Ein Jahr früher als geplant wagt Basketballerin Satou Sabally den Schritt in die US-Profiliga WNBA. Beim Draft am 17. April hat die Deutsche beste Chancen, ganz weit vorn gezogen zu werden. Für ihren Trainer am College hat die 21-Jährige das Potenzial, eine der besten Spielerinnen der Welt zu werden.
Satou Sabally hatte es in ihrer Karriere schon immer eilig. Mit 13 Jahren spielte sie in Berlin bereits in der Zweiten Liga, zwei Jahre später war sie Stammspielerin beim TuS Lichterfelde im Unterhaus. Mit 17 unternahm sie dann in Freiburg ihre ersten Schritte in der Bundesliga, doch das Ziel war auch damals schon ein viel größeres. Sabally zog es nach Amerika, um sich dort ihren Traum zu erfüllen: Basketballprofi werden.
Im Eiltempo ist die 21-Jährige bislang die Karriereleiter emporgeklettert. Da überrascht es nicht, dass Sabally nun gleich die erste Gelegenheit ergriffen hat, um den Absprung in die WNBA zu schaffen. Wenn die Clubs der US-Frauenprofiliga am 17. April die größten Talente der amerikanischen Hochschulliga NCAA auswählen, ist auch ihr Name in der Verlosung. Mehr noch: Die Deutsche gilt bei allen Experten als sicherer Top-4-Pick und dürfte somit als eine der Ersten genannt werden. Einige Beobachter halten es sogar für möglich, dass sie als Zweite gezogen wird, also direkt hinter Sabrina Ionescu, ihrer Teamkollegin von den Oregon Ducks. In jedem Fall dürfte Sabally die im WNBA-Draft höchstgezogene deutsche Spielerin werden. Zuvor wurden 2018 Marie Gülich an zwölfter Stelle und Linda Fröhlich 2002 als 26. ausgewählt. Marlies Askamp, die zwischen 1997 bis 2002 als erste Deutsche in der weltbesten Frauenliga auflief, wurde nicht im Draft gezogen, sondern wechselte direkt aus Europa in die damals neu gegründete WNBA.
Eigentlich wäre Satou Sabally erst 2021 an der Reihe gewesen. Doch sie entschied sich, ihr Studium an der University of Oregon und damit auch ihre studentische Basketballkarriere vorzeitig abzuschließen und sich schon ein Jahr eher für den Draft anzumelden. Die Regularien machen dies möglich, weil sie in diesem Kalenderjahr – am 25. April – 22 Jahre alt wird. „Ich will mir wirklich meinen Kindheitstraum erfüllen und in der WNBA spielen, später dann professionell in Europa", begründete sie ihre Wahl gegenüber dem Fernsehsender ESNP. „Es war eine harte Entscheidung, aber sie kam von Herzen."
Mit 13 Jahren spielte sie bereits Zweite Liga
Auch finanzielle Gründe hätten dabei eine Rolle gespielt: Ihre Familie sei finanziell nicht so gut gestellt und hätte sie auf ihrem Weg trotzdem stets unterstützt. „Ich habe das Gefühl, endlich etwas zurückgeben und ihr Leben damit etwas einfacher machen zu können", sagte sie. Sollte sie beim Draft tatsächlich unter den ersten vier Spielerinnen landen, sind ihr 68.000 Dollar Grundgehalt garantiert. Inklusive Prämien verdienen die besten Spielerinnen in der WNBA sogar bis 500.000 Dollar pro Jahr. Dass sie durch den frühzeitigen Wechsel ins Profilager nicht mehr die Gelegenheit bekommt, an der Seite ihrer jüngeren Schwester Nyara aufzulaufen, nahm sie dabei in Kauf. Nyara Sabally steht ebenfalls im Kader der Oregon Ducks, kam aber aufgrund von Knieverletzungen in ihren ersten beiden Jahren nicht zum Einsatz. „Es bricht mir das Herz, dass ich nicht die Möglichkeit hatte, mit meiner Schwester Nyara zusammen zu spielen. Aber ich bin froh, dass wir die vergangenen zwei Jahre zusammen verbringen konnten", sagte Satou Sabally.
Ihren Abschluss an der University of Oregon hatte sie sich trotzdem anders vorgestellt. Nachdem die Ducks im vergangenen Jahr erstmals das Final Four erreicht hatten und dort erst im Halbfinale am späteren Titelträger von der Baylor University gescheitert waren, wollte die Mannschaft von der Westküste dieses Mal eigentlich den großen Wurf landen. Das erklärte Ziel war die Meisterschaft. Doch der „March Madness" – der wahnsinnige März –, wie die Amerikaner die Play-offs um den NCAA-Basketballtitel wegen der häufigen Favoritenstürze nennen, machte seinem Namen auch in diesem Jahr wieder alle Ehre, wenngleich auf ganz andere Weise. Mit dem, was im Frühjahr 2020 passierte – oder besser gesagt: nicht passierte –, konnte nun wirklich niemand rechnen. Wegen des Coronavirus fiel die Endrunde in diesem Jahr aus – das hatte es zuvor selbst in Kriegszeiten nicht gegeben. Zum ersten Mal seit 1939, seit die NCAA das Finalturnier veranstaltete, wurde damit kein nationaler College-Meister gekürt. Damit blieb auch der Titeltraum von Satou Sabally unerfüllt. Eine erneute Chance wird sie nicht bekommen.
Der Draft findet in diesem Jahr virtuell statt
Immerhin blieb ihr eine weitere böse Überraschung erspart. Denn während sich Covid-19 in den USA immer weiter ausbreitete, mussten die Spielerinnen zeitweise darum bangen, dass die WNBA ihre alljährliche Auswahl der Talente überhaupt durchführt. Tatsächlich findet der Draft in diesem Jahr nur in abgespeckter Form und ausschließlich virtuell statt; Zuschauer oder Athleten können nicht vor Ort sein.
Offen ist dafür weiterhin, ob die Trainingscamps wegen der Pandemie wie geplant Ende April beginnen können. Der Ligastart ist bislang noch offiziell für den 15. Mai vorgesehen, doch eine Verschiebung ist angesichts der aktuellen Lage in den USA durchaus wahrscheinlich. Man analysiere die Situation kontinuierlich, teilte die WNBA mit. Bei der Planung kommt erschwerend hinzu, dass sich viele Frauenclubs die Hallen mit einem Verein aus der NBA teilen. Diese pausiert zwar derzeit wegen Corona, doch falls der Spielbetrieb wieder aufgenommen wird, könnte es zwischen Männern und Frauen zu Terminkollisionen kommen.
Während hinter der Durchführung der Saison also noch einige Fragezeichen stehen, bezweifelt wohl niemand mehr, dass Satou Sabally das Zeug dazu hat, sich in der WNBA durchzusetzen. Ihr letztes Collegejahr beendete sie mit durchschnittlich 16,2 Punkten, 6,9 Rebounds und 2,3 Assists in knapp 29 Minuten Spielzeit. „Sie ist so dermaßen vielseitig und talentiert, dass sie zu einer der besten Spielerinnen der Welt werden könnte", sagte ihr Trainer in Oregon, Kelly Graves, im „Spiegel". Wenn er über Sabally spricht, kommt er regelrecht ins Schwärmen. „Sie ist in jeder Partie für einen Wow-Moment gut. Sie bringt uns Hunderte neue Zuschauer, weil es einfach so schön ist, ihr zuzuschauen", sagte Graves schon im vergangenen Jahr. Saballys Spiel sei Poesie in Bewegung.
Dass sie mit den Profis mithalten kann, bewies die Deutsche im vergangenen November auch beim Duell ihrer Hochschule mit dem US-Nationalteam, das die College-Girls überraschend für sich entschieden. Es war erst das zweite Mal, dass ein NCAA-Team die Nationalmannschaft bezwingen konnte, die auch international seit 2006 unbesiegt war. Satou Sabally glänzte damals mit 25 Punkten. „Das Spiel gegen die USA hat vieles in Schwung gebracht. Die Partie hat mir die Augen geöffnet, dass ich auf diesem Level mitspielen kann", sagte sie bei ESPN.
„Es ist einfach so schön, ihr zuzuschauen"
Dabei hatte sie zunächst große Probleme, sich auf den amerikanischen Basketball einzustellen. „Der Basketball in den USA ist viel körperlicher, gleichzeitig fahren die Schiedsrichter aber eine härtere Linie. Gerade unter dem Korb wird viel mehr gepfiffen, als ich es aus Deutschland gewohnt war. Da muss man deutlich smarter spielen als in der Bundesliga, und das musste ich erst einmal lernen", erzählte sie dem Basketballmagazin „BIG". Hinzu kommt, dass in Übersee jeder noch so kleine Hopser bei der Wurftäuschung abgepfiffen wird, weshalb Sabally bei einem ihrer ersten Auftritte in nur fünf Minuten gleich drei Schrittfehler unterliefen. Prompt höhnten die gegnerischen Fans, sie solle doch erst einmal die Grundlagen lernen. „Das hat sich nicht schön angefühlt. In solchen Situationen habe ich anfangs schon an mir gezweifelt", sagte sie 2018. Doch sie berappelte sich schnell und wurde bereits in ihrer ersten Saison in der Pac-12-Division zum „Freshman of the Year" gekürt, zur besten Spielerin, die neu in die Liga gekommen war. Danach ging es stetig bergauf. Schon in der vergangenen Saison waren ihre Statistiken ähnlich gut wie jetzt, sodass es Sabally am Saisonende in die engere Auswahl für den Cheryl Miller Award für den besten Small Forward schaffte. In dieser Saison wurde sie nun von den amerikanischen Basketballschreibern ins zweite All-Star-Team des ganzen Landes gewählt.
Auch hierzulande verfolgt man ihren Werdegang mit großem Interesse. Der deutsche Frauenbasketball war lange in der Versenkung verschwunden; erst in den vergangenen Jahren ist dank des aufstrebenden Nachwuchses mit Spielerinnen wie Luisa Geiselsöder (Nördlingen) oder Leonie Fiebich (Wasserburg) wieder Besserung in Sicht. Mit ihrem Schritt in die WNBA könnte Satou Sabally diese Entwicklung weiter befeuern. Sie ist so etwas wie der weibliche Dirk Nowitzki. Und sollte sie beim Draft tatsächlich als Zweite gezogen werden, würde sie sogar ebenfalls in Dallas landen. So wie einst das andere German Wunderkind.