Ein paar Betrachtungen zur Hamburger Bürgerschaftswahl und danach
Mit den Ereignissen um den Terroranschlag in Hanau und der darauffolgenden Diskussion um die geistige Mittäterschaft der AfD kam im Vorfeld der Hamburger Bürgerschaftswahl die Hoffnung auf, die AfD würde es diesmal – sozusagen in einem symbolischen Wahlakt der kollektiven Bestrafung – nicht über die Fünfprozenthürde schaffen. Es war in der Tat vor allem diese Hoffnung, die in der Diskussion laut wurde, basierend auf der vagen Kalkulation, dass die AfD im Norden ohnehin eine strukturelle Schwäche habe und dem Gefühl, es müsse doch jetzt eine gesellschaftliche Gegenbewegung geben. Hanau als Weckruf, die Wahl ein Aufstand der Anständigen.
In der Tat sah es bei den ersten Hochrechnungen auch so aus, am Ende aber wurde diese Hoffnung enttäuscht. Auch in der neuen Bürgerschaft ist die AfD vertreten, mit mehr Stimmen gewählt als die FDP. Die FDP, die gerade in Hamburg doch – nach dem Debakel ihrer unsinnigen Aktion in Thüringen – schon als liberale Antifaschistin auftrat und alles tat, um sich von diesem Makel reinzuwaschen. Das Wahlergebnis zeigt, dass man in der Politik – und vor allem bei Wahlen – Wunsch und Wirklichkeit nicht miteinander verwechseln darf.
Auch in Hamburg hat die AfD eine zunehmend in sich verfestigte Wählerschaft. Absolut hat sie kaum Wähler verloren. Es ist eine Wählerschaft, die sich auch durch terroristische Bluttaten wie in Hanau keinesfalls aus dem Gleichgewicht bringen lässt, der die Kritik und die Anfeindungen aus der Zivilgesellschaft herzlich egal sind. Eine Wählerschaft, die immer dann, wenn sie aktiv angefeindet wird, eine Wagenburgmentalität zeigt, ein trotziges „Jetzt erst recht!“, mit dem sich wunderbar mobilisieren lässt.
Diese Erkenntnis ist keine neue, sie ist in Hamburg nur durch das Prinzip Hoffnung der AfD-Gegner überdeckt worden, zumindest für eine ganze Weile. Nun ist die Enttäuschung – und auch Wut – natürlich groß, während die AfD, trotz kleinerer Stimmenverluste und einer Zitterpartie, am Ende eher frohlockt. Schadenfreude, das zeigt sich, ist besonders schal, wenn man sie zu früh empfindet. Und sie verkehrt sich rasch ins Bittere, wenn man sich ihrer zu schnell hingibt. Hoffnung ersetzt nicht die rationale Analyse tatsächlicher Gegebenheiten und Wahrscheinlichkeiten. Wer möchte, dass die AfD effektiv bekämpft wird, muss den langen Weg gehen und darf sich nicht auf Fanale kaprizieren. Die gibt es weitaus seltener, als man gern hätte.
Das Ergebnis in Hamburg zeigt aber auch: Abgrenzung funktioniert besser als Umarmung. Jene, die in CDU und FDP weiterhin glauben, man könne AfD-Wähler zurückgewinnen, indem man sich selbst zu testosterongeschwängerten Sprüchen zu Migration, der Bedrohung durch den Linksextremismus und der deutschen Leitkultur hinreißen lässt, sollten ihre Strategie noch einmal überdenken. Es nützt weder etwas, sich an 17-jährigen Schwedinnen abzuarbeiten, noch zumindest Teile der AfD wohlmeinend dem bürgerlichen Lager zurechnen zu wollen. Wer rechts ist und so denkt, der wählt das Original, nicht die Lightversion.
Wenn Thüringen einen heilsamen Effekt hatte, dann gewiss, dass manche Illusion über die richtige Vorgehensweise gegen die AfD damit zerstoben ist. Es ist bemerkenswert, dass nach anfänglichem Herumgeeiere die FDP bei dieser Abgrenzung glaubwürdiger erscheint als die CDU, die ihre zuerst konsequente Reaktion auf die Thüringer Ereignisse anschließend durch wirres Politgeschacher wieder ad absurdum führte. Auch dafür wurde sie abgestraft.
Hamburg zeigt, dass die AfD keinesfalls unangreifbar ist. Sie kann aber auch mit dem bloßen Aufbau einer gemeinsamen, klaren Front nicht niedergerungen werden. Das hat die Diskrepanz zwischen Hoffnung und Realität bewiesen. Die AfD ist nur ein Symptom, das man nicht einmal durch ein Parteiverbot in den Griff kriegen würde. Sie ist Ausdruck und Repräsentation eines rechtsradikalen Potenzials in Deutschland, das – je nach Region – zwischen fünf und 20 Prozent der Wählerschaft ausmacht. Und dass das so bleibt, darauf müssen sich alle bis auf Weiteres einrichten. Egal, worauf sie hoffen oder auch nicht.