Bubacarr Sissoho ist ein Multitalent und genau das kommt dem 43-Jährigen, der normalerweise Streetfood verkauft, in der aktuellen Krise zugute.
Bubacarr Sissoho lebt seit der Jahrtausendwende in Deutschland. Er ist ein Mensch mit vielen Talenten – und er liebt Herausforderung. „Mein ganzes Leben besteht aus Herausforderungen", betont der 43-Jährige aus Gambia. In seiner neuen Heimat spielte er bereits Theater und machte Musik mit seiner Gruppe Africa Unity. Er war DJ und unterwegs mit seinem Soundsystem Jattasound. Buba, wie er genannt wird, jobbte als Türsteher, organisierte Veranstaltungen, beispielsweise ein Festival namens „Jattajam" am Silo in Saarbrücken. 2014 organisierte er ein Festival am Saarbrücker Römerkastell namens „Afrocano" und 2015 gab es am Silo eine Neuauflage von „Jattajam". Dort traten neun verschiedene Künstler mit neun unterschiedlichen Nationalitäten auf. Bubas Ziel dabei war es, Leute die hier im Saarland leben, zusammenzubringen. Saarländer und Auswärtige.
Und Bubacarr Sissoho hat eine Leidenschaft fürs Kochen. Dass dies so ist, entdeckte er 2007. Damals war er noch Leichtathlet an der Sportschule und trainierte regelmäßig mit einem Freund aus Sambia, einem Badmintonspieler, in der gleichen Halle. Als sein Freund Eli Mambwe Geburtstag hatte, kaufte Buba Hähnchen und bekochte ihn und die anderen Partygäste. Etwa 25 Personen, darunter zahlreiche andere Athleten, die sich zum damaligen Zeitpunkt auf die Olympischen Spiele 2008 in Peking vorbereiteten, wie Bubacarr Sissoho erzählt.
Mit Bananenchips für den Sohnemann fing alles an
Erst 2012 begann er, sich intensiver mit dem Kochen zu beschäftigen, parallel zu seiner Ausbildung zum Altenpfleger bei der Caritas. Eines Tages fragte ihn eines seiner beiden Kinder, ob Buba Bananenchips machen könne. Also kaufte der Papa in einem afrikanischen Laden Kochbananen und machte sich ans Werk. Er schnitt zu Hause dünne Scheiben ab, frittierte diese und reichte seinem Sohn die Scheiben – mit etwas Salz. Dieser probierte und war begeistert. „Wenn ich die Bananenchips verkaufen würde – würdest Du diese kaufen?", fragte er seinen Sohn. Und als dieser nickte, reifte bei Bubacarr Sissoho eine Idee. Doch zunächst wollte er seine Ausbildung zum Altenpfleger fertigmachen, um etwas Handfestes zu haben, und schloss als examinierter Altenpfleger ab. Er liebte die Ausbildung im Altenheim in Dudweiler, wie er betont: „Die Leistung der Menschen, die in diesen Heimen arbeiten, ist unbeschreiblich", sagt er. Für ihn war diese Zeit eine wichtige Erfahrung – auch kulturell. In seiner Heimat Gambia leben die Alten – wie in nahezu allen afrikanischen Ländern – immer in der Familie. Ihre Kinder sind praktisch ihre Rentenversicherung.
Parallel zu seiner Ausbildung begann er bereits, auf großen Festivals zu kochen. Seinen ersten Auftrag hatte er 2014 in Börsenbrück bei einem Reggae-Festival. Dort bot er zum ersten Mal seine Bananenchips an, und diese wurden zum Renner. Selbst ein Reggae-Magazin, das über das Festival berichtete, erwähnte Buba mit seinen Chips. Danach begann er, besondere Dips für sein Essen zu kreieren – Mangosauce, Erdnusssauce oder Zwiebelsauce beispielsweise. Es wurden insgesamt zehn verschiedene Dips, und in seinem Kalender standen bald jede Menge Termine in ganz Deutschland und halb Europa. „Jattafood international" war geboren.
„Meine Handschrift ist Kochen mit Liebe!", betont er. „L i e b e. Denn Kochen ist nicht nur ,Hauptsach gudd gess‘. Nein, es ist vor allem, was man isst! Es ist Soulfood", sagt der Mann aus Gambia. „Für mich ist Essen lebendig, es ist nicht nur etwas Totes. Wir kommunizieren mit unserem Essen." Buba baute schon frühzeitig sein veganes Angebot aus, denn er merkte schnell, dass der Zeitgeist danach verlangte. Vor zwei Jahren bekam er dafür in Berlin sogar einen besonderen Preis – beim „European Streetfood Awards" in der Kategorie „Bestes vegetarisches Streetfood", sozusagen der Europameisterschaft der Streetfood-Köche. Buba erzählt: „Um überhaupt nach Berlin zu kommen, musst Du bereits einer der besten in Deutschland sein! Von 53 Ständen bei der Vorauswahl in Saarbrücken haben sich nur zwei qualifiziert – Frittenwerk aus Nordrhein-Westfalen und ich. Und wir zwei vertraten Deutschland dann in Berlin – gegen Teilnehmer aus 13 Ländern. Und ich habe in der Kategorie vegetarisches Streetfood gewonnen", betont Bubacarr Sissoho stolz. „Ich hatte dafür eine neue Sauce konzipiert, die keiner hatte – Erdnuss, Mango, Kokos mit verschiedenen Gewürzen."
Auch in diesem Sommer hatte er vor, etwa 30 Veranstaltungen zu machen. Es war auch alles schon gebucht. Doch die Corona-Krise hat alles verändert. Ausgefallen in den vergangenen Wochen sind Termine in Kaiserslautern, Frankfurt, Köln und Mainz. Wegbrechen werden in den kommenden Wochen und Monaten weitere in Düsseldorf, Viersen, Bonn, St. Wendel, Luxemburg, Ludwigshafen und bei der Saarlouiser Emmes.
Ab 1. April arbeitet er wieder in seinem Beruf als Pfleger
Wir schlendern durch das Nauwieser Viertel in Saarbrücken. Am Bistro „Nauwies" steht noch ein Schild mit Gerichten, die Buba hier anlässlich einer Firmeneröffnung am 1. März gekocht hatte. Da pulsierte das Leben noch in Deutschland. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert. Eigentlich hatten wir vor, einen bunten Stand aufzubauen und Buba bei der Arbeit zu beobachten. Das geht zurzeit aber nicht. Als unser FORUM-Fotograf gerade ein Foto von Buba und mir macht, fährt ein Polizeiwagen vorbei, stoppt, und die Beamten beobachten, was wir hier wohl machen. Sie machen ihren Job, haben ein Auge darauf, dass die Menschen die Ausgangsbeschränkungen und das Versammlungsverbot einhalten. Als sie sehen, dass alles in Ordnung ist, fahren sie weiter. Das Viertel ist wie ausgestorben. Wir sind die Einzigen auf der Straße.
Nachdem die Bilder gemacht sind, setze ich mich mit Buba auf die Treppe vor dem Jugendzentrum. Etwas versteckt, damit keiner fragt, was wir hier machen. Die Frage, die ich auf den Lippen habe, ist offensichtlich: Wie kann er als Gastronom in diesen Zeiten überleben? All seine Termine fallen ja aus. Seine Ausbildung, die er damals bei der Caritas gemacht hat, ist in diesen Tagen seine Rettung. Ab 1. April wird Bubacarr Sissoho wieder als Altenpfleger arbeiten. Und darauf hoffen, bald wieder kochen zu dürfen. Dann gerne auch wieder auf privaten Veranstaltungen. Für Feiern ab fünf Personen kann man ihn nämlich buchen.