Seit der Einführung des Elterngeldes machen Väter häufiger Babypause. Entsteht dadurch tatsächlich ein neues Rollenverständnis? Und wie wirkt sich die Pause auf das Zusammenleben in der Familie und die weitere Karriere aus?
Wer bleibt zu Hause, wenn das Kind kommt? Diese Frage war in den meisten Fällen lange Zeit schnell beantwortet: die Frau. Seit 2007 das neue Elterngeld eingeführt wurde, legen auch Väter öfter mal eine Pause ein. Der Anteil junger Väter, die eine berufliche Auszeit nehmen, ist laut des Deutschen Instituts für Wirtschaft Berlin (DIW) zwischen 2007 und 2016 von drei auf 37 Prozent gestiegen. Lässt sich dadurch auf ein neu gewonnenes Rollenverständnis schließen?
Schaut man auf die Mütter, nahmen über 90 Prozent von ihnen Elternzeit. Dazu kommt, dass Frauen im Schnitt deutlich länger mit dem Nachwuchs zu Hause bleiben. Knapp 72 Prozent der Väter, die im Jahr 2018 Elterngeld bezogen, nahmen nur zwei Monate Elternzeit. Bei dem neuen Elterngeld gilt das als Minimum, um den Bezugszeitraum zu verlängern. Grundsätzlich wird es für zwölf Monate gezahlt, wenn ein Elternteil nach der Geburt eine berufliche Auszeit nimmt. Zwei zusätzliche Monate kommen hinzu, wenn auch der Partner in Elternzeit geht. Alleinerziehenden stehen regulär 14 Monate zu. Eltern mit höheren Einkommen erhalten 65 Prozent, jedoch maximal 1.800 Euro monatlich, Eltern mit niedrigeren Einkommen bis zu 100 Prozent des bisherigen Nettoeinkommens.
„Es verwundert daher kaum, dass die Partnermonate im alltäglichen Sprachgebrauch zu Vätermonaten wurden", schreibt Studienautorin Claire Samtleben vom DIW. Aber zwei Monate für Väter reichen nicht aus, glaubt die Journalistin Tatjana Heid und schreibt in einem Kommentar für die „FAZ": „Deutschland ist ein Land der Zwei-Monats-Väter. Zwei Monate. So lange sind Frauen schon allein durch den Mutterschutz nach der Geburt raus, von den sechs Wochen davor ganz abgesehen. Zwei Monate, das sind acht Wochen, das ist weniger als man sich bei einem Sabbatical gönnt. Zwei Monate, das ist ein verlängerter Urlaub. So lange macht der Bundestag Sommerpause. Zwei Monate, das ist nicht einmal ein Prozent der durchschnittlichen Lebensarbeitszeit in Deutschland. Zwei Monate, das ist lächerlich." Wie also wird diese Entscheidung getroffen? Womit hängt es zusammen, ob Väter Elternzeit nehmen und wie lange sie sich dazu entschließen? Ein Argument, das häufig angeführt wird, ist die finanzielle Situation. Viele können es sich schlicht nicht leisten, wenn das Einkommen des Hauptverdieners wegfällt. Interessant hierbei ist, dass es bei dieser Überlegung einen Unterschied macht, ob der Mann oder die Frau das größere Einkommen mit nach Hause bringt. „Es ist auffällig, dass bei Paaren, bei denen der Mann mehr verdient, quasi immer das wirtschaftliche Argument im Vordergrund steht", sagt die Soziologin Mareike Bünning vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). „Dann heißt es: Er kann ja nicht in Elternzeit gehen, sonst verlieren wir einen zu großen Teil unseres Einkommens. Hat aber die Mutter den besser bezahlten Job, spielen finanzielle Überlegungen plötzlich eine viel geringere Rolle."
Auch die Sorge, dass sich eine Pause beruflich zum Nachteil auswirken könnte, sei ein weiterer Grund, der laut DIW von Vätern oft genannt werde. Berufliche und finanzielle Nachteile sind allerdings kein rein männliches Problem. Eine 2019 veröffentlichte Studie der Hans-Böckler-Stiftung etwa zeigt, dass Frauen nach der Elternzeit im Schnitt deutlich schlechter verdienen als ihre Kolleginnen ohne Kinder. Sie bekommen demzufolge nach mehr als einem Jahr Auszeit durchschnittlich knapp zehn Prozent Lohn weniger pro Stunde. Verschiedene Studien konnten weitere Faktoren ausfindig machen, die eine Elternzeit des Vaters wahrscheinlicher machen. Dazu zählen etwa die Höhe des Bildungsgrades und das Alter des Vaters bei der Geburt des Kindes. Jüngere Väter sorgen sich demnach stärker um etwaige Karrierenachteile und trauen sich seltener, Elternzeit zu nehmen.
Jüngere Väter nehmen seltener Elternzeit
Auch regionale Unterschiede fallen auf, so nehmen etwa Männer im Osten häufiger Elternzeit als im Westen. Ebenso nehmen die Partner von Frauen, die länger arbeiten als der Durchschnitt und größere berufliche Ziele verfolgen, häufiger Elternzeit.
Auch die Partner beeinflussen Entscheidungen. Wie genau, das hat die Psychologin Bettina Wiese von der Rheinisch-Westfälisch Technischen Hochschule Aachen (RWTH) untersucht. Gemeinsam mit Kollegen befragte sie junge Mütter und Väter wiederholt mittels Fragebogen. Besonders ein Ergebnis war auffällig: Das Rollenverständnis des Mannes beeinflusst, wie viel Elternzeit die Frau nimmt und ob sie im Anschluss ihre Arbeitsstunden reduziert. Die Partnerinnen von traditioneller eingestellten Männern pausierten länger und arbeiteten weniger als Frauen mit egalitär eingestellten Partnern. Der Effekt stellte sich als einseitig heraus, Väter mit progressiv eingestellten Partnerinnen nehmen also nicht häufiger Elternzeit. Die Beeinflussung sei daher asymmetrisch, schlussfolgert die Psychologin. Im direkten Vergleich ließen sich die Frauen sogar stärker von der Einstellung ihres Partners beeinflussen als von ihrem eigenen Rollenbild, während die Männer weitgehend unabhängig von den Ansichten ihrer Frau entschieden. Die Entscheidungen der Eltern werden demzufolge noch immer von alten Rollenbildern beeinflusst. „Männer befürchten vor allem Karriereeinbußen, wenn sie familienbedingt beruflich kürzertreten. Frauen dagegen orientieren sich im Durchschnitt stärker daran, was ihnen für das Kind am besten erscheint", so Wiese.
Haben Männer diese viel gefürchteten Karrierenachteile tatsächlich zu erwarten? Mareike Bünning glaubt, dass Arbeitgeber von Männern nach wie vor eine größere Rücksichtnahme gegenüber dem Betrieb verlangten. Laut ihren Befragungen hielten sie ein Jahr Elternzeit bei Müttern für selbstverständlich und tolerierten diese zumeist auch dann, wenn die Frau eine Führungsposition innehatte. Bei Vätern hingegen sähen Arbeitgeber Zeiten über zwei Monate kritischer. Hätten die Unternehmen der Väter konkrete Regelungen bezüglich der Elternzeit und zur Vertretung der Väter, fördere dies den Entschluss zur Elternzeit.
Wie wirkt es sich aus, wenn Väter den Entschluss fassen, in Elternzeit zu gehen? Was macht das mit dem Zusammenleben in der Familie, der Bindung zu den Kindern und der Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau? Das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen konnte in einer Studie eine Reihe positiver Effekte nachweisen. So verbringen Väter, die Elternzeit in Anspruch genommen haben, noch Jahre später mehr Zeit mit ihren Kindern. Selbst dann, wenn die in Anspruch genommene Zeitspanne nur kurz war. Der Studie zufolge verbringen Väter in den ersten sechs Lebensjahren des Kindes am Wochenende täglich rund eineinhalb Stunden mehr mit ihren Söhnen und Töchtern als Väter, die durchgehend gearbeitet haben. Auch auf die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau hat die Elternzeit einen positiven Einfluss. Väter, die Elternzeit genommen haben, übernehmen täglich eine halbe Stunde mehr Arbeit im Haushalt. „Auch wenn das meistens nur zwei Monate sind, verändert es langfristig die Rolle, die der Vater in der Familie hat", glaubt Studienleiter Marcus Tamm. Der Effekt des 2007 eingeführten Elterngeldes sei dabei deutlich messbar. Für die Studie haben die Forscher das Verhalten von Vätern verglichen, die vor und nach der Einführung des Elterngeldes 2007 Kinder bekommen haben. Daher sei der Effekt vermutlich nicht darauf zurückzuführen, dass Väter die Elternzeit nehmen sich ohnehin mehr in der Familie engagieren, erklärte Tamm. „Wir sehen bei denselben Vätern Unterschiede zwischen dem ersten Kind, bei dem sie keine Elternzeit genommen haben, und dem zweiten, bei dem sie mindestens zwei Monate genommen haben", sagt der Forscher.
Engere Bindung zum Nachwuchs
Für Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) ist das ein Grund zur Freude. Der Funke Mediengruppe sagte sie, Väter, die in Elternzeit gingen, hätten nicht nur eine engere Bindung zu ihren Kindern. Sie ermöglichten es auch den Müttern, sich wieder mehr um ihren Beruf zu kümmern. „Wir haben mit dem Elterngeld einen gesellschaftlichen Wandel erreicht", betont die Ministerin.
Doch nicht allen ist das genug. Tatjana Heid etwa schlägt vor, neben dem Mutterschutz einen Vaterschutz einzuführen. Nach dem Motto: „Mama: sechs Wochen vor der Geburt, acht Wochen nach der Geburt. Papa: 14 Wochen nach der Geburt. Und zwar verpflichtend." Sie glaubt, das wäre schön für die Familie und würde zudem auf dem Arbeitsmarkt dazu führen, dass kein junger Mann mehr einer gleichaltrigen Frau vorgezogen wird, weil er nicht schwanger werden und ausfallen könne. Zudem plädiert sie dafür, die Zahl der Partnermonate von zwei auf vier zu erhöhen.
Marcus Tamm hingegen sieht die Erhöhung der Partnermonate gespalten. Einerseits könne das dazu führen, dass Mütter und Väter sich gemeinsam in Haushalt und Erziehung einbringen und Frauen weniger Benachteiligung in der Arbeitswelt erführen. Er sorgt sich jedoch darum, dass eine solche Regelung traditionell eingestellte Männer abschrecken könne. „Wer sich einen oder zwei Monate gerade eben vorstellen kann, würde es dann vielleicht ganz lassen." Doch gerade dieses Argument will Heid nicht gelten lassen: „Diejenigen, denen das zu lang ist oder zu radikal, die lassen es einfach. Sie können ja immer noch zwei Monate Elternzeit nehmen, nur würden die dann nicht vom Staat bezahlt. Das wäre die ehrlichere Variante und würde einen Willen zur Gleichberechtigung zeigen, der nicht mit der ersten Anstrengung verpufft."