In der 1. und 2. Handball-Bundesliga tummeln sich seit ein paar Jahren einige saarländische Profis. Die Corona-Pandemie zwingt sie nicht nur zur Kurzarbeit, sondern auch zu mehr Eigenverantwortung. FORUM hat mit den besten Handballern aus dem Saarland über ihren Corona-Alltag gesprochen.
er Sportbetrieb ist lahmgelegt, gemeinsame Trainingseinheiten und Spiele wurden bis auf Weiteres abgesagt. Keiner weiß, ob und wie es im deutschen Handball weitergeht. Trotzdem müssen die Handballer quasi im sportlichen Homeoffice trainieren und zusehen, dass sie fit bleiben. Wenigstens sind die saarländischen Bundesliga-Akteure Yves Kunkel (MT Melsungen), Jerome Müller (Eulen Ludwigshafen), Lars Weissgerber (HSG Wetzlar) und Daniel Fontaine (Bergischer HC) sowie die Zweitliga-Profis Michael Schulz (DJK Rimpar) und Björn Zintel (TV Hüttenberg) beruflich abgesichert oder haben eine konkrete Perspektive. Keiner ist ausschließlich auf die Einnahmen aus dem Handballsport angewiesen, alle studieren aktuell oder haben sogar schon eine abgeschlossene Berufsausbildung in der Tasche. Dank individueller Trainingspläne und regelmäßiger Videokonferenzen mit dem Team und der Familie sind alle auch von einem Lagerkoller noch weit entfernt.
Ein gewisses Maß an Selbstorganisation ist notwendig
„Ich fühle mich fit und halte mich auch weiter fit", sagt beispielsweise Björn Zintel. Er versucht wie Jerome Müller die Zeit zu nutzen, um insbesondere im Kraftbereich „ein bisschen nachzulegen" (Müller) beziehungsweise diesen „ein Stück weit zu optimieren" (Zintel). Dafür können schon ausgefeilte Übungen mit dem eigenen Körpergewicht ausreichen. Wichtig ist nur, dass man es auch umsetzt. „Ich versuche schon, jeden Tag gut zu strukturieren, und trainiere immer vormittags und nachmittags. Das fällt mir nicht schwer, ein gewisses Maß an Selbstorganisation bringt ja ohnehin jeder Leistungssportler mit", findet Zintel und freut sich, dass dabei das schöne Wetter hilft. „Es ist schön, dass uns der Frühling wachküsst, ich bin fleißig mit Gartenarbeit beschäftigt und versuche, die Zeit zu genießen." Sonntags wird das Training auch schon mal ausgesetzt und im sonnigen Garten gegrillt. Die sozialen Kontakte beschränken sich allerdings auf die Freundin und den gemeinsamen Hund. Die Teamkollegen fehlen dem 24-jährigen Spielmacher. „Wenn das Zusammensein von 100 auf null reduziert wird, ist das natürlich schon seltsam. Wie eine Vollbremsung auf allen Ebenen", findet er und merkt an: „Auch wegen der sozialen Kontakte sind wir ja Mannschaftssportler geworden. Im Moment sind wir zum Individualsport verdonnert."
„Auf der anderen Seite ist es auch mal ganz in Ordnung, die anderen nicht jeden Tag zu sehen", sagt wiederum Daniel Fontaine in Solingen und lacht: „Nein Quatsch, man freut sich schon darauf, wieder zusammen in der Halle zu stehen und sich mal wieder zu sehen. Es ist schon außergewöhnlich, über einen so langen Zeitraum während der Saison nicht zusammen zu sein." Das macht auch Jerome Müller zu schaffen: „Es ist schon schade, schließlich ist Handball das, was uns allen am meisten Spaß macht", sagt der 23-jährige Rückraumspieler, der seit vier Wochen zusammen mit seiner Freundin in seiner Mannheimer Wohnung weilt und gespannt auf die Entscheidung wartet, „ob die Runde zu Ende gespielt wird oder nicht." „Ich glaube ehrlich gesagt, dass wir nicht mehr spielen werden", meint der erfahrenste der saarländischen Handball-Profis, Daniel Fontaine. „Wenn, dann würde es – sofern die Hallen überhaupt öffnen – nur ohne Zuschauer funktionieren, was für die Vereine finanziell schwierig ist", weiß der 30-Jährige und ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Außerdem wäre die Ansteckungsgefahr für uns Spieler ja weiterhin gegeben, weil wir in unserem Sport ja nicht einfach zwei Meter Abstand halten können."
Bis zur Zwangspause verlief die aktuelle Spielzeit für jeden unterschiedlich. Während sich Jerome Müller und Björn Zintel als Topscorer ihrer Teams in einem Formhoch befanden, war Kreisläufer Michael Schulz aufgrund von verletzungsbedingten Ausfällen einiger Teamkameraden kurz vor der Belastungsgrenze. Seit seinem Wechsel vom damaligen Zweitligist HG Saarlouis nach Rimpar im Sommer 2018 verpasste er bei seinem neuen Club erst ein Spiel: „Deshalb habe ich erst einmal fünf Tage lang gar nichts gemacht", sagt Schulz, der am 8. April seinen 24. Geburtstag feierte. Nach seiner selbstverordneten Auszeit stieg er wieder ins tägliche Lauf- und Krafttraining ein. Für Daniel Fontaine kam die Saisonunterbrechung hingegen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Nach einer langwierigen Verletzung stieg er just in der Woche des Shutdowns erst wieder in das Mannschaftstraining ein. „Das war schon bitter. Nach der ersten kompletten Trainingswoche hieß es donnerstagabends plötzlich, dass das Training vorerst ausfällt und ich wieder alleine trainieren darf. Das war schon blöd", erinnert sich der Rückraumspieler des Bergischen HC.
Yves Kunkel wartet auf das erste Kind
Lars Weissgerber von der HSG Wetzlar hatte sich nach durchwachsenen Wochen und einer Verletzungspause im Dezember gerade stabilisiert und im Februar gegen den amtierenden Meister und Champions-League-Teilnehmer SC Flensburg-Handewitt fünf Treffer erzielt. „Ich hätte lieber weitergespielt", sagt der 23-jährige Linkshänder, der den fehlenden Wettkampfsituationen in Wetzlar vorerst mit Playstation-Zocken kompensiert und der Langeweile mit intensiver Arbeit am Studium begegnet. „Jetzt in der handballfreien Zeit will ich so viele Klausuren schreiben wie es geht", sagt der BWL-Student. Der dreimalige Nationalspieler Yves Kunkel nutzt die Zeit zu Hause vor allem für Zweisamkeit mit seiner Frau Selina. Beide wollen prophylaktisch so viel „Ruhe und Entspanntheit" wie möglich tanken. Für Anfang Juni ist der Geburtstermin ihres Sohns datiert. Für Abwechslungen sorgen bei Kunkels die regelmäßigen Videokonferenzen mit der Familie. „Das ist eine coole Sache und immer sehr lustig", verrät der 25-jährige Linksaußen von Erstligist Melsungen. Er gesteht aber auch, „dass wir die Lage anfangs etwas unterschätzt und als nicht so extrem wahrgenommen hatten. Mittlerweile sehen wir das anders, Selina gehört ja als Schwangere auch zur Risikogruppe. Allein deshalb passen wir besonders gut auf uns auf." Dass alle gut auf sich und andere aufpassen, ist auch ein großes Anliegen von Björn Zintel. Er spricht nicht nur seinen Kollegen aus der Seele, wenn er sagt: „Irgendwann wird es weitergehen. Man muss jetzt halt Durchhaltevermögen beweisen. Wir können uns hier in Deutschland noch glücklich schätzen. Wenn man sich vor Augen führt, welchen Überlebenskampf Menschen in anderen Regionen dieser Welt täglich führen müssen, geht es uns doch noch sehr gut." Sein Credo: „Das Beste daraus machen, positiv bleiben und die Ziele nicht aus den Augen verlieren."