Viele saarländische Unternehmen bangen in der Pandemie um ihre Existenz. Erste zarte „Lockerungsübungen" gibt es inzwischen. Nun müssen die Weichen für eine Zeit nach der Krise gestellt werden.
Für den einen bedeutet es Unmengen an Überstunden und Verantwortung, für den anderen Geschäftsschließungen und das Gefühl der Ohnmacht. Ganz unterschiedlich schlägt sich die Corona-Krise in der saarländischen Arbeitswelt nieder, aber eines scheint klar: „Wir werden so schnell nicht mehr in einen Zustand kommen, wie wir ihn noch Anfang des Jahres hatten", so Heino Klingen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer im Saarland (IHK). Das Virus hat die saarländische Wirtschaft vor große Herausforderungen gestellt. Wo Pflegekräfte händeringend um jede freie Minute kämpfen müssen, sorgen sich Friseure und Gastronomen um ihre gesamte Existenz. Aber auch in anderen Branchen hinterlässt das Virus seine Spuren – zündet aber auch einen Funken Kampfgeist und Kreativität bei den Saar-Unternehmern.
Viele Automobilhersteller mussten ihre Produktionen stoppen oder stark herunterfahren. Das führt auch zu Problemen für die Zulieferer. Der Eberspächer-Konzern, der auch ein Werk in Neunkirchen unterhält, habe daraufhin ein umfassendes Maßnahmenpaket beschlossen, teilte das Unternehmen mit. Die Kapazitäten wurden bereits Ende März auf „ein Minimum" reduziert. „Dies erfolgt durch den Abbau von Arbeitszeitkonten, Urlaub sowie in der Folge Kurzarbeit. Die Maßnahmen gelten sowohl für die Produktionen als auch für administrative Bereiche", heißt es. So weit möglich unterstütze der Konzern seine Mitarbeiter, der Empfehlung nach Social Distancing entsprechend nachkommen zu können. Das beinhaltet beispielsweise auch die Arbeit von zu Hause aus. Online-Meetings sollen Präsenztermine ersetzen, Dienstreisen wurden größtenteils abgesagt. „Sobald unsere Kunden ihre Produktionen wieder aufnehmen, fahren auch wir mit der Fertigung entsprechend hoch", kündigt Eberspächer an. „Das Management und die Handlungsteams beobachten die weitere Entwicklung genau, um weitere Maßnahmen unmittelbar zu ergreifen."
Bereits früh wurden alle Großveranstaltungen abgesagt, um eine Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Was also ist mit jenen, die in genau diesen Bereich ihr Geld verdienen? „Ich musste mein Geschäftsfeld komplett überdenken. Unser Kerngeschäft hat sich von 100 Prozent auf 0 Prozent entwickelt", sagt Christian Mehrhof, Geschäftsführer der Event- und Promotionagentur Part of Events. „Alle Events und alle Messeaufträge, die für 2020 geplant waren, sind storniert worden. Wir standen von heute auf morgen bei null." Zudem sei es auch nicht möglich, in die nahe Zukunft zu planen. „Bevor wir neue Ideen anpacken, muss die Regierung erst einmal sagen, wie es mit Veranstaltungen weitergehen wird. Ohne diese Auskunft, können wir nicht planen", so Mehrhof. Aktuell überlege man, wie man mit neuen Konzepten und Partnern vorankommen könne. Eine dieser Überlegungen führte zur Gründung der Coronahilfe Saar. Gemeinsam mit Andre Kleber, besser bekannt als Foodblogger „Andre Mampft", der Bäckerei Mischo und der Fotoschule Saar bietet die Agentur nun Plexiglasscheiben zum Schutz oder Aufkleber für beispielsweise Abstandsregelungen an Kassen an. „Aktuell werden solche Dinge oft zu Wucherpreisen vertrieben. Wir wollen ein faires Angebot von Unternehmern für Unternehmer."
„Wir sitzen aktuell auf unserem Ersparten"
Auch Sabrina Klotchkova, Gründerin der Agentur Zeitbefreit in Saarbrücken, musste sich erst an die Krise anpassen. „Mein Kerngeschäft besteht aus der Vermittlung von Künstlern und Event-Highlights für Firmenveranstaltungen, Konferenzen und Messen im deutschsprachigen Raum", erzählt sie. „Also alles, was zurzeit aufgrund der Corona-Krise nicht mehr möglich ist." Was also tun? Einige ihrer Künstler, wie Graphic Recorderin Sandra Schulze aus Heidelberg, bieten ihre Dienstleistungen mittlerweile auch online an, indem sie sich einfach zu einer Veranstaltung dazuschalten lassen und damit ihre Kunstwerke – im Fall von Schulze Illustrationen – in der Liveschalte aufs Papier bringen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist für Klotchkova der Zusammenhalt innerhalb der Branche. „Jetzt entstehen viele neue Kooperationen", weiß die Selbstständige. Auch die bereits vorhandene Zusammenarbeit wird verstärkt. „Ich habe beispielweise schon vor der Krise öfter mit Patrick Stiebel, dem Gründer der Agentur Stiebel Creation gearbeitet. Mittlerweile haben wir sogar ein gemeinsames Büro gefunden und werden nach der Krise gleich zusammen durchstarten." Ideen und Konzepte, wie sie das in Angriff nehmen möchten, gibt es übrigens auch schon. „Da helfen wir uns gegenseitig", betont Klotchkova.
Besonders hart trifft die Krise auch Kleinunternehmer wie Theresia Schmit, Besitzerin eines kleinen Blumengeschäfts in Merchweiler. Sie musste Mitte März ihre Türen schließen. „Das ist für uns finanziell eine riesige Lücke – wir sitzen aktuell auf unserem Ersparten", so die Inhaberin von Blumenland Theresia Schmit. Auch einen großen Materialverlust habe sie verkraften müssen. „Die Blumen, die wir vor der Krise eingekauft hatten, mussten irgendwie noch vertrieben werden. Das alles kostet Nerven und Geduld." Um trotz Geschäftsschließung nicht auf alle Einnahmen verzichten zu müssen, sei man hier auf Bestellungen und Auslieferungen umgestiegen. „Aktuell vertreiben größtenteils auch Tankstellen unsere Blumen. Das ist für uns ein ganz gutes Standbein", so Theresia Schmit. „Wir haben uns auch Gedanken gemacht, eventuell kleine Rabattgutscheine auszustellen, damit unsere Kunden nach der Krise wieder einen kleinen Anreiz haben, zu uns zu kommen."
Wirtschaft wird sich nicht sofort erholen
Auch im Handwerk ist die Stimmung angespannt. Obwohl die meisten Handwerker rechtlich gesehen Aufträge entgegennehmen und abarbeiten dürfen, lässt die Nachfrage nach. „Die bedeutendste Auswirkung des Virus ist die Verunsicherung, wie mit den Beschränkungen seitens Robert Koch-Institut, Regierung und den Berufsverbänden, vornehmlich den Berufsgenossenschaften, umzugehen ist", erklärt Metallbauermeister Helmut Schmidt aus St. Wendel. „Da werden teilweise Empfehlungen gegeben, die sich zu 100 Prozent gegenseitig widersprechen." Viele Maßnahmen seien in der praktischen Arbeit kaum einzuhalten. „Im Baustelleneinsatz zu bedienende Maschinen, zum Beispiel ein Hebewerkzeug für schwere Lasten, ist nur im Team möglich. Hier ist eine völlige Desinfizierung der Angriffsflächen als auch die Einhaltung des Mindestabstandes nicht einzuhalten", beklagt Schmidt, sieht aber noch ein viel größeres Problem für seine tägliche Arbeit: „Da es in sämtlichen Verordnungen und Empfehlungen, wer auch immer sie erstellt hat, keinen Hinweis zum Umgang mit eventuellen Regressansprüchen seitens der Kunden als auch der Mitarbeiter untereinander gibt, ist die Verunsicherung natürlich groß." Dennoch blickt er zuversichtlich in die Zukunft: „Nach der Krise ist für mich vor der Krise. Mein Geschäftsfeld ist abgesteckt, die Umsatzgröße anhand des Personals vorgegeben, Steigerungen sind nur mit mehr Personal zu schaffen, wobei ich der Meinung bin, dass auch ohne ständiges Wachstum ein auskömmliches Leben möglich ist."
Mit ähnlichen Problemen kämpft auch Andreas Schlichter, Fotograf aus Riegelsberg. „Was soll man machen, wenn der gesamte Geschäftsbetrieb von einen Tag auf den anderen wegbricht? Anstehende Jobs werden abgesagt, Produktionen erst gar nicht geplant, und Anfragen bleiben aus – doch die Fixkosten für das Fotobusiness und den eigenen Lebensunterhalt bleiben bestehen", so Schlichter. Die kommenden Wochen würden für viele, nicht nur für ihn und seine Branche, hart: „Jobs stehen auf dem Spiel, es wird Pleiten geben. Wichtig wird die Solidarität der Saarländer untereinander sein, damit der ein oder andere Euro im eigenen Ort oder Landkreis bleibt." Neben Solidarität sei aber auch die Hilfe der Politik unabdingbar. „Die Rettungsschirme sind ein guter Anfang und ein Schritt in die richtige Richtung. Viele Kleinunternehmer werden aber nicht direkt nach der Krise wieder mit 100 Prozent oder mehr Vollgas geben können. Es wäre wichtig, dass man sich auch für diese Firmen etwas überlegt, bis die Wirtschaft wieder anläuft." •