Es läuft langsam wieder an, das eingefrorene Geschäft für saarländische Einzelhändler. Doch deren Sorgen sind längst nicht ausgestanden. Kreative Ideen sind weiter gefragt, vieles ändert sich. Wer trotz Lockdown durcharbeitete, in Heilberufen etwa, für den ändert sich kaum etwas – oft nicht einmal die Zahl der Patienten.
Endlich wieder Kunden. Nach fast sechs Wochen Untätigkeit darf der Einzelhandel im Saarland wieder öffnen. Die 800-Quadratmeter-Regelung, wonach Geschäfte bis 800 Quadratmeter wieder öffnen dürfen, wird bundesweit immer wieder vor allem von Kaufhäusern oder Möbelmärkten gerichtlich angefochten – der Erfolg fällt dabei je nach Bundesland und Urteil unterschiedlich aus. So darf etwa Möbel Martin im Saarland wieder öffnen, ohne Quadratmeter-Grenze. Das Gericht geht in seinem Urteil davon aus, dass es hier weniger Besucheraufkommen gebe. Kleinere Geschäfte jedoch kämpfen mit anderen Problemen: ausbleibenden Kunden und wie sie die Einnahmeausfälle kompensieren.
Events und Kochkurse – Fehlanzeige. Das Coronavirus hat bei Mika Morita, die im Saarbrücker Stadtteil St. Arnual ein Geschäft für Kultur und Lebensart aus Japan betreibt, den Veranstaltungsbetrieb komplett lahmgelegt. Positiv in dieser Krise sei aber das Verhalten der meisten ihrer Kunden, sagt Morita. „Die Kurse werden in der Regel im Voraus bezahlt, und die meisten Kursbesucher wollten das Geld gar nicht zurück, da im zweiten Halbjahr alles nachgeholt werden soll, sofern zu diesem Zeitpunkt möglich." Aber Mika Morita lebt nicht nur von den Kursen allein. Sie hat im Laufe der Jahre einen Onlineshop aufgebaut und verschickt auf Bestellung alles Japanische rund um Sushi wie Zubehör oder Messer. Davon habe sie noch genug auf Lager, betont sie, denn auch der Nachschub aus Japan ist in Corona-Zeiten nicht immer einfach. „Die Messer werden in Japan handgefertigt und in der Regel einmal im Jahr bestellt." Momentan also kein Engpass und so hofft sie, gut durch diese Krise zu kommen. Den Onlineshop hat sie von Anfang an bewusst aufgebaut. Risiko minimieren und gut kalkulieren, das passe zur japanischen Mentalität, wie sie sagt. Mit ihren Eltern steht sie gerade in dieser für alle schlimmen Zeit mehrmals wöchentlich in Kontakt. Dort gab es bis 31. März keine Ausgangsbeschränkung wie in Deutschland. Strafen wie hierzulande wären kaum denkbar. „Der Umgang mit dem Business ist in Japan eben doch anders als in Deutschland."
Inzwischen gibt es jedoch auch in Japan eine Ausgangsbeschränkung. Ihr Geschäft in Saarbrücken hat Morita am 21. April wieder geöffnet. Kunden bisher: Fehlanzeige. Aber in den nächsten Tagen sollte sich das ändern. Es gab erste Anrufe. Der Onlineshop funktioniert weiter prima, der Verkauf japanischer Produkte läuft. Was ihr weiterhin Sorge bereitet, ist der Ausfall sämtlicher Veranstaltungen. Und wie es weitergeht, weiß sie bislang noch nicht. Immerhin hat Mika Morita nun eine dritte Einnahmequelle erschlossen: Einmal in der Woche gibt sie Aikido-Training, online, aus ihrem Geschäft heraus. Und jedes Mal nehmen immerhin fünf bis sechs Teilnehmer vom Judo Club Malstatt Saarbrücken an den Kursen für japanische Kampfkunst teil. Kontaktsportarten trainieren funktioniert auch mit sozialer Distanz.
Patienten können schnell Termine bekommen
Diese ist für die Heilberufe so nicht leistbar. Sie litten und leiden weiter unter dem Dilemma, dass sie aus Gründen der notwendigen medizinischen Versorgung öffnen mussten, die Patienten aber oft aus Angst zu Hause blieben: Zahnärzte etwa gelten als systemrelevant. In Zeiten wie diesen benötigen sie aber auch oftmals finanzielle Unterstützung vom Staat. „Hände weg", heißt die Devise beispielsweise zwar auch in Praxen für Physiotherapie. Das funktioniert aber nicht, wenn ein Patient eine Massage aus gesundheitlichen Gründen braucht. Mit Handschuhen und gelegentlich selbstgenähtem Mundschutz hilft sich mancher Physiotherapeut. So macht es unter anderem Michael Strietzel aus der Gemeinschaftspraxis für Physiotherapie Ruloff & Quack in Saarbrücken-Bübingen. Die Praxis hat fünf Angestellte und zwei Chefs. Es mag ein wenig paradox klingen, aber Patienten können derzeit schnell einen Termin bekommen, auf den sie sonst oftmals lange warten müssen. So geht es vielen Praxen. Das liegt natürlich daran, dass manch Langzeitpatient mit chronischen Erkrankungen oder Covid-19-Risikopatienten die Termine vorsorglich für die nächste Zeit abgesagt haben.
Während bei Massagen in der Regel Hand angelegt werden muss, gibt es aber auch die Möglichkeit, den Patienten Übungsanleitungen und Coachings mit an die Hand zu geben, so Strietzel im Gespräch mit FORUM. Hygienemaßnahmen schon aus Eigenschutz werden derzeit besonders groß geschrieben. So werden die Bezüge der Massagebänke nach jedem Gebrauch gewechselt und desinfiziert, wo sonst die Patienten ihre eigenen Handtücher mitbringen. Die Physiotherapeuten wechseln ihre Arbeitskleidung jeden Tag und arbeiten mit Mundschutz und Handschuhen. In vielen ärztlichen und physiotherapeutischen Praxen lässt sich Körperkontakt eben nicht gänzlich vermeiden.
Die seit dem 20. April bestehende Lockerung hat jedoch offenbar keine großen Auswirkungen auf die Praxis, berichtet Michael Strietzel. Was seither neu ist: Grenzgänger werden wieder als Patienten angenommen. Sie erhalten ein Schreiben, dass sie in der Praxis eine Behandlung erhalten, für die Behörden dies- und jenseits der Grenze.