Klee soll seinen Studenten zugerufen haben, „nicht an die Form denken, sondern an die Formung", also sich mit den Bewegungen im Prozess auseinanderzusetzen. Johannes Itten begann seinen 1921 am Bauhaus eingeführten Vorkurs mit Übungen im rhythmischen Zeichnen und Atmen. Auf diese Weise wollte er „die Bewegung als Empfindung" für das Wesen der Formen fördern. Und Oskar Schlemmer lag daran, die Bewegungsempfindungen über Strukturmodelle von Raum und Körper auszudrücken. So wurde die Dessauer Bauhausbühne eine Art Laboratorium, in dem immer wieder neu die Zusammenhänge von Material-, Form- und Raumbewegungen tänzerisch ausprobiert werden konnten.
„Was wir vom Bauhaus auch auf unsere heutige Bewegungsarbeit übertragen können? Wenn ich etwas achtsam mit allen meinen Sinnen ausführe, wird das Erlebnis intensiver. Bewege ich mich als Kreis, Spirale, Quadrat oder Zylinder, eröffnet das ein neues, spielerisches Gestaltungsvermögen, unabhängig von Alter, Gelenkigkeit oder Körperbeherrschung", meint Choreograf Torsten Blume. „Wir Menschen sind nicht nur in unserem Körper präsent, sondern auch in unserem Umfeld. Wir tragen die Verantwortung, wie wir Städte bauen, Konsumgüter produzieren, unseren Müll hinterlassen. Welche Rolle spielen der Mensch und die ihn umgebenden Maschinen im technisierten, digitalen Zeitalter? Es sind die gleichen Fragen, die vor 100 Jahren auch am Bauhaus gestellt wurden."