Aus dem anfänglich glasklaren Kriminalfall einer Kindstötung entwickelt sich nach und nach ein spannender und unerklärlicher Mystery-Thriller. Die zehnteilige US-Serie „The Outsider" ist derzeit bei Sky zu sehen – im TV und als Streaming-Angebot.
Bei einem Spaziergang mit seinem Hund macht ein Mann in den Wäldern des verschlafenen Örtchens Flint City einen grausigen Fund: die Leiche eines elfjährigen Jungen. Missbraucht, getötet und auf bestialische Weise verstümmelt. Der Tatverdächtige ist schnell ermittelt. Überall am Tatort finden sich Fingerabdrücke und DNA-Spuren von Terry Maitland (Jason Bateman), dem allseits beliebten Englischlehrer und Trainer des Junioren-Baseballteams des Ortes. Zudem gibt es jede Menge Zeugen. Eine alte Frau, die gesehen hat, wie der Junge mit seinem kaputten Fahrrad in Maitlands Van gestiegen ist; ein junges Mädchen, das den Vater zweier Töchter mit blutüberströmtem Gesicht und Kleidung aus dem Wald hat kommen sehen; ein Nachtclubmanager, in dessen Etablissement Maitland seine mit Blut verschmierte Kleidung gewechselt hat und dessen Aussage von den Bildern einer Überwachungskamera bestätigt werden; eine Taxifahrerin, die den Mann danach vom Nachtclub zum Bahnhof gefahren hat – alles belegt von Überwachungskameras.
Für Ermittler Ralph Anderson (Ben Mendelsohn) und den sonst öffentlich sehr zurückhaltend agierenden Staatsanwalt Kenneth Hayes (Michael Esper) gibt es nicht den Hauch eines Zweifels: Maitland ist der Täter. Vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder sowie seiner Freunde und zahlreicher anderer Zeugen wird der Familienvater öffentlichkeitswirksam verhaftet. Auch wenn dieser energisch seine Unschuld beteuert. Doch als Maitlands Verteidiger seinerseits Filmmaterial vorlegt, dass seinen Mandaten zum Zeitpunkt der Tat bei einer Lehrertagung, 70 Meilen vom Ort des Geschehens entfernt, zeigt und glaubhafte Zeugen ihm ein wasserfestes Alibi geben, wird der Fall mehr und mehr zum Alptraum für alle Beteiligten. Wie kann eine Person zum gleichen Zeitpunkt zweifelsfrei an zwei völlig unterschiedlichen Orten sein?
Verzweifelte, innere Kämpfe
Die zehnteilige HBO-Serie ist derzeit bei Sky Entertainment oder über Sky Ticket Entertainment zu sehen und basiert auf dem gleichnamigen Roman vom Meister des Unerklärlichen: Stephen King. Das Drehbuch der Serie hat allerdings ein anderer Autor zu verantworten – nicht so bekannt wie King, aber augenscheinlich mit großem Talent gesegnet: Richard Price. Er wagt den Schritt weg von der Romanvorlage und entwickelt diese weiter. Gleichsam greift er die Stärke Kings auf –
die genaue Skizzierung einzelner Charaktere. Er zeichnet vor allem die Schattenseiten düster, fast schon schmerzhaft detailliert aus. Es gibt keine Helden in dieser Erzählung, nur Normalos, die ausnahmslos alle mit ihren eigenen ganz unterschiedlichen Problemen und Dämonen zu kämpfen haben. Die Ausbreitung der seelischen Konflikte der Protagonisten zieht sich für den Zuschauer manches Mal quälend in die Länge, ohne dabei aber ermüdend oder gar langweilig zu wirken. Man kann es nicht erwarten, immer tiefer in die seelischen Abgründe einzutauchen und mehr zu erfahren.
Auch wenn sich zunächst alles um Terry Maitland dreht: Hauptpersonen der Geschichte sind fraglos die autistische Privatermittlerin Holly Gibney, grandios gespielt von Cynthia Erivo, und die Person des Ralph Anderson. Zwei Charaktere, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Hier der Kopfmensch Anderson, der in 30 Jahren als Ermittler gelernt hat, sich nur an Fakten und Beweise zu halten und nur an die Gesetze der Natur zu glauben. Dort die analytische Gibney, die bereit ist, auch das Unerklärliche und Übernatürliche ganz nüchtern und sachlich in Betracht zu ziehen, wenn es ansonsten keine logische Erklärung gibt. Ungeachtet aller Reaktionen ihres Umfelds denkt sie einmal angestoßene Theorien konsequent zu Ende – und seien sie noch so abwegig.
Nicht minder spannend ist der schon fast verzweifelte und quälende innere Kampf Andersons, seine eigenen Überzeugungen loszulassen und sich auf das Unaussprechliche einzulassen, das jeder menschlichen Vernunft widerspricht. Steht zunächst die verschrobene Gibney allein gegen alle, ist es zunehmend Anderson, der zum Außenseiter wird.
