Valdrin Mustafa aus Rehlingen ist der erste saarländische Profisportler, der positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Wo er sich infiziert hat, weiß er nicht.
Wer mit Valdrin Mustafa von Angesicht zu Angesicht sprechen will, muss dies via Facetime tun. Nicht einmal eine Woche nach seinem 22. Geburtstag wurde der Fußball-Profi positiv auf das neue Coronavirus getestet. Auf der Couch im Wohnzimmer des Elternhauses in Rehlingen erzählt der Angreifer gefasst und ruhig von einer einschneidenden Erfahrung in seinem jungen Leben. „Wir haben noch Witze in der Kabine gemacht, aber eigentlich war es total weit weg. Erst als sie Schulen geschlossen haben, als ich gemerkt habe, dass es ein Thema innerhalb der Familie ist, habe ich begonnen, mich damit auseinanderzusetzen", sagt der Saarländer, der für die U23 von Hannover 96 in der Regionalliga Nord auf Torejagd geht. „Fußball ist so unwichtig", sagt „Valdi" und berichtet von der Sorge um seine Familie. Derzeit steht er mit seinen Eltern und den drei Brüdern (25, 23 und 12) unter häuslicher Quarantäne.
Bei Hannover 96 gab es vor wenigen Wochen den ersten positiven Test im deutschen Fußball. Der betraf aber die Zweitliga-Mannschaft. Mustafa, der im Alter von 14 Jahren das Elternhaus verließ, um ins Jugendinternat des 1. FC Kaiserslautern zu wechseln, bekam davon nur am Rande mit: „Wir sind natürlich gewarnt worden, haben auch gesagt bekommen, wie wir uns verhalten sollen. Aber ich habe unter dem neuen Trainer Kenan Kocak nicht oben mittrainiert, daher hatte ich keinen direkten Kontakt", erzählt der 22-Jährige. So machte er sich auch keine Gedanken, als am 12. März entschieden wurde, dass der Spielbetrieb in der Regionalliga ruht. Er packte die nötigsten Sachen zusammen, um die Familie im Saarland zu besuchen. Die steht für den U21-Nationalspieler des Kosovo immer im Vordergrund: „Wir haben eine große Familie und einen engen Draht. Meine Eltern und meine Brüder kommen mich oft besuchen. Ich habe eigentlich gedacht, dass es ein guter Zeitpunkt ist, um mal ein bisschen aufzutanken und Zeit mit der Familie zu verbringen." Doch kurz nach seiner Rückkehr ins Saarland kam der Schock. Samstagmorgens wachte Mustafa mit Halsschmerzen, Kopfbrummen und allgemeinem Schwächegefühl auf. Er informierte seinen Mannschaftsarzt in Hannover. Zwei Tage später dann die Diagnose. Er hat sich mit dem neuartigen Virus angesteckt. „Das große Problem für mich ist, dass ich schon bei meiner Familie war. Ich mache mir mehr Sorgen um sie als um mich. Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Im Endeffekt geht es mir nicht schlechter als bei einem grippalen Infekt", sagt Mustafa.
Für den jungen Sportler, für den Bewegung zum Alltag gehört, ist es eine ungewohnte Situation: „Ich soll mich nicht viel bewegen, viel schlafen und viel trinken. Ich habe noch das Glück, dass wir einen großen Garten haben, in dem ich mich bewegen kann."
„Wenn keiner zuschaut, macht es keinen Spaß"
Glück im Unglück ist zweifelsohne die Tatsache, dass der Spielbetrieb ohnehin ruht. So verpasst Mustafa, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, keine Minute. Der 1998 in Merzig geborene Angreifer galt vor einigen Jahren als größtes deutsches Stürmertalent seines Jahrgangs. Für den 1. FC Kaiserslautern holte er sich die Torschützenkrone in der U19-Bundesliga, bekam einen Profi-Vertrag bei den Roten Teufeln. Nachdem er dort – bedingt durch die vielen Trainerwechsel – nicht zum Zug kam, sollte die Karriere neuen Schwung nehmen. „Es läuft eigentlich gut, ich habe in dieser Saison schon ein paar Buden gemacht und war unter Trainer Mirko Slomka auch oben dabei und war kurz davor, bei den Profis zu spielen", sagt Mustafa. „Leider war die sportliche Entwicklung nach dem Bundesligabstieg weiter schwierig, und so kam es zu dem Trainerwechsel. Da ist es dann für einen jungen Spieler natürlich immer schwer."
In den vergangenen Wochen hat sein Berater erste Gespräche mit Hannover 96 geführt, aber auch andere Optionen seien ein Thema. Doch das ist erst einmal in den Hintergrund gerückt. Wie geht ein junger Sportler, dem alle Türe offenstehen, mit der aktuellen Situation um? „Man macht sich natürlich schon seine Gedanken. Die Nachrichten sind voller schlechter Meldungen, man kommt im Fernsehen gar nicht drumherum, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Und es wird einem bewusst, dass es viel wichtigere Dinge gibt als Fußball. Und ich weiß auch, dass es derzeit viele Menschen gibt, denen es schlechter geht als mir."
So vertreibt er sich die Zeit an der Playstation, wenigen Spaziergängen und Anrufen bei Freunden und Verwandten. Ist Mustafa in Deutschland der breiten Öffentlichkeit bisher eher unbekannt, so hat die Nachricht in der Heimat seiner Eltern hohe Wellen geschlagen. „Ich habe mich entschieden, offen mit der Erkrankung umzugehen. Ich habe tausend Genesungswünsche erhalten, und dauernd rufen Medien aus dem Kosovo an. Man muss dazu sagen, dass Corona dort bisher kein großes Thema ist, es gibt nur wenige Erkrankte. Und ich hoffe, dass es so bleibt."
Vielleicht hat die frühzeitige Erkrankung auch etwas Gutes. Sollte die Fußball-Runde in einigen Wochen doch noch einmal fortgesetzt werden, hat Mustafa das Schlimmste bereits hinter sich und kann voll in den Trainingsalltag einsteigen. Zunächst einmal ist Ruhe angesagt, danach soll er sich mit einem individuellen Trainingsplan langsam wieder an den Sport gewöhnen. „Wir können derzeit gar nicht sagen, wie es weitergehen wird. Jetzt ist erst einmal Pause. Sobald ich wieder ganz gesund bin, werde ich nach Hannover zurückkehren und mich vorbereiten. Wir können ja ohnehin nicht genau sagen, wann wir wieder spielen werden", sagt Mustafa.
Eine explizite Meinung hat der 22-Jährige aber auch, wenn es darum geht, ob der Spielbetrieb notfalls auch ohne Zuschauer fortgesetzt werden soll. „Natürlich haben wir in der Regionalliga nicht so viele Zuschauer wie in der Bundesliga. Aber ganz ehrlich: Wenn keiner zuschaut, macht Fußball doch keinen richtigen Spaß."