In Berlin verhindert die Coronavirus-Epidemie erst das Gastspiel des Rekordmeisters – und nun auch die Austragung des Hauptstadt-Derbys.
Die Profis von Hertha BSC saßen vergangenen Freitag, 13. März, bereits im Bus zum Flughafen Tegel, von wo man die Anreise zum Gastspiel bei der TSG Hoffenheim antreten wollte, als sie die Nachricht von der Aussetzung des Spielbetriebs der Fußball-Bundesliga aufgrund der Coronavirus-Epidemie erreichte. Glück im Unglück, gewissermaßen, blieb dem blau-weißen Tross letztlich doch die Erfahrung eines unnützen Trips erspart. „Auch wenn die Meldung zur Verlegung kurzfristig kam, so ist die Entscheidung dennoch nachvollziehbar", beurteilte Michael Preetz, Geschäftsführer Sport bei Hertha BSC, den Vorgang. Auch für den 1. FC Union hatte die Absage der Deutschen Fußball-Liga (DFL) an diesem Tag etwas Gutes: Nach der ersten Entscheidung hätten die „Eisernen" nämlich ihr Heimspiel gegen den FC Bayern München – mithin eines der absoluten Saisonhighlights – vor leeren Rängen im Stadion an der Alten Försterei austragen sollen. „Wir haben die DFL gebeten, konsequent zu sein, den Spieltag abzusagen", erklärte Union-Präsident Dirk Zingler deutlich sein Einverständnis für die Maßnahme. Auf diese Weise besteht zumindest noch die Hoffnung, das Spiel zu einem späteren Zeitpunkt mit Zuschauern austragen zu können. Beide Berliner Bundesligisten setzten daraufhin zunächst einmal mit dem normalen Training aus. Trotz des mittlerweile erfolgten Senatsbeschlusses, der den „Sportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen" bis zum 19. April untersagt, wollten sowohl Hertha BSC (ab Dienstag, 17. März) als auch der 1. FC Union (ab diesem Freitag, 20. März) mittels einer Ausnahmegenehmigung den Trainingsbetrieb wieder aufnehmen. Kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe am Dienstag, 17. März, wurde allerdings bekannt, dass Hertha BSC aufgrund eines positiven Corona-Tests eines Spielers im Profikader seine Mannschaft sowie das Trainer- und Funktionsteam in zweiwöchige häusliche Quarantäne schickt.
„Es geht am Ende des Tages um Finanzen"
Die DFL hatte sich zuvor lange schwer damit getan, den 26. Spieltag abzusetzen – denn viel Geld aus der TV-Vermarktung der Bundesligapartien steht auf dem Spiel. Karl-Heinz Rummenigge sprach dies unmittelbar vor der Entscheidung dann auch offen aus: „Es geht am Ende des Tages um Finanzen", begründete das Vorstandsmitglied von Bayern München das lange Zögern bei der Entscheidungsfindung. Die Übertragung selbst von Geisterspielen hätte den Mitgliedervereinen der DFL weiterhin Zugriff auf das Geld gesichert – sollte die Saison aber etwa nicht fortgeführt werden können, drohen den 36 Erst- und Zweitligisten fehlende Einnahmen (neben den Fernsehgeldern noch aus Vermarktung und Kartenverkauf) von rund 700 Millionen Euro. Kein Wunder also, dass der Geschäftsführer von Borussia Dortmund, Hans-Joachim Watzke, nach der Absage des Spieltags von der „größten Krise des deutschen Fußballs" sprach.
Auffällig in Zeiten der Corona-Krise war jedoch nicht nur das Zögern der DFL bis zur letzten Minute, sondern auch der unterschiedliche Umgang der Bundesligavereine mit der aufkommenden Epidemie. Wurde etwa in Hoffenheim bereits am Dienstag vor der Partie gegen Hertha BSC festgelegt, dass man diese „nach einem intensiven Austausch mit den zuständigen Bundes-, Landes- und Regional-Behörden" (so der Verein) unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchführen würde, war in der Hauptstadt noch längst keine Rede davon. Da hatte Dirk Zingler noch zur Mittagszeit verkündet: „Ich gehe davon aus, dass wir mit Zuschauern spielen werden." Wenige Stunden später schob der 1. FC Union eine Pressemitteilung nach, der zufolge die Behörden des zuständigen Bezirks Treptow-Köpenick „keine Anordnung über einen Ausschluss von Zuschauern für das Heimspiel am 14.03.2020" erlassen hätten. Zingler wies in diesem Zusammenhang sogar Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der zu einer generellen Absage von Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern geraten hatte, in seine Schranken: „Herr Spahn hat auch nicht empfohlen, dass BMW in Berlin die Produktion einstellt, also kann er uns auch nicht empfehlen, dass wir unseren Betrieb einstellen", unterstrich Unions Präsident dabei nicht nur den Unternehmensstatus seines Vereins, sondern auch die Zuständigkeit der lokalen Behörden. Die allerdings wollten sich so uneingeschränkt nicht hinter diese Aussagen stellen – der Bezirksbürgermeister relativierte jedenfalls umgehend, dass aufgrund der „dynamischen Lage" erst gesehen werden müsse, ob „die Entscheidung einen Tag später noch tragfähig ist". Und so entschied man sich am Mittwoch letzter Woche doch (zunächst) für die Durchführung eines Geisterspiels an der Alten Försterei.
Ligabetrieb bis zum 2. April ausgesetzt
Zingler war im Übrigen nicht der einzige Kritiker der Aussage von Jens Spahn – Berlins Innensenator Andreas Geisel hatte sich bereits einen Tag vor dem Chef der Köpenicker dazu geäußert. „Einfach so was in den Raum zu stellen, ist schwierig", befand der SPD-Politiker, der in diesem Zusammenhang eine einheitliche Linie der Bundesregierung vermisste. Daher berief sich auch Geisel zunächst auf die intensive Prüfung durch das jeweils zuständige Bezirksamt. Bei der Kritik mag auch ein Hintergedanke das Hauptstadt-Derby Hertha BSC gegen 1. FC Union an diesem Wochenende (Samstag, 21. März) gewesen sein. Nach den unschönen Vorfällen rund um das Hinspiel in Köpenick im vergangenen November musste schließlich mit einem erhöhten Konfliktpotenzial zwischen den rivalisierenden Fangruppen gerechnet werden – das im Stadion und bei einer öffentlich organisierten An- und Abreise noch am besten unter Kontrolle zu halten wäre. Im Falle eines „Geister-Derbys" jedenfalls wären mögliche gewalttätige Auseinandersetzungen im Umfeld des Olympiastadions oder an anderen, eventuell verabredeten Treffpunkten in Berlin nur schwer in den Griff zu bekommen gewesen. Mit der Entscheidung der DFL-Mitgliederversammlung vom vergangenen Montag, 16. März, den Ligabetrieb bis zum 2. April weiter auszusetzen, ist dieses Negativszenario zumindest vom Tisch – durch den Corona-Fall im Team von Hertha BSC sowieso. Die Hoffnung, dass die Partie irgendwann doch noch im ausverkauften Olympiastadion über die Bühne gehen kann, bleibt so zunächst bestehen. Und sollte es wegen der Corona-Epidemie doch nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit möglich sein, wird eventuell bei den größten Heißspornen vor dem Fernseher die Einsicht reifen, dass eine sportliche Austragung des Hauptstadt-Derbys vor vollen Rängen an sich intensiv genug ist und keiner Ausschreitungen bedarf.