FFH-Moderatorin und Fitnesscoach Stefanie Burmeister ist Expertin für Sport und gesunde Ernährung. Im Interview spricht sie über Orangenhaut und darüber, wie man sie bekämpfen kann.
Frau Burmeister, wie kamen Sie dazu, sich intensiv mit dem Thema Cellulite zu beschäftigen?
Dadurch, dass ich hauptsächlich zusammen mit Frauen trainiere, ist Cellulite schon immer ein großes Thema: Neun von zehn Frauen haben sie, und ein Wunsch vieler ist es, das Hautbild durch den Sport zu verbessern. Die Idee, ein Buch zum Thema zu schreiben, kam dann aber tatsächlich vom Südwest Verlag, und als ich gefragt wurde, ob ich Teil des Autoren-Teams sein möchte, habe ich mich sehr gefreut und sofort zugesagt.
Welche Ursachen hat Cellulite?
Die Gründe für Orangenhaut sind sehr komplex und meistens ein Zusammenspiel aus schwachem Bindegewebe, weiblichen Hormonen, schlechter Durchblutung, einem erhöhten Druck im Gewebe, der Verteilung des Fettgewebes, Flüssigkeitseinlagerungen und dünner Haut. Dummerweise haben wir Frauen eine ungünstigere Bindegewebsstruktur als die Männer: Bei uns verlaufen die Kollagenfasern des Bindegewebes wie parallel stehende Säulen von unten nach oben durch das Fettgewebe, und dadurch können sich kleine und größere Fettzellen leichter nach außen durchdrücken. Männer dagegen haben eine Art netzförmig konstruiertes Bindegewebe, das das Fettgewebe straff zusammenhält.
Warum ist sie bei manchen Frauen weniger, bei anderen mehr ausgeprägt?
Die Genetik spielt hier natürlich auch ganz klar eine Rolle, was aber auf keinen Fall bedeutet, dass Frauen, die von Natur aus zu Cellulite neigen, machtlos sind. Im Gegenteil: Ein gesunder Lebensstil und ausreichend Bewegung wirken der Orangenhaut entgegen; schlechte Ernährung, Stress, Alkohol, Zigaretten, Bewegungsmangel und Übergewicht dagegen verstärken sie.
Hilft denn Abnehmen immer gegen Cellulite?
Jein. Cellulite hat entgegen vieler Annahmen nicht unbedingt etwas mit unserem Gewicht zu tun und kommt an den dünnsten Beinen und Pos vor. Bei übergewichtigen Frauen ist die Cellulite aber in der Tat aufgrund des größeren Anteils des Fettgewebes oft ausgeprägter und verbessert sich meistens direkt durch eine Abnahme. Aber eben auch nur bis zu einem gewissen Grad, da das Bindegewebe gestärkt werden muss. Das heißt: Während der Abnahme ist es nicht nur empfehlenswert, sich gesund zu ernähren, sondern auch Sport zu treiben. Und wichtig: Bitte keine Crashdiäten – sie verschlimmern die Cellulite sogar meistens noch, da unser Bindegewebe hier nicht annähernd mit den Nährstoffen versorgt wird, die es braucht.
Es ist inzwischen bewiesen, dass die vielen angepriesenen Cremes nicht helfen können. Warum eigentlich?
Tatsächlich sind die meisten Kosmetikprodukte gegen Cellulite wirkungslos, weil sie die Hautbarriere gar nicht erst überwinden und somit nicht tief genug eindringen. Es gibt allerdings ein paar Ausnahmen und zwei Wirkstoffe, bei denen sehr wohl eine leichte Verbesserung der Haut festgestellt werden konnte: Retinol (Vitamin A) und Koffein. Koffein kann tatsächlich mühelos in tiefere Schichten der Haut vordringen und hat eine lipolytische Wirkung. Heißt: Es ist in der Lage, Fettsäuren aus Fettzellen auszulösen. Dadurch wird Fettgewebe abgebaut, und das gespeicherte Fett kann in Energie umgewandelt werden. In einer Studie mit einem Gel, das 3,5 Prozent Koffein enthielt, konnte so schon nach sechs Wochen eine Verbesserung des Hautbildes festgestellt werden. Und auch Cremes oder Gels, die Retinol enthalten, können laut Studien bei regelmäßiger Anwendung zu einer leichten Verbesserung der Hautelastizität führen. Wichtig: Bitte hier keine Wunder erwarten und idealerweise auch nicht nur cremen, sondern eben auch bewegen und gut ernähren.
Gibt es denn kosmetische Behandlungen und Massagen, die bei Cellulite helfen können?
Wann auch immer ein Produkt oder eine Behandlung mit superschnellen Erfolgen beworben wird, sollten wir skeptisch werden. Denn es gibt eben wirklich kein Wundermittel gegen Cellulite. Kein Zauber-Massagegerät und kein Öl oder Gel, das die Cellulite über Nacht verschwinden lässt. Aber: Auch Massagen können gegen Cellulite helfen. Bei Cellulite sammelt sich nämlich relativ viel Flüssigkeit im Gewebe, wodurch sich auch der Druck in der Fettschicht erhöht, was unser Hauterscheinungsbild nicht unbedingt verbessert. Im Gegenteil: Der höhere Druck im Gewebe lässt mehr Fettzellen an die Oberfläche kommen. Massagen können hier gestaute Flüssigkeit mobilisieren und dafür sorgen, dass sich der Druck im Gewebe wieder reduziert. Dabei sollte eher sanft massiert werden; regelmäßig und ausreichend lang.
Wie kann man das Bindegewebe am besten straffen?
Ganz klar: Mit den schon eben angesprochenen Sporteinheiten. Hier empfehle ich – auch wenn viele Frauen davor nach wie vor zurückschrecken – ran an die Gewichte! Ein regelmäßiges Krafttraining – idealerweise drei bis vier Einheiten pro Woche – baut Muskeln auf, und die wiederum sorgen dafür, dass wir viel, viel straffer werden und sich unser Erscheinungsbild deutlich verbessert. Aber auch Ausdauersportarten wie Radfahren, Schwimmen und schnelles Gehen können gegen Cellulite helfen. Außerdem empfehlenswert: regelmäßiges Rollen mit der Faszienrolle. So kann gestaute Flüssigkeit mobilisiert und aus dem Gewebe transportiert werden. Außerdem beugen wir durch das Faszienrollen Schmerzen vor, denn Faszien, die all unsere Muskeln überziehen, verkleben durch Nicht-Bewegung und schränken uns in unserem Bewegungsradius ein.
Wie kann man sich denn gezielt gegen Cellulite ernähren?
Für schöne Haut müssen wir auf keinen Fall den ganzen Tag nur an Salatblättern knabbern. Im Gegenteil: Wenn wir zu wenig essen und unseren Körper nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgen, wird sich unser Hautbild eher verschlechtern. Wichtig, wenn wir gegen die Cellulite anessen wollen: Genügend Eiweiß, denn wir wollen ja Muskelmasse aufbauen. Gerade wir Frauen vernachlässigen diesen Punkt oft beziehungsweise überschätzen die Eiweißaufnahme. Ich empfehle hier gern, einfach mal eine Weile alles zu notieren, was wir essen, um ein Gefühl für die Lebensmittel zu bekommen. Gute Eiweißquellen sind Hähnchen, Quark, Eier, Sojaprodukte, Hülsenfrüchte oder auch Fisch. Und apropos: Fetter Fisch ist auch toll! Er liefert hochwertige Omega-3-Fettsäuren, und die können die ungeliebten weißen Fettzellen teilweise in die günstigeren braunen umwandeln. Außerdem empfehlenswert: kupferreiche Lebensmittel, etwa Cashewnüsse, Kichererbsen, Grünkohl, Mandeln, Linsen, Haferflocken oder Avocados. Und auch Lebensmittel, die viel Vitamin C enthalten, helfen gegen Cellulite: Paprika, Acerolakirschen, Sanddornbeeren, Brokkoli, Erdbeeren oder Grünkohl. Sie alle sorgen dafür, dass die Nährstoffe für neue, elastische Fasern und ein strafferes Bindegewebe ausreichend vorhanden sind. An Gewürzen empfehle ich Chili oder Ingwer – wer also Schärfe verträgt, darf hier gerne zugreifen.
Können hier auch Hyaluron- und Kollagen-Drinks etwas bewirken?
Ich weiß, dass das gerade ein riesengroßer Hype ist. Aber hier muss ich leider alle, die sich schon teure Ampullen besorgt haben, enttäuschen: Unsere Kollagen- und Elastinfasern sind so tief unter der Haut, dass sie nur mit einer Spritze erreicht werden können. Die Kollagen- und Hyaluron-Drinks werden lediglich vom Magen resorbiert.
Weibliche Hormone füttern die Orangenhaut – warum ist das so?
Östrogene – weibliche Hormone – sind toll, denn sie sorgen unter anderem für glänzendes Haar und unsere Rundungen, aber eben auch dafür, dass sich der Körper Energiereserven anlegt und zwar vor allem an Hüfte, Po und Oberschenkeln. So sind wir Frauen schon immer programmiert, um in schlechten Zeiten fruchtbar zu bleiben und im Falle einer Schwangerschaft das Überleben von Mutter und Kind zu sichern. Blöd ist aber eben auch, dass ein zu hoher Östrogenspeigel dafür sorgt, dass sich Fettdepots an Hüfte und Co nur wenig oder gar nicht abbauen, auch wenn wir am Rest des Körpers Fett verlieren.
Warum soll Testosteron gegen Cellulite wirken, und wie können Frauen die Ausschüttung erhöhen?
Testosteron gehört zu den männlichen Hormonen und ist einer der Gründe, warum Männer weniger Fettgewebe haben als Frauen und eben auch selten Cellulite. Testosteron gilt als Fettschmelzer und Muskelaufbauer, und auch wir Frauen produzieren es in kleinen Dosen in unseren Eierstöcken und Nebennieren. Durch Krafttraining können wir unsere Testosteronausschüttung erhöhen. Die größten Feinde eines ausgeglichenen Testosteronspiegels dagegen sind Bewegungsmangel, Fettgewebe (das Testosteron regelrecht frisst), aber auch Stress. Regelmäßige Bewegung und ein gesunder Lebensstil sind also hier ganz klar das A und O und sorgen für mehr Testosteron. Wichtig: Auch Hormonpräparate können dafür sorgen (die Pille oder ein Medikament gegen Wechseljahrsbeschwerden), dass wir einen zu niedrigen Testosteronspiegel haben und zu viel Östrogen – hier also im Zweifel bitte Rücksprache mit dem Arzt halten und eventuell ein anderes Präparat wählen, das niedriger dosiert ist.
Wie bringt man seine Hormone in Balance?
Fassen wir die wichtigsten Punkte zusammen. Erstens: durch regelmäßige Bewegung und durch Sport. Kraftsport ist zu bevorzugen – auch Ausdauersportarten können bei uns Frauen dafür sorgen, dass der Östrogenspiegel sinkt. Zweitens: eine ausgewogene und frische Ernährung. Eiweiß und Omega-3-Fettsäuren bitte auf keinen Fall vernachlässigen. Drittens: Bei Übergewicht langsam versuchen, ein paar Pfunde zu verlieren. So steigt das Anti-Cellulite-Hormon Testosteron, und das Fettgewebe wird reduziert. Viertens: ausreichend trinken, gerne auch täglich drei bis vier Tassen grünen Tee. Grüner Tee reguliert nachweislich nicht nur unsere Hormone, sondern schützt auch kollagene Fasern und senkt den Insulin- und Blutzuckerspiegel. Fünftens: den Körper ausreichend mit Vitamin D versorgen. Vitamin D ist zum Beispiel nötig, um die Stresshormone zu senken, und die wiederum können Muskeln abbauen und für Pölsterchen sorgen. Und sechstens: ausreichend Zink. Den Zinkspiegel am besten einmal beim Arzt testen lassen und im Zweifel supplementieren. Auch Zink reduziert die Stresshormone und ist für eine ausreichende Testosteronbildung wichtig. Abschließend möchte ich noch loswerden: Cellulite ist absolut nichts, wofür wir uns schämen müssen. Sollten wir aber den Wunsch haben, ihr den Kampf anzusagen, brauchen wir Geduld und sollten an vielen Fronten angreifen.