Die Weltwirtschaft leidet. Die Regierungen müssen helfen: mit Maß und Mitte
Das Coronavirus kennt keine geografischen Grenzen. Es kann westlich-liberale Demokratien genauso treffen wie autokratische Systeme vom Kaliber Chinas. Nun hat das Virus nicht nur den Norden Italiens lahmgelegt, die wirtschaftliche Herzkammer des südeuropäischen Landes. Ministerpräsident Giuseppe Conte verordnete massive Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Südtirol bis Sizilien. Der Fremdenverkehr in Tourismus-Hochburgen wie Mailand, Venedig oder Rom bricht ein, die Belieferung von Unternehmen wird drastisch erschwert. Italien, das mit weit mehr als 10.000 Corona-Infektionen in Europa am stärksten geschädigt ist, befindet sich im Krisenmodus.
Aber auch China, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, zahlt bereits einen hohen Tribut. Die Exporte knickten im Januar und Februar um mehr als 17 Prozent gegenüber den Vorjahresmonaten ein, die Importe um vier Prozent. Die Volksrepublik, wo die globale Infektionskette in der Provinz Hubei ihren Anfang nahm, ist deutlich geschwächt. Firmen haben geschlossen, Arbeiter wurden zum unfreiwilligen Hausarrest abkommandiert. Die langjährige Konjunktur-Lokomotive verliert an Dampf.
Wenn Chinas Wirtschaft nachlässt, wird auch in anderen Ländern das Tempo gedrosselt. Der Absatzmarkt in Ostasien ist nicht nur für VW, Daimler oder Siemens lebenswichtig. Auch viele kleine und mittlere Betriebe hängen davon ab. Umgekehrt leidet die Wirtschaft in Deutschland und anderen Teilen der Welt, wenn Computer-Chips oder elektrische Ausrüstung in China nicht mehr in ausreichendem Maße produziert werden und die Zulieferung stockt.
Die Corona-Delle trifft jeden. Mit der Globalisierung der Wirtschaft, die nach dem Fall der Mauer 1989 begann, ging eine weltweite Arbeitsteilung einher. Unternehmen kaufen da ein, wo sie Waren und Dienstleistungen zum günstigsten Preis bekommen. Und sie fertigen dort, wo große Märkte sind. Die Lieferketten wandern über die Kontinente – oft zeitlich eng getaktet „just in time". Kommt es an einer wichtigen Stelle zu Engpässen, gibt es einen Dominoeffekt. Die globale Konjunktur gerät ins Stottern. Im schlimmsten Fall drohen Entlassungen und Rezession.
Das Coronavirus hat die Weltwirtschaft infiziert. Die Börsen zwischen New York und Tokio verzeichnen Zitterausschläge nach unten – die Nervosität ist groß. Wie stark das Wachstum am Ende dezimiert wird, hängt davon ab, wie rasant und wie lange sich das Virus ausbreitet.
Die Probleme zu ignorieren ist genauso schädlich wie sie schönzureden. US-Präsident Donald Trump, der sein Land noch vor Kurzem praktisch zur coronafreien Zone deklariert hatte, zeigt dies deutlich.
Der falsche Schluss wäre allerdings, die Globalisierung zurückzudrehen. Würden einzelne Länder wirtschaftliche Autarkie – also Unabhängigkeit – anstreben, würden Produktionskosten und Verbraucherpreise nach oben schnellen. Sie wären bald nicht mehr konkurrenzfähig.
Eine Lehre kann jedoch aus der Corona-Epidemie bereits heute gezogen werden. Schutzkleidung im Kampf gegen das Virus oder auch Desinfektionsmittel sollten die Regierungen auf Vorrat anlegen. Dass deutsche Zollbehörden die Lieferung von Gesichtsmasken in die Schweiz stoppen, sollte künftig nicht mehr passieren. Nationale Notfallplanung zum Gesundheitsschutz der eigenen Bevölkerung muss auch in Zeiten der Globalisierung möglich sein.
Die Regierungen stehen nun vor der Herausforderung, ihre Volkswirtschaften in Corona-Zeiten vor gravierenden Schäden zu bewahren. Panik sollte aber vermieden werden. Es geht um Finanzhilfen mit Maß und Mitte.
Die Große Koalition hat am vergangenen Sonntag einen wohldosierten Maßnahmen-Mix verabschiedet. So wurde der Zugang zum Kurzarbeitergeld erleichtert. Betriebe kündigen ihren Angestellten nicht, sondern beschäftigen sie in reduziertem Umfang – für den Verdienstausfall springt die Bundesagentur für Arbeit ein. In der Finanzkrise 2008 und 2009 rettete Kurzarbeit in Deutschland 300.000 Jobs. Auch die Stundung von Steuern verschafft den Firmen Luft. Die Bundesregierung will zudem ein Investitionspaket in Höhe von zusätzlich 3,1 Milliarden Euro schnüren.
Diese Mittel reichen für den Moment. Angesichts der üppigen Haushaltsüberschüsse hat Finanzminister Olaf Scholz noch Spielraum, sollte sich die Lage dramatisch zuspitzen.