Trotz Erkältung fuhr die saarländische Topathletin Lisa Klein bei der Bahnrad-WM in Berlin mit dem Frauen-Vierer auf das Podium. Zuvor stellte das Team in der Mannschaftsverfolgung über 4.000 Meter einen neuen deutschen Rekord auf.
Es dauerte ein paar Tage, bis Lisa Klein ihre Erfolge bei der Bahnrad-Weltmeisterschaft Ende Februar in Berlin realisieren, einordnen und genießen konnte. Eine einfache Erkältung – ja, auch das gibt es in Corona-Zeiten noch – schlauchte sie während der WM und verhinderte womöglich weitere Erfolge und Rekorde. Gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen Franziska Brauße, Lisa Brennauer und Gudrun Stock hatte sich die Völklingerin in der Mannschaftsverfolgung über 4.000 Meter im kleinen Finale gegen Kanada Bronze gesichert. Gold gewannen am Ende die USA vor Großbritannien. In der Runde zuvor hatte das deutsche Team in 4:11,039 Minuten sogar einen neuen deutschen Rekord aufgestellt und damit den alten um mehr als drei Sekunden verbessert. Mit dieser besten Zeit des Tages wäre sogar die Goldmedaille möglich gewesen, doch wegen technischer Probleme landete der deutsche Vierer in der Qualifikation nur auf Platz sieben, was die Teilnahme am großen Finale ausschloss. „Daraus lernen wir, und das wird uns so nicht mehr passieren. Wir haben eine Nacht drüber geschlafen und uns gesagt: ‚Wir rocken das morgen einfach!‘" Und so kam es schließlich auch.
„Unser Ziel war es schon, eine starke Zeit zu fahren. Dass wir ganz vorne mithalten werden, war uns vorher aber nicht so bewusst", sagt Lisa Klein zur Bronzemedaille, die ihr „sehr viel bedeutet. Aber fast mehr noch bedeutet mir unsere Zeit. Am Ende sind wir als Mannschaft nur acht Hundertstel am Finale vorbeigefahren, und es ist ganz wichtig zu sehen, dass wir bei Olympia um eine Medaille mitfahren können", freut sich die 23-Jährige und appelliert an ihr ganzes Team: „Es wird Zeit, dass wir aufwachen und feststellen, dass wir an der Weltspitze dran sind und nicht 20 Sekunden hinterherfahren. Damals in Rio waren wir noch Welten entfernt –
das ist jetzt nicht mehr so."
Bronzemedaille bedeutet ihr sehr viel
Von dieser Euphorie war am Tag danach zunächst einmal nichts zu spüren. Wohl aber die Kopfschmerzen der plötzlich aufgekommenen Erkältung. „Ich konnte von Donnerstag auf Freitag nur wenig schlafen, war mit Schmerzen aufgewacht und musste den Freitag komplett im Bett verbringen", beschreibt Lisa Klein die Lage, in die sie die Erkältung zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt brachte: „Ich war nur einmal kurz an der frischen Luft und stieg abends kurz aufs Rad. Samstags zur Einer-Verfolgung über 3.000 Meter hatte ich mich wieder gut gefühlt, konnte mich noch einmal richtig aktivieren, und der Körper hat mitgespielt." Ein Risiko wäre sie für die Teilnahme am Rennen nicht eingegangen, stellt sie klar: „Ich hatte auch kein Fieber. Aber wäre es mir an den Renntagen so schlecht gegangen wie freitags, dann wäre ich nicht mitgefahren."
So tat sie es doch und verpasste eine Medaille nur knapp. Im kleinen Finale um Bronze, das sie letztes Jahr im polnischen Pruskov noch gewinnen konnte, unterlag sie Mannschaftskameradin Franziska Brauße. Mit ihr wurde Klein zuvor noch Zehnte im Madison-Rennen über 30 Kilometer. Brauße siegte in 3:24,284 Minuten und war damit fast zwei Sekunden schneller als Klein (3:26,342 Minuten). Gold ging an die US-Amerikanerin Chloe Dygert, die mit 3:16,937 Minuten ihren eigenen Weltrekord erneut verbesserte und Silber sicherte sich Lisa Brennauer mit neuem Deutschen Rekord (3:18,320 Minuten). „Ich habe noch einmal alles gegeben, aber es hatte einfach nicht für eine weitere Medaille gereicht. Der Körper war dann aber auch durch und mehr ging nicht", sagt Klein, die mit ihrer Zeit „ganz zufrieden" ist – vor allem mit Blick auf die gesundheitlichen Umstände. Etwas Enttäuschung über das Verpassen des großen Finales schwingt allerdings auch mit. „Mit Blick auf die erfahrene Konkurrenz ist das aber absolut keine Schande. Es ist nicht alles optimal gelaufen, aber trotzdem gehe ich sehr positiv aus der WM. Es hätte schlimmer kommen können", findet Klein und ergänzt: „Also alles in Ordnung. Es war eine schöne und sehr emotionale WM. Ich bin ja noch jung und habe noch genug Zeit und Luft nach oben, mein volles Potenzial abzurufen und vielleicht auch so ein großes Finale mal zu gewinnen." Immerhin hatte sie zuvor das kleine Finale mit der Mannschaft gewinnen können. „Die Medaille ist einfach nur Hammer", sagt sie und freut sich vor allem darüber, dass bei dieser Heim-WM viele Freunde und ihre Familie dabei sein konnten: „Das waren ganz tolle Momente, die man in einer sportlichen Karriere nicht allzu oft erlebt."
Banger Blick in Richtung Olympische Spiele
Diese Momente und die Erfolge sind für die 23-jährige Saarländerin Motivation genug, ihren Weg weiterzugehen. Oder besser: zu fahren. Und zwar auf der Straße und auf der Bahn. Bei Weitem nicht jede Radsportlerin oder Radsportler trauen sich dies zu. „Ich habe mich mit Blick auf Olympia so entschieden und habe bisher nichts bereut. Obwohl eine solche Doppelbelastung schon eine Herausforderung darstellt", gibt Klein zu, merkt aber an: „Mit einer guten Straßenform auf die Bahn zu gehen, war bei mir aber noch immer sehr erfolgreich. Auch, wenn die ersten Runden auf der Bahn natürlich wehtun. Es bedarf einfach einer guten Absprache aller Beteiligten, dann geht das."
Ob die Olympischen Spiele, die zwischen dem 24. Juli und 9. August in der japanischen Hauptstadt Tokio ausgetragen werden sollen, wegen der Corona-Pandemie stattfinden werden, steht noch in den Sternen. Falls doch, ist der deutsche Bahnrad-Vierer der Frauen bereits dafür qualifiziert. Zudem gibt es für zwei Startplätze für das Einzelzeitfahren und vier Plätze im Straßenrennen für deutsche Fahrerinnen. Die Chancen, dass Lisa Klein dabei sein wird, sind groß: „Ich muss nur gesund bleiben und meine Leistung zeigen, dann sollte das klappen", sagt das saarländische Radsport-Talent.