Das Online-Magazin „Kunstleben Berlin" bringt seit zehn Jahren Künstler, Sammler, Galeristen und Kunstliebhaber zusammen. Hier kann man Ateliers besuchen, Galeristen kennenlernen und alles rund um Ausstellungen und Events erfahren.
Während auf dem Kottbusser Damm kleine Geschäfte wieder geöffnet haben und viele Passanten den Bürgersteig füllen, geht es in einer Seitenstraße noch beschaulich zu. Wenige Schritte vom Landwehrkanal entfernt liegt der Schaffensort der Künstler Romy Campe und Masch – ihre Ateliers befinden sich in einer hellen Altbauwohnung. Links das von Masch, rechts das von Romy, und in der Mitte ein großer ovaler Holztisch. In den übrigen Zimmern hängen und stehen zahlreiche Werke der beiden. Corona geht auch an den beiden nicht spurlos vorbei. „Eigentlich haben wir jetzt mehr Zeit für unsere Kunst, aber sämtliche Ausstellungsmöglichkeiten und internationale Projekte fallen weg", sagt Romy.
Wochenlang mussten Museen und Galerien wegen der Maßnahmen zur Einschränkung der Corona-Pandemie geschlossen bleiben, viele Einrichtungen haben in dieser Zeit diverse Online-Angebote auf die Beine gestellt. Romy und Masch hingegen hatten das Potenzial des Internets diesbezüglich bereits vor zehn Jahren erkannt. „Der erste Schritt war ein Blog, aus dem entwickelte sich dann nach und nach das Online-Magazin ‚Kunstleben Berlin‘", so Romy. In dem breit aufgestellten und umfangreichen Kunstmagazin zeigen Videos Künstler in ihren Ateliers. Interviews mit Sammlern und Galeristen eröffnen persönliche Einblicke, Künstler präsentieren ihre Werke und ein Ausstellungskalender informiert über aktuelle Events der Kunstszene in Berlin und Potsdam.
Doch die Plattform ist mehr als nur ein Magazin. Die Macher organisieren auch selbst Events, beispielsweise seit 2010 das jährliche Projekt „Berlin meets New York". Dabei werden Künstler aus Berlin von einer Galerie eingeladen, um in New York zu arbeiten und Kunstwerke auszustellen. Im Gegenzug kommen amerikanische Künstler nach Deutschland. Angefangen hat alles mit einem Kunstsalon in Schöneberg. Nach einer halbjährigen Tätigkeit in einer der renommiertesten Galerien in Hannover zog es die Berliner Romy und Masch wieder zurück in die Hauptstadt. Sie mieteten 2009 eine günstige, aber völlig heruntergekommene große Altbauwohnung, renovierten, richteten Ateliers ein und ließen Platz, um ihre Kunst auszustellen. Rund 14 Tage nach einer rauschenden Einweihungs- und Eröffnungsparty kontaktierte sie ein Unternehmer aus der Versicherungsbranche. Er habe von ihrer tollen Location gehört und wollte wissen, ob er diese für ein monatliches Event mit 15 Leuten mieten könnte. „Wir waren völlig überrascht, hatten aber auch die Hoffnung, so potenzielle Käufer für unsere Kunst gewinnen zu können", erzählt Masch. Das war der Startschuss für den Kunstsalon, bei dem Live-Paintings, kleine Konzerte, Tangoabende stattfanden. Der Salon wurde bekannter, die Besucher zahlreicher. In dieser Zeit ging der „Kunstleben Berlin"-Blog online, um die Öffentlichkeit über ihre Veranstaltungen zu informieren. Zunehmend wurden Galerien und Museen auf sie aufmerksam und nutzten den Blog, um eigene Ausstellungen zu bewerben. Aber 2014 kam das Ende für den Kunstort – in Form einer 50-prozentigen Mieterhöhung.
Atelier wurde zum Kunstsalon
„Vielleicht war das ja auch ein Zeichen, wir wurden immer mehr zu Veranstaltern, unsere Kunst blieb auf der Strecke", erzählt Romy. Also stellte man den Salon ein, konzentrierte sich aufs Malen und den Blog. Der bald zu einem neuen Online-Magazin heranwuchs und ein neues Zuhause in Neukölln fand.
Dass sie Künstler werden wollten, wussten die beiden Berliner Romy Campe und Masch schon immer. „Mich treibt die Leidenschaft, etwas auszudrücken, was ich schlecht in Worte fassen kann", sagt die 47-Jährige. Spätestens nach ihrer Ausbildung zur IT-Kauffrau wusste sie, dass Kunst ihre Berufung ist. Sie studierte freie Malerei und Grafik am Institut für Ausbildung in bildender Kunst und Kunsttherapie in Bochum. Menschen und Gesichter haben es ihr als Motive besonders angetan.
„Mich faszinieren Menschen, was sie bewegt, wie sie sich selbst wahrnehmen und wie sie von anderen gesehen werden", sagt die Künstlerin, die von der Galerie Köppe Contemporary in Grunewald vertreten wird. Sie malt im Stil alter Meister, lässt dabei surreale Elemente einfließen. Als zweites Standbein baute sie ein sogenanntes Komponentenportal auf, das Unternehmensgründer mit Dienstleistungen von Organisation über Marketing und Vertrieb bis zur Erstellung einer eigenen Webseite versorgt. Dahinter steht das Unternehmen Projektwerkstatt Gesellschaft für kreative Ökonomie mbH von Professor Faltin, dem Begründer des Studiengangs Entrepreneurship an der Freien Universität Berlin.
Auch Masch, eigentlich Manfred Schulzke, ist in verschiedenen Bereichen aktiv. Er studierte an der Universität der Künste Berlin, an der er heute als Dozent tätig ist und arbeitete unter anderem als Mischtonmeister bei den Bavaria Filmstudios. Als Künstler beschäftigt er sich mit der Schönheit des Vergänglichen und verwendet Öl auf Leinwand. „Stillgelegte Fabrikhallen, mit ihren alten Maschinen, die Gesichter greiser Menschen, all das ist auf den zweiten Blick wunderschön", sagt der 69-Jährige. Vertreten wird er von der Galerie Sievi in Kreuzberg. Für „Kunstleben" produziert Masch die Videos.
Dreier-Team hat reichlich Pläne
Über gemeinsame Kontakte kam der Journalist Herbert Beinlich 2017 als dritter Gesellschafter zum Team dazu. „Ich habe gesehen, mit welchem Herzblut sich Romy und Masch für ‚Kunstleben Berlin‘ einsetzen, das hat mich fasziniert", sagt Beinlich. Er setzt sich für eine stärkere Vernetzung und die Weiterentwicklung des Projekts ein.
Der Online-Auftritt wurde technisch verbessert, ein Kunstkalender kam dazu, zudem wurden Mitgliedschaften eingeführt und Sponsoren für die Finanzierung akquiriert. Heute gehören zum Team neben den drei Gesellschaftern ein IT-Spezialist sowie freie Mitarbeiter. Das Magazin hat mittlerweile mehr als 35.000 Leser mit stark steigender Tendenz. Zudem stehe es für den aktuellsten und umfangreichsten Kunstkalender in Berlin.
„Wir betreiben ‚Kunstleben Berlin‘ eigenfinanziert und unabhängig", erklärt Beinlich. Darauf würden alle Beteiligten großen Wert legen.
Weitere Sponsoren sind dennoch willkommen und werden zum eigenen Marketing auf dem Portal präsentiert. Zur Finanzierung tragen auch zahlreiche Mitglieder bei, die für ihre Präsentation je nach Umfang Beiträge bezahlen.
Nach zehn Jahren haben sich die Gesellschafter neue Ziele gesetzt. Sie wollen „Kunstleben" zum bedeutendsten Kunstmagazin in Berlin machen. Es soll international werden und auf Deutsch und Englisch erscheinen. Und zukünftig „Kunstleben.Art" heißen. Man wolle einen Meeting Point für die Kunst schaffen, so die Köpfe hinter dem Projekt.
„Die Corona-Krise zeigt, was digital alles möglich ist, das wird nicht mehr zurückgedreht", sagt Herbert Beinlich. Ideen gibt es reichlich – für Galerie- und Atelier-Rundgänge, für Kunstspaziergänge und Kunstreisen, für internationale Kooperationen. So soll das Projekt „Berlin meets" in diesem Herbst mit Künstlern aus Taipeh stattfinden – in welcher Form, das wird sich in den kommenden Monaten entscheiden.