Seit vergangener Woche gilt in vielen Bundesländern eine sogenannte Maskenpflicht beim Einkaufen und in öffentlichen Verkehrsmitteln. In Berlin sorgen zahlreiche Designer dafür, dass diese Mund-Nasen-Bedeckungen zum mal farbenfrohen, mal stylischen Bestandteil des Outfits werden.
Bei der Januar-Ausgabe der Berliner Fashionweek schickte das Label #Damur seine Models mit Schutzmasken auf den Laufsteg, zu einer Zeit, als man hierzulande noch nichts von Corona ahnte, und davon, wie schwer sich die Pandemie auch in Europa auswirken würde. Gut dreieinhalb Monate später aber sind die Mund-Nasen-Bedeckungen, Schutzmasken dürfen sie nicht offiziell genannt werden, im Alltag angekommen. Denn längst ist klar, dass die Ausbreitung des Covid-19-Virus stark verlangsamt werden kann, wenn möglichst viele im Alltag Mund und Nase bedecken. Fast logisch, dass sich nun Dutzende, nein Hunderte kleiner Fashion- und Textillabels und Einrichtungen auf die dankbare Aufgabe der Maskenproduktion gestürzt haben, gerade wenn die sonstigen Einnahmen durch vorübergehende Geschäftsschließungen arg zurückgegangen sind.
Genau so unterschiedlich wie die Protagonisten sind auch die Herangehensweisen und die Produkte. Der Italiener Andrea Bonfini beispielsweise studierte Kunst, arbeitete als Maler und als Kostümdesigner am Theater, bevor er 2015 in Berlin sein „Fade out Label" gründete. Gemeinsam mit Partner Nicola Gomiero entwirft er seitdem nachhaltige Kollektionen aus upgecyceltem oder recycelten Stoffen, vorzugsweise Denim. Ein robustes und gleichzeitig unglaublich vielseitiges Material, das bei „Fade out" im Patchwork-Stil mal als Minilatzkleid, dann wieder in Form von Baggy Pants mit passendem Top daherkommt.
Als sich die Corona-Krise in Italien zuspitzte, erzählt Andrea, sei schnell klar gewesen, dass man Masken dringend benötigte, um die Zahl der Ansteckungen einzudämmen. Allerdings war der Markt zu diesem Zeitpunkt leer gefegt: „Meine Familie, meine Freunde aus meinem Heimatdorf in Italien konnten aber nur mit Schutzmasken weiter einkaufen oder zur Arbeit gehen." Andrea stellte kurzerhand ein Online-Tutorial ins Netz und die Produktion in seinem Atelier auf Masken um. Den Denimstoff, den er sonst für Overalls oder Oversized-Blousons verarbeitet, fütterte er mit Baumwolle aus recycelter Krankenhausbettwäsche und schickte die gleichermaßen praktischen wie stylischen und nachhaltig produzierten Masken zunächst nach Italien, dann auch an Berliner Kliniken. Denn dank der Corona-Soforthilfe des Berliner Senats, sagt Andrea Bonfini, sei er in der glücklichen Lage, seine Kosten decken und gleichzeitig etwas Sinnvolles tun zu können.
Wird die Maske das neue Handtaschen?
Das Recyceln oder vielmehr Upcyceln von Stoffen, aber auch Reißverschlüssen, Etiketten, Bändern, Knöpfen hat Textilkünstlerin Pia Fischer in den vergangenen rund 20 Jahren perfektioniert. Dabei entstehen höchst fantasievolle Roben, Röcke oder Korsagen, deren Bestandteile man erst bei wirklich genauem Hinschauen identifizieren kann. Normalerweise ist Pia Fischer auf vielen Veranstaltungen und Messen rund ums Thema Design und Textilkunst präsent, momentan aber näht sie in ihrem Atelier in Berlin-Schöneberg bunte Mund-Nasen-Bedeckungen. Angeregt habe sie dazu eine Freundin, die in der Pflege arbeitet sagt sie, es sei gut, mit dieser sinnvollen Ausgabe einen Teil der monatlichen Unkosten decken zu können. Ganz wichtig, die hergestellten Masken können gewaschen werden, ein wesentlicher Vorteil gegenüber den Einmalartikeln.
Mit Letzteren haben die Masken der Berliner Modedesignerin Isabel so rein gar nichts zu tun. Im Gegenteil: Es sind geradezu luxuriös anmutende Accessoires. In ihren Kollektionen setzt Vollrath gern auf Opulenz, verwendet ungewöhnliche Stoffe, wasserabweisende Baumwolle beispielsweise, die die Trägerin wie schimmerndes Leder umhüllt. Fast versteht es sich von selbst, dass auch die Masken, die Isabel Vollrath seit über einem Monat quasi im Akkord näht, ebenfalls aus hochwertigsten Stoffen sind – von Brokat über bestickter Baumwolle bis zum Karostoff aus feiner Wolle. Klar, dass ein solches Accessoire seinen Preis hat – doch heißt es nicht schon bei Fashionistas, die „Maske sei das neue Handtäschchen"?
Als Spende wiederum an Kliniken und Einrichtungen wie die Pro Seniore Residenz Wasserstadt in Berlin-Spandau gehen die von den „Goldnetz" Sozialwerkstätten genähten Mund-Nasen-Bedeckungen. Farbenfroh und mit viel Engagement genäht, wie Freia Königer betont, die bei dem sozialen Träger für Marketing zuständig ist. Momentan seien die meisten sogenannten MAE-Maßnahmen (Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung) gestoppt, die Betroffenen säßen zu Hause. Daher sei man doppelt froh, dass man am Spandauer Goldnetz-Standort 17 der Mitarbeiter „gut verteilt auf viel Fläche" mit der Maskenproduktion weiter beschäftigen könne. Bereits über 2.000 der Mund-Nasen-Bedeckungen konnten so hergestellt werden – und an Einrichtungen übergeben werden, die sie jetzt in ihrem Alltag dringend benötigen.