Früher gab es bunte Ballons und Wunderkerzen im Stadion, heute schicken sie Bomben im intimen Rahmen. Das „Everyday Life" – Alltagsleben – aus Sicht von Coldplay erzählt kleine Geschichten inmitten des Trubels der Weltpolitik. Das britische Quartett macht das, ohne die viel zu lauten und ohnehin überpräsenten Akteure zu benennen oder gar anzuklagen – und schafft es so, eine ganze Menge der Sympathie zurückzugewinnen, die vielen nach immer größerer Anbiederung an den Mainstream verlustig ging. Nun herrschen Sozial- und Gesellschaftskritik vor.
Nur von einer schnellen Gitarre begleitet kommt „Guns" daher und schleudert einem sarkastisch „We need more guns" entgegen. Es folgt die Vorabsingle „Orphans", die vielleicht am ehesten an die Radiotauglichkeit von einer der erfolgreichsten Bands der letzten 20 Jahre erinnert. „Orphans" nun klingt zwar positiv und hat einen mitreißenden Refrain, erzählt aber die an sich traurige Geschichte von Rosaleem und ihrem „Baba", die aus Syrien flüchten müssen. Weitere musikalisch sehr zurückhaltende Stücke sind „Cry Cry Cry", „Friends" oder „بنی آدم (Children of Adam)", die teilweise so leise arrangiert sind, als wollten sie sich verstecken.
Das Titelstück „Sunrise" wiederum überrascht mit rein symphonischer Instrumentierung. Das wunderbar reduzierte „Trouble In Town" setzt sich intensiv mit der strukturellen Polizeibrutalität und -willkür gegen Menschen in den USA auseinander, die nicht kaukasisch aussehen. Dem Call-and-response-Gospel „BrokEn" folgt das musikalisch rührselige, aber textlich berührende „Daddy". „Arabesque" überzeugt in der Zusammenarbeit mit dem belgischen Rapper/Singer-Songwriter Stromae und dem vielleicht jazzigsten Saxofon-Solo des Jahres.
Die Mischung aus World-Music-Anleihen, Gospelchören, Liedfragmenten und Radiohits überzeugt nicht auf ganzer Spielzeit. Doch trotz der Zerfahrenheit scheinen sich die vier Musiker um Frontmann Chris Martin auf ihre Anfänge zurückzubesinnen und ein Album aus einem Guss vorlegen zu wollen.