Die Lufthansa streicht während der Corona-Pandemie fast alle Flüge und bringt Staatshilfen ins Spiel. Aber wie geht die Airline in der Krise mit ihren Kunden um? Ein Erfahrungsbericht.
Als Journalist schreibe ich viel über USA-Themen. Knapp zwei Monate war ich deshalb zuletzt in den Vereinigten Staaten unterwegs. Schon im Januar hatte ich meinen Rückflug mit der Lufthansa gebucht. Er sollte am 19. März von Los Angeles aus starten – wäre da nicht eine Pandemie dazwischengekommen. Und eine beispiellos schlechte Kommunikation seitens der Airline. Das Protokoll:
11. März: Die Lufthansa kündigt öffentlich an, im April 23.000 Flüge zu streichen. Ich ahne schon, dass auch ich betroffen sein könnte. Tatsächlich verschickt die Airline noch am selben Tag eine englischsprachige Rundmail an ihre Kunden: Der Flugplan müsse wegen der gesunkenen Nachfrage und geänderten Einreisebedingungen angepasst werden. „Falls Ihr Flug betroffen sein sollte, bitten wir um Ihr Verständnis." Was man konkret tun soll, verrät die Mail nicht. Stattdessen das Versprechen: „Wir tun alles Mögliche, um Ihnen eine angenehme und sichere Reise zu ermöglichen."
12. März: Die USA verhängen einen 30-tägigen Einreisestopp für Europäer, woraufhin die Flugbuchungen noch einmal drastisch einbrechen. Ob wohl auch mein Rückflug betroffen ist? Ich versuche auf der Lufthansa-Homepage nachzuschauen, erhalte aber keine Info. Der Flugstatus ist erst wenige Tage vor der Abreise einsehbar.
13. März: Im Flugplan der Lufthansa wird mein Flug nicht mehr angezeigt. Auf Reiseportalen kann man ihn aber nach wie vor buchen.
14. März: Endlich kann man sich einloggen. „Einer Ihrer Flüge wurde gestrichen", heißt es auf der Website. Ihn selbst umzubuchen, ist nicht möglich. Bei Fragen könne man sich „jederzeit an unser Service-Center wenden". Ich rufe an, bekomme aber nur eine Bandansage zu hören: „Momentan verzeichnen wir ein so starkes Anrufaufkommen, dass alle Telefonleitungen belegt sind."
Kundennummer nicht anwählbar
Um 18.29 Uhr komme ich zumindest in die Warteschleife. „Wir bemühen uns, Flugstreichungen so früh wie möglich zu veröffentlichen", sagt eine automatische Stimme. Es folgen allerlei Floskeln über außergewöhnliche Umstände und der Hinweis, dass annullierte Flüge „automatisch umgebucht" würden. Man werde benachrichtigt, könne über die Website oder die App aber auch selbst umbuchen – außer beim Tarif L, der zufälligerweise meiner ist. In diesem Fall müsse man die Hotline anrufen. Während des Abendessens zwei Stunden später – und auch beim Spülen – dudelt die Warteschleifen-Musik. Zum Glück nutze ich Skype. Müsste ich von den USA aus übers Handy telefonieren, wäre die Warterei bald teurer als der komplette Flug.
15. März: Erneuter Anruf, wieder am Nachmittag, also mitten in der Nacht in Deutschland. Vielleicht ist um diese Zeit ja weniger los. Zwei Stunden und 26 Minuten später lege ich frustriert auf. Die Zeit ist vertan, die Unsicherheit bleibt.
16. März: Das Kundentelefon der Lufthansa ist überhaupt nicht mehr erreichbar. Die Nummer lässt sich nicht wählen, so als gäbe es sie gar nicht. Ich probiere mal etwas anderes und wähle die Hotline für amerikanische Kunden. Es klingelt, aber niemand geht ran.
Da ich langsam mit meinem Latein wirklich am Ende bin, schreibe ich eine Mail an die Pressestelle des Konzerns. Ich frage, was Passagiere mit annullierten Flügen tun sollen, wenn sie das Service-Center nicht erreichen: Auf gut Glück zum Flughafen fahren? Oder einfach selbst etwas anderes buchen und dann die Rechnung einreichen?
Der Pressesprecher antwortet tatsächlich. „Es ist verständlicherweise sehr unschön, nicht nach Deutschland zurückkehren zu können", schreibt er. Die „bereits aufgestockte Kapazität der weltweiten Callcenter" reiche leider nicht aus, um alle Anfragen zu bedienen. Er kopiert den allgemeinen Text der Lufthansa-Website in die Mail, wonach man sich in einer „dynamischen und herausfordernden Situation" befinde. Mehr könne er leider nicht sagen.
Ich schreibe zurück, ob man den Preis erstattet bekommt, wenn man bei einer anderen Airline ein Ersatz-Ticket bucht. Antwort: „Das kann ich beim besten Willen nicht sagen." Grundsätzlich werde es sich wohl „um höhere Gewalt" handeln.
Untersucht wird kein Passagier
17. März: Die sonst so verstopften Straßen von Los Angeles sind gespenstisch leer. Die meisten Restaurants haben geschlossen oder bieten Essen nur noch zum Mitnehmen an. Supermärkte besprühen die Hände ihrer Kunden mit Desinfektionsmittel, im Fernsehen werden Ausgangssperren diskutiert. Ein guter Zeitpunkt, die Heimreise zu planen. Da sich die Lufthansa immer noch nicht gemeldet hat, buche ich selbst einen Rückflug. United Airlines bietet ihn bereits für den nächsten Tag an, Kostenpunkt: 535 Euro. United ist eine Partner-Gesellschaft der Lufthansa. Warum sie nicht selbst auf diesen Flug umbucht und ich nun doppelt zahlen muss, bleibt mir ein Rätsel. Ist es eine Folge des Corona-Chaos? Oder Kalkül?
18. März: Direktflüge nach Frankfurt gibt es kaum noch. Auch ich muss in San Francisco umsteigen, bin aber froh, überhaupt noch wegzukommen. Auf dem ersten Flug sitzt ein deutscher Austauschstudent neben mir, der ebenfalls mit der Lufthansa zurück wollte. Er erzählt, auch sein Flug sei gestrichen worden. Er habe per E-Mail sogar einen Ersatzflug zugeteilt bekommen – zehn Minuten bevor dieser abhob. Auch er musste also am Ende ein neues Ticket kaufen.
Im Flugzeug ist die Stimmung angespannt. Im Minutentakt verkünden die Flugbegleiter gestrichene Anschlussflüge: Paris annulliert, München verspätet. Zum Glück ist mein Flug nicht betroffen. Aber auch er hebt am Ende mit einer Stunde Verspätung ab, weil noch ein Dutzend Deutsche an Bord kommen, deren Flüge annulliert wurden. Am Ende ist jeder einzelne Platz belegt.
19. März: Kurz nach 10 Uhr morgens landet das Flugzeug. Alle Passagiere werden in Busse verladen und zu einer medizinischen Untersuchung gefahren – so zumindest die Ansage im Flugzeug. Der groß angekündigte „Gesundheitscheck" kommt in Form von zwei Polizisten daher, die mit Mundschutz die Pässe kontrollieren. Ich öffne kurz meine E-Mails, um zu schauen, ob sich die Lufthansa in letzter Minute vielleicht doch noch gemeldet hat. Hat sie nicht.
Der Flughafen wirkt verlassen, im ICE sitzt noch eine weitere Person im Großraumabteil. Mir fällt ein Stein vom Herzen, es endlich geschafft zu haben. Die nächsten Herausforderungen zeichnen sich schon ab: Corona irgendwie meistern. Und am Ende das Geld von der Lufthansa zurückholen.