Die einen stehen im Existenzkampf, die anderen gehen erste Schritte zurück aus dem Lockdown. Der Krisenstab der Landeshauptstadt Saarbrücken und des Regionalverbands hat von Anfang an den Leiter der Wirtschaftsförderung der Stadt, Sebastian Kurth, mit ins Boot geholt.
Herr Kurth, eigentlich sind Sie Wirtschaftsförderer. Welche Aufgaben haben Sie nun, in Corona-Zeiten?
Die Wirtschaftsförderer aus dem Regionalverband und der Landeshauptstadt stehen in ständigem Kontakt mit den Wirtschaftsverbänden, Interessenvertretungen, den Kammern, den Ministerien und der Arbeitsagentur, arbeiten vertrauensvoll und sehr eng zusammen, tauschen Ideen und Erfahrungen aus, beantworten Fragen von betroffenen Unternehmern und versuchen zu helfen. Gemeinsames Ziel ist es, die Auswirkungen der Corona-Krise so gut es irgendwie geht abzufedern.
Unsere eigentlichen Aufgaben der Wirtschaftsförderung rücken derzeit etwas in den Hintergrund. Trotzdem werden auch hier operative Maßnahmen gemeinsam vorangetrieben, wie die Sanierung der Westspange. Das sehen wir auch als Zeichen der Handlungsfähigkeit der Stadt.
Wie bereitet sich die Stadt auf die Nach-Corona-Zeit vor?
Auch hier sammeln wir Ideen und bereiten im Hintergrund Maßnahmen vor. Uns ist völlig klar, dass ein Hochfahren der Wirtschaft nur schrittweise erfolgen kann. Selbst wenn Geschäfte wieder öffnen, Unternehmen produzieren oder Dienstleister wie Hotels und Gaststätten wieder Gäste haben dürfen, wird das in den meisten Fällen nur sehr langsam funktionieren. Ein Hochfahren von 0 auf 100 ist illusorisch, und es muss für die Zeit nach Corona einen Anschub geben. Es wird sicherlich nach der Krise einen Drang einiger Menschen nach draußen geben. Wir haben aber auch die Vorsichtigen, die Risikogruppen und die Älteren, die sich nicht so schnell wieder in die Stadt trauen. Erschwerend für den Konsum dürfte auch die geschwächte Kaufkraft sein, denn viele Arbeitnehmer sind in Kurzarbeit. Das alles braucht seine Zeit, um ein halbwegs normales Level zu erreichen.
An welche Maßnahmen denken Sie?
Wir sind im Dialog mit dem City-Marketing. Vorstellbar wären Gutscheinsysteme, um wieder Leute in die Innenstadt zu locken. Wir sprechen mit der Tourismuszentrale zum Beispiel über das Thema, wie wir wieder Menschen für Städtetrips in Deutschland gewinnen können. Eines dürfte sicher sein: Der globale Tourismus ist für 2020 zum Erliegen gekommen. Der Fokus liegt im ersten Schritt sicherlich stärker auf Nahzielen. Das könnte Saarbrücken helfen.
Droht uns nun ein Sterben der Geschäfte, der Kneipen und Restaurants in der Innenstadt?
Genau darum geht es: das zu verhindern. Schon vor der Corona-Krise standen die Innenstädte vor großen Herausforderungen und Veränderungen im Freizeitverhalten. Die Corona-Krise hat diese Situation verschärft. Es wird ein gemeinsamer Kraftakt aller Beteiligten notwendig sein, schrittweise wieder in die Normalität zu kommen. Was wir für die Wirtschaft brauchen, sind unbedingt Perspektiven – Unsicherheiten sind Gift für die Wirtschaft.
Hilfen sind gut und schön und auch wichtig in dieser Zeit. Aber mit Krediten und Steuerstundungen wird das Problem doch nur in die Zukunft geschoben. Was kann man tun? Denn auch die Stadt ist hoch verschuldet und braucht Einnahmen.
Je länger der Lockdown anhält, umso schwieriger wird es für Betriebe, Handwerker und Selbstständige, die über wenig Liquidität verfügen. Junge Start-up-Unternehmen sind sicherlich stark betroffen, da sie vermutlich über wenige Rücklagen verfügen. Zuschüsse, Kredite und Steuerstundungen können in solchen Situationen nur kurzfristig helfen, das Schlimmste zu verhindern. Das darf nicht ewig dauern. Angesichts der zu erwarteten Kostenlawine und Neuverschuldung der Kommunen ist auch der Bund gefragt. Diese unverschuldete Krise können die Kommunen nicht alleine bewältigen.
Die Grenzschließungen treffen Saarbrücken doppelt hart, denn die Franzosen sorgen für rund 20 bis 30 Prozent des Umsatzes im Einzelhandel in der Landeshauptstadt. Jetzt stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Wie kann man das wieder gutmachen?
Saarbrücken braucht die Internationalität. Deshalb hat sich unser Oberbürgermeister mit dem Wunsch nach rascher Wiedereröffnung der Grenzen deutlich positioniert. Für uns war es selbstverständlich, Schwerkranke aus Grand Est in unseren Krankenhäusern aufzunehmen. Wir stehen mit den Kommunen des Eurodistricts und von Quattropole im ständigen Austausch. Große Teile des Départements Moselle fühlen sich dem Saarland und insbesondere Saarbrücken eng verbunden. Saarbrücken braucht die grenzüberschreitenden Beziehungen zu Frankreich und Luxemburg.
Welchen digitalen Schub erlebt die Stadt derzeit beim Thema digitale Verwaltung und Online-Plattformen?
Die Krise hat Änderungen bei den Arbeitsformen und bei der Kommunikation deutlich forciert. So werden die Tools der neuen digitalen Plattformen wie Lieferservices oder Bürger helfen Bürgern weiter ausgebaut. All das, was jetzt online ausprobiert wird und sich bewährt, hat gute Chancen auf eine Fortführung. Wir alle machen in der Krise einen riesigen Lernprozess durch. Die digitale Verwaltung wird einen großen Sprung nach vorne machen. Wir sollten auch nicht vergessen, dass die Stadt ein wichtiger und moderner Arbeitgeber ist. Diese Marke gilt es zu stärken.
Der Stadtrat will Förder- und Ansiedlungsschwerpunkte bei Künstlicher Intelligenz, Cyber-Security und Neue Materialien setzen. Wie sieht diese Strategie aus?
Das hat nicht unmittelbar mit der Corona-Krise zu tun. Die drei genannten Bereiche sind als Zukunfts- und Wachstumsbranchen identifiziert. Hier ist Saarbrücken mit der Forschungslandschaft und der Universität sehr gut aufgestellt. Das gilt es zu nutzen.
Vielleicht noch ein Wort zur Entwicklung des Saarmesse-Geländes trotz schwieriger Zeiten?
Im Abwesenheitsausschuss am 7. April wurde der Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan entschieden. Ein wichtiger Meilenstein für die Übergabe des Geländes – auf dem sich zurzeit noch ein mobiles Corona-Testzentrum befindet – an den Investor.
Damit haben wir nunmehr grünes Licht für ein Vorzeigemodell in puncto urbanes Gewerbequartier mit modularer Nutzung. Es wird eine Leitinvestition für die gesamte Region.