Bundesweit wurde der 1. FC Saarbrücken in den vergangenen Jahren eigentlich nur dann erwähnt, wenn gerade eine Doku über abgestürzte Traditionsvereine gedreht wurde. Nun ist der saarländische Viertligist in aller Munde. Was haben sie gejammert, gehadert und geflucht über das Völklinger Exil, in das der FCS umziehen musste, weil der Umbau des heimischen Ludwigsparkstadions zu einer endlosen Posse wurde. Dass ein Verein mehr als vier Jahre ausweichen muss, hat es in Fußball-Deutschland so auch noch nicht gegeben. Ein Verein mit mehr als 3.000 Mitgliedern, mit mehr als 50 organisierten Fanclubs und einer Ultraszene, die von ihrer Struktur her fast Bundesliganiveau hat, kickt in der Vierten Liga in einem Halbrund, das die Bezeichnung Amateursportplatz wirklich verdient. Dass gerade dieser Umstand dazu führte, dass der Verein nun schuldenfrei ist und sich plötzlich in wirtschaftlichen Dimensionen bewegt, von denen Drittligisten nur träumen können, ist wohl das, was den Fußball ausmacht. Selbst hartgesottene Journalisten, die in der vergangenen Woche in Völklingen waren, kamen aus dem Staunen nicht heraus. Der FCS will auch das Halbfinale im „Halbstadion" spielen, die Geschichte soll auch gegen Bayer Leverkusen fortgesetzt werden. Natürlich meinte es die Auslosung gut mit dem Regionalligisten. Dass ein Zweitligist wie Jahn Regensburg mal strauchelt, passiert im Pokal. Dass der 1. FC Köln in einer desaströsen Verfassung anreiste, war absehbar. Der Karlsruher SC war ebenfalls angeschlagen und Fortuna Düsseldorf ist alles, nur kein etablierter Bundesligist. Bayer Leverkusen ist nun eine ganz andere Hausnummer. Aber auch die Stars aus der Beletage des deutschen Fußballs müssen sich erst einmal an die Gegebenheiten vor Ort gewöhnen. Aber war es wirklich nur eine günstige Auslosung und eine Portion Glück? Oder hatte der oft beschworene Fußballgott seine Hände im Spiel, um dem so geschundenen Verein ein wenig Stolz zurückzugeben? Gesehen hat den „Vater der Fußballer" ja noch niemand. Aber jeder, der beim Wunder von Völklingen dabei war, hat gespürt, dass es ihn gibt.
SPORT
Foto: Andreas Schlichter
Nachspielzeit: Das Wunder von Völklingen
Sport - Kolumne
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