Italiens Weltstar Zucchero geht dieses Jahr mit seinem neuen Album „D.O.C." auf Welttournee. Im Interview spricht er über sein Engagement für die Umwelt, ein unmögliches Angebot von Queen und darüber, wie es ist, mit Sting und Eric Clapton auf einer Bühne zu stehen.
Zucchero, die Abkürzung „D.O.C." steht für „Denominazione di origine controllata" und ist ein Qualitätssiegel für italienischen Wein. Was hat das mit Ihrer Musik zu tun?
Das Kürzel steht sogar für Qualitätsprodukte aus der ganzen Welt – und für Authentizität. Es war nicht einfach, einen Titel für das Album zu finden, weil er unbedingt dem Inhalt entsprechen sollte. Er ist mir wirklich erst in letzter Sekunde eingefallen. Und er passt genau, weil ganz viel von mir persönlich in diesem offenen und ehrlichen Album steckt. Meine Gedanken und Gefühle. Ich singe Songs über Liebe und soziale Themen. Ich sehe die Welt gerade in der Schwebe, denn wir leben in einer sehr schwierigen Zeit.
Dieses Mal waren Sie unter anderem mit dem Starproduzenten Don Was im Studio. Er hat mit den Rolling Stones, Bob Dylan, Johnny Cash und Iggy Pop gearbeitet.
Hat Was eine eigene Handschrift als Produzent?
Es ist das vierte Album, das Don Was und ich zusammen realisiert haben. Vom ersten Moment an hat zwischen uns sowohl menschlich als auch künstlerisch alles gestimmt. Er ist ein großer Musiker und Produzent, der die besten Studioleute kennt. Vor allem schafft er eine sehr positive Arbeitsatmosphäre. Don Was holt stets das Beste aus Künstlern heraus, weshalb ich mich bei ihm sehr sicher fühle. In dieser Atmosphäre kann ich mich wirklich frei entfalten.
Sie haben Ihren Sound um elektronische Elemente erweitert. War das die Idee von Don Was?
An diesem Album haben auch junge Produzenten mitgearbeitet. Wir haben nach einem neuen Ansatz gesucht, damit die Sounds zeitgemäßer klingen. Es sind elektronische Klänge, die Wärme ausstrahlen. Ich habe bei dieser Platte auch mit dem deutschen Produzenten Nicolas Rebscher zusammengearbeitet. Er ist sehr kreativ.
Welchen Einfluss hatte Nicolas Rebscher (Alice Merton, Sunrise Avenue, Milow) auf das Album?
Die elektronischen Sounds sind unser aller Beitrag. Nicolas Rebscher hat etwas vorgeschlagen, wir haben es uns angehört und gegebenenfalls die entsprechenden Änderungen vorgenommen. Um daraus das zu gewinnen, was wir wollten.
Wie schwierig ist es, Leuten wie Don Was zu sagen, dass etwas nicht genug ist, was er für Sie gemacht hat?
Wenn ich Don Was sage, dass ich etwas lieber anders machen möchte als von ihm vorgeschlagen, weiß er, dass er es mit einem ernsthaften Musiker zu tun hat. Im Studio legen wir alle unsere Rockstar-Egos beiseite und behandeln uns gegenseitig mit Respekt. Wir diskutieren, weil wir das Ergebnis, das wir erzielen wollen, klar im Auge haben. Zwischen uns gibt es keine Probleme. Don Was ist intelligent und geduldig. Er versucht nicht, sein Ego über meines zu stellen. Unser Ziel ist, das beste Album überhaupt zu machen.
Wie kommen Sie nach einem anstrengenden und kreativen Studiotag wieder runter?
Kommt drauf an, wo ich gerade bin. In Island, wo die Vorproduktion stattgefunden hat, haben wir nach der Arbeit zur Entspannung hauptsächlich Bier getrunken. Dann zogen wir weiter nach Los Angeles, wo die besten Restaurants bereits um 22 Uhr schließen. Aber da sind wir noch im Studio. Don Was ist nach der Arbeit nach Hause und ich bin mit meiner Assistentin ins Hotel gegangen, wo wir noch ein Gläschen Wein getrunken haben. Aber bei der Arbeit trinken wir eher Wasser.
Matt Chamberlain ist Bob Dylans aktueller Schlagzeuger. Mussten Sie Dylan um Erlaubnis bitten, mit dieser Koryphäe arbeiten zu dürfen?
(lacht) Nein, ich musste Bob nicht um Erlaubnis bitten. Matt Chamberlain ist ein großartiger, selbstständiger Schlagzeuger, der nicht nur für Dylan, sondern auch für John Mayer arbeitet. Er ist ein großartiger Perkussionist, der auf eine ganz besondere Art und Weise die Felle bearbeitet. Und mein anderer Drummer, Jay Belrose, spielt sonst mit Leuten wie Willie Nelson, Sheryl Crow, Alison Krauss und T-Bone Burnett.
Sie arbeiten mit den besten Musikern und Produzenten der Welt. Möchten Sie, dass Ihre Alben herausragend klingen, weil es für Sie Kunstwerke sind?
Don Was und ich wählen immer die passenden Musiker für jeden einzelnen Song aus. Er kennt die besten Leute, die es auf dem Markt gibt. Wir suchen aber nicht nur nach begnadeten Technikern, sondern es geht uns darum, Leute zu finden, die den richtigen Sound und die richtige Persönlichkeit zu bieten haben. Man braucht praktisch für jeden Track das passende Personal. Ein großartiger Musiker ist nicht per se für jeden Song einsetzbar.
Was wollen Sie mit dem Song „Siamo vittime del cool" – „Wir sind Opfer der Coolness" – ausdrücken?
Wenn ich mir die Welt so ansehe, dann stelle ich fest, dass viele nur auf den Schein achten und nicht auf die Substanz. Alle wollen cool sein, aber in Wahrheit sind sie alle irgendwie gleich. Sogar Politiker wollen heutzutage wie Rockstars aussehen. Die Welt bewegt sich immer mehr weg von der Authentizität hin zum Fake. Das ist der Grund, weshalb ich auf einem Dorf mit Bauern lebe. Das ist mir viel lieber als das mondäne Leben eines Rockstars. Dieses Lied ist natürlich eine Provokation.
Am 9. Dezember 2019 waren Sie auf Einladung von Sting am „Rainforest Fund Concert" in New York beteiligt – neben Bruce Springsteen, den Eurythmics, Bob Geldof und vielen anderen Berühmtheiten. Gehen Sie mit den Stars genauso normal um wie mit den Bauern in Ihrem Dorf?
Ich hatte das Glück, mit berühmten internationalen Künstlern wie Sting, Bono, Peter Gabriel, Eric Clapton oder Luciano Pavarotti zusammenarbeiten zu dürfen. All diese Leute haben etwas gemeinsam: Sie sind weltberühmt und zugleich einfache, authentische Menschen, die von der Straße kommen. Sie haben gekämpft und gelitten, um das zu erreichen, was sie erreicht haben. Wir sind miteinander verbunden und haben Respekt voreinander, weil wir in unserem Privatleben geerdet sind. Wer mit beiden Beinen im Leben steht, hat eine große Kraft und ist nicht oberflächlich. Die größten Künstler sind bescheiden und sie selbst geblieben.
Engagieren Sie sich für den Regenwald und die Umwelt, weil Sie glauben, dass die Politiker nicht genug dafür tun?
Es ist sogar bewiesen, dass sie sich nicht darum kümmern. Ich habe mit Bono und Bob Geldof verschiedene Events auf die Beine gestellt, um die Menschen für bestimmte Probleme zu sensibilisieren. Zum Beispiel geht es uns darum, dass armen Ländern die Schulden erlassen werden. Wir haben dafür gekämpft, lokale Politiker für dieses Thema zu gewinnen. Es ist aber leider nichts passiert – außer Versprechen. Dennoch machen wir weiter. Vielleicht werden wir die Probleme nicht lösen, aber wir können zumindest die Öffentlichkeit sensibilisieren. Das gilt übrigens auch für Krankheiten wie Aids.
Letzte Frage: Ist es wahr, dass Brian May Sie fragte, ob Sie der neue Sänger von Queen werden wollen?
Ja, das ist wahr. Damals war Brian May von meinem Album „Oro incenso & birra" so beeindruckt, dass er sich in meine Musik verliebte. Er erzählte mir, es sei eine seiner Lieblingsplatten. Nach dem „Freddie Mercury Tribute"-Konzert von 1992 im Londoner Wembley-Stadion saß ich mit ihm und Queen-Schlagzeuger Roger Taylor beim Abendessen zusammen – und sie fragten mich, ob ich ihr neuer Sänger werden wolle. Es war für mich eine große Ehre, aber ich antwortete ihnen, dass ich es für unmöglich halte, den Platz von Freddie Mercury einzunehmen. Trotzdem habe ich mal mit Queen gesungen. Es war auch schön, aber die Verantwortung, als Mercurys Nachfolger anzutreten, war mir einfach zu groß.