Für Stefanie Altmeyer, Stationsleiterin im Sulzbacher Knappschaftskrankenhaus, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Corona-Pandemie auch im Saarland wütet. Bis es soweit ist, wird ihre Intensivstation bestmöglich aufgerüstet. Das Interview gibt die Lage am 21. März wieder.
Frau Altmeyer, im Kampf gegen Covid-19 stehen Sie als Leiterin einer Intensivstation zusammen mit ihrem Team an der vordersten Front. Wie ist die Stimmung?
Wir sind mitten in den Vorbereitungen und machen alles mobil, was nur geht. Erst kürzlich wurden beispielsweise neue Überwachungskapazitäten geschaffen. Para-
llel dazu schaffen wir auch verstärkt Beatmungskapazitäten, um im Falle des Falles bestmöglich vorbereitet zu sein. Momentan rüsten wir also alles auf, was geht.
Gibt es bereits erste Corona-Patienten?
Nein, noch haben wir keine Covid-19-Patienten auf unserer Station. Auch keine Verdachtsfälle. Diese werden noch auf einer anderen Intensivstation untergebracht. Aber es kann sich von Tag zu Tag ändern. Das ist jedem von uns bewusst, und diese Stimmung ist zu spüren. Es ist wie die Ruhe vor dem Sturm. Ein etwas mulmiges Gefühl, um ehrlich zu sein. Aber wir sind gewappnet, wie die Feuerwehr.
Gibt es interne Informationskanäle, um in einem solchen Fall schnellstmöglich Bescheid zu wissen?
Der Informationsfluss von der Geschäftsleitung zu uns an die Basis läuft sehr gut, muss ich sagen. Als Stationsleiterin werde ich mehrmals am Tag über den aktuellen Stand der Situation informiert und leite diese Informationen gleich an mein Team weiter.
Zudem kommunizieren wir über das Intranet und über Messenger. Das liegt daran, dass nicht alle unsere Kollegen gleichzeitig auf der Station sind. Einige haben beispielsweise frei. Um deshalb immer auf dem gleichen Stand zu bleiben, haben wir uns unter anderem auch über Messenger organisiert. Parallel dazu können auf diesem Weg auch solche organisatorischen Dinge wie zum Beispiel Arbeitsbescheinigungen geklärt werden. Aber auch solche simplen Fragen, wie man überhaupt noch ins Krankenhaus hineinkommt, wenn die Zugänge verschlossen sind.
Mit den eingestellten Besuchszeiten haben Sie jetzt bestimmt mehr Kapazität für die Patienten?
Ja, es ist tatsächlich so. Seit im Krankenhaus die Besuchszeiten eingestellt wurden, haben wir tatsächlich mehr Zeit, unserer Arbeit nachzugehen. Und vor allen Dingen mehr Ruhe. Aber das ist nur ein netter Nebeneffekt. Primär geht es bei dieser Maßnahme darum, die Patienten und das Krankenhauspersonal vor möglichen Infektionen zu schützen.
Für die Patienten tut mir diese Maßnahme unheimlich leid. Gerade auf unserer Station liegen Patienten nach einem akuten Krankheitsgeschehen. Sie brauchen die Nähe ihrer Verwandten. Manche versuchen, Kontakt online zu halten, aber viele sind aufgrund ihres Alters nicht in der Lage, mit dem Handy umzugehen oder sind noch zu schwach, um zu telefonieren. In solchen Fällen tut diese Maßnahme natürlich weh. Individuelle Ausnahmen sind bei uns jedoch möglich, etwa bei Sterbenden.
Auch für die Angehörigen ist es natürlich nicht leicht. Vor allem, wenn sie bei uns anrufen und sich verständlicherweise nach ihren Eltern oder Großeltern erkundigen möchten. Allerdings können wir aufgrund des Datenschutzes keine Auskunft am Telefon erteilen. Auch, wenn wir das menschlich gut nachvollziehen können – wir verweisen dann an den Arzt.
Und wie sieht es mit der Rückmeldung seitens der Bevölkerung aus? Im Internet erhält Krankenhauspersonal gerade ziemlich viel Zuspruch…
Ja, die Kampagne „Wir bleiben für euch hier – bleibt ihr für uns zu Hause" kommt wirklich gut an. Viel Zuspruch, viele positive Kommentare. Das freut uns natürlich. Auch, dass Menschen aus offenen Fenstern für Ärzte applaudieren, die in dieser schweren Zeit alles geben, um zu helfen, ist für uns alle ein großes Maß an Anerkennung.
Insgesamt scheint die Gesellschaft näher zusammenzurücken, solidarischer und sozialer zu werden. Das finde ich schön. Auch, dass so viele bereit sind zu helfen und sich um ihre Nachbarn kümmern, ist eine schöne Entwicklung in dieser schweren Zeit.
Bei uns im Team ist es nicht anders. Kollegen ohne Kinder unterstützen die, die eine Familie haben, und tauschen mit ihnen die Dienstzeiten, damit sie sich um die Kinder kümmern können. Ich musste da gar nicht erst eingreifen. Diese Hilfe ist einfach gleich am Anfang der Pandemie in unserem Team entstanden. Darauf bin ich sehr stolz.
Gibt es etwas, dass Sie sich seitens der Politik oder der Bevölkerung wünschen, um Ihre Arbeit noch effektiver zu machen?
Ja, um ehrlich zu sein, würde ich mir eine Ausgangssperre wünschen. Wenn man im Gesundheitsbereich tätig ist, so wie ich, sieht man die Entwicklung etwas kritischer. Dann weiß man auch um die Gefahr einer Erkrankung bei bereits schwerkranken Patienten und zu was eine weitere Infektion in einem solchen Zustand führen kann. Junge Menschen kommen in diesem Fall vermutlich mit einem blauen Auge davon. Für die Älteren dagegen kann eine solche Unachtsamkeit fatale Folgen haben. Und diese Menschen gilt es, zu schützen.
Zum Glück haben wir viele Saarländer, die vernünftig und verantwortungsvoll sind. Die sich schon jetzt an die Beschränkungen halten. Für diese Menschen würde sich auch mit der Ausgangssperre kaum etwas ändern. Die anderen wären dann endlich gezwungen, zu Hause zu bleiben.
Welchen Ratschlag würden Sie den Saarländern geben?
Zur Ruhe kommen, Zeit für sich nehmen und etwas genießen. Ich weiß, in dieser Zeit hört sich das etwas befremdlich an, aber solche Momente geben Kraft. Das wird auch so bei uns im Team kommuniziert.
Wer gerade keine Schicht hat, versucht sich zu entspannen und für die schwere Zeit, die vor uns steht, zu sammeln. Deswegen: Nicht verrückt machen, Hygienevorschriften beachten und vielleicht denen helfen, die Hilfe brauchen. Dann können wir es schaffen. Wenn wir alle zusammenhalten.