Seit jeher hat Drehbuchautorin und Produzentin Amy Sherman-Palladino ein Faible für Protagonistinnen, die weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen sind. „The Marvelous Mrs. Maisel" ist unser Serientipp.
Die Konventionen über Bord werfen, um etwas Neues zu wagen, auch wenn sie dabei zunächst scheitern sollten. Eine solche Heldin war schon die von Sherman-Palladino erschaffene äußerst beliebte Lorelai Gilmore aus der Serie „Gilmore Girls" – und über 15 Jahre später ist nun Miriam Maisel als sich selbstbewusst in einer Männerdomäne behauptende Frau in „The Marvelous Mrs. Maisel" unterwegs.
Wir schreiben die späten 1950er-Jahre in New York. „Midge" Maisel, verkörpert von der großartigen Rachel Brosnahan, ist eine junge jüdische Mutter und Hausfrau wie aus dem Bilderbuch. Die den perfekten Kalbsbraten punktgenau aus dem Ofen hervorzieht, die am frühen Morgen bereits perfekt geschminkt aufzuwachen scheint. Was allerdings nur möglich ist, da sie weit vor dem noch schnarchenden Ehemann Joel aufsteht, um im Badezimmer eine gehörige Portion Make-up aufzutragen. Und ganz die perfekte Ehefrau begleitet Midge auch ihren Mann regelmäßig ins „Gaslight Cafe", wo sich Joel mit mäßigem Erfolg als Stand-up-Comedian versucht.
Eines Abends aber ist Schluss mit der heilen Welt, Joel gibt zu, dass er eine Affäre hat und verlässt Midge. Betrunken redet sie sich ihre Enttäuschung auf der Bühne des „Gaslight Cafes" von der Seele, wird von der Polizei wegen unsittlichen Verhaltens verhaftet. Doch Susie (Alex Borstein), Faktotum des Cafés, wittert Talent, zahlt die Kaution für Midge und bietet ihr an, sie zu managen. Der Beginn einer Freundschaft zwischen zwei höchst unterschiedlichen Frauen. Und Beginn der Karriere einer Comedian, zu einer Zeit, als dieses Fach noch weitestgehend den männlichen Kollegen vorbehalten war.
Mimt ganz die perfekte Ehefrau
Drei Staffeln lang konnte man bereits Mrs. Maisels turbulentes Leben als immer populärere Entertainerin verfolgen – die immer perfekt gestylt doch vor Pannen, Rückschlägen und Demütigungen nicht gefeit ist. Diese aber mit Nonchalance und Humor an sich abperlen lässt, schnell mit Managerin Susie lernt, was im Showbusiness geht – und was eben nicht. Die skeptisch von ihren Eltern Abe (Tony Shalhoub) und Rose (Marin Hinkle) beäugt wird, die ihre Tochter nur allzu gern wieder „versorgt" sehen würden – mit einem wohlhabenden jüdischen Junggesellen selbstverständlich. Und die Midges Karriere als Stand-up-Comedian für so suspekt halten, dass sie sie lieber gar nicht thematisieren.
Dazu kommen all die anderen liebevoll gezeichneten und teilweise herrlich skurrilen Protagonisten rund um Mrs. Maisel. Vom Ehemann Joel, der es längst bereut, sich von Midge getrennt zu haben bis zu Mrs. Maisels Schwiegereltern, die in ihrem rustikalen Neureichen-Auftreten das ganze Gegenteil zu Midges distinguierten Eltern sind.
Von der Komikerin Sophie, die die weibliche Konkurrenz mit übelsten Kniffen und Intrigen klein halten will bis zur resoluten Sekretärin Mrs. Moskowitz, die längst die heimliche Chefin in der Textilfirma von Joels Eltern ist.
Liebevolle und schrullige Protagonisten
Acht Emmys, drei Golden Globes, mehrere Critic’s Choice Awards – „The Marvelous Mrs. Maisel" ist mit Auszeichnungen überhäuft worden. So wundert es nicht, dass Amazon eine vierte Staffel in Auftrag gegeben hat, sie soll noch in diesem Jahr an den Start gehen.
Klar ist immerhin, dass es für Midge Maisel „alles auf Anfang" heißen wird. Denn die temperamentvolle Komikerin wird gegen Ende der dritten Staffel wegen eines unüberlegten Witzes gefeuert, alles, was sie sich zuvor mühsam aufgebaut hat, droht damit hinfällig zu sein. Auf einem Kreuzfahrtschiff sollen zumindest Teile der vierten Staffel spielen, heißt es von Brancheninsidern.
Gut lässt sich vorstellen, wie ein solches Setting das Costume Department und vor allem die für den Kopfschmuck zuständigen Designer zu neuen Höchstleistungen anspornt. Vorfreude also auf ein Wiedersehen mit Rachel Brosnahan, Michael Zegen, Alex Borstein und auf spitzzüngige wahnsinnig schnelle Dialoge in bester Screwball-Comedy-Tradition.