Der TTC Berlin Eastside ist wieder Deutscher Tischtennis-Meister der Damen. Die erfolgreiche Titelverteidigung gelang dem Hauptstadt-Club allerdings nur gefühlt – die Proklamation des souveränen Tabellenführers zum Meister erfolgte nach dem Saisonabbruch per Telefon.
Triumphgefühl, Jubeltänze, Sektdusche, Pokalübergabe, Konfettiregen und eine anständige Sause – auf all diese Bestandteile einer Meisterschaftsfeier musste der TTC Berlin Eastside nach dem erneuten Titelgewinn in der Tischtennis-Bundesliga der Damen wegen der Corona-Krise verzichten. Der normalerweise süße Moment des großen Sieges fand durch den Saisonabbruch nur virtuell statt. „Das wurde in die Whatsapp-Mannschaftsgruppe geschrieben, und jeder hat dann etwas dazu geschrieben. Aber einen Videocall haben wir nicht gemacht", erzählt Spielerin Nina Mittelham.
Noch ernüchterter schildert Vereinschef Alexander Teichmann die offizielle Benachrichtigung von der Einfrierung der letzten sportlich ermittelten Tabelle. „Auf einmal ruft jemand an und sagt, dass wir jetzt Meister sind, und man sagt sich, das war es dann also. Das war ein eigenartiges Gefühl, so als ob plötzlich ein Stöpsel gezogen wird und man gegen eine Glaswand läuft", beschreibt der Unternehmer die emotionsarme Proklamation seines Teams zum Champion.
Wofür alle Beteiligten – Spielerinnen, Trainerin Irina Palina und das Management – monatelang gearbeitet hatten, galt plötzlich durch ein einziges Telefonat als erfolgreich erledigt. Mehr als einen Hauch Zufriedenheit habe Teichmann zufolge aufgrund der mitunter beunruhigenden Umstände im Land aber auch niemand empfinden können: „Zu dem Zeitpunkt war die bedrohliche Aktualität größer als jeder Anflug von Euphorie und jeder auch bei uns viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt."
Am meisterlichen Selbstverständnis der Berliner hat die beinahe gespenstisch anmutende „Siegerehrung" für den insgesamt sechsten Titelgewinn gleichwohl nicht rütteln können. „Natürlich möchte man durch Leistung gewinnen, aber man kann wirklich nicht sagen, dass wir nur durch Abbruch Meister geworden sind. Wir sind verdient Meister, und ich hatte ehrlich gesagt auch nie das Gefühl, dass wir die Meisterschaft noch verlieren könnten", meint Mittelham.
Elf klare Siege in letztlich nur elf Spielen vor Saisonabbruch
Tatsächlich hätte sich Palinas Team vermutlich nicht einmal selbst mehr noch vom Meister-Schild stürzen können. Nach elf durchweg klaren Siegen in den letztlich nur elf Spielen vor dem Saisonabbruch betrug der Vorsprung auf Verfolger TuS Bad Driburg vier Punkte und auf den vermeintlichen Toprivalen SV DJK Kolbermoor sogar schon sieben Verlustpunkte. „Unsere knappsten Siege waren 6:2-Erfolge, von denen aber nur das Spiel gegen Kolbermoor 5:5 hätte ausgehen können", lässt Mittelham die Saison Revue passieren. Gleich sechs 6:0-Siege lässt die Doppel-Europameisterin, die bei einer makellosen 11:0-Bilanz ebenso maßgeblich zum erneuten Titel beitrug wie die frühere EM-Zweite Shan Xiaona (13:0), unerwähnt.
Die Dominanz des alten und neuen Meisters führt Mittelham auf die vollkommene Fokussierung auf jede einzelne Aufgabe („Wir haben nie etwas anbrennen lassen") zurück. Teichmann seinerseits hält den „Teamspirit" als ausschlaggebend für den Erfolg. „Nina, ‚Nana‘ (Shan Xiaona, Anm. d. Red.), Gina Pota, Matilda Ekholm und Kathrin Mühlbach waren ein guter Kern und eine eingeschworene Gemeinschaft, in die Fu Yu und Bernadette Szöcs gut gepasst haben, sodass sich dieser Mannschaftsgeist entwickeln konnte. Vorher weiß man aber nie, ob das auch so funktioniert wie erhofft, aber wir haben auch allen Luft für sich selbst gegeben, und Irina hat bei den Aufstellungen auch gut rotieren lassen", bilanzierte Teichmann. Sein rein faktisches Saisonfazit nach dem – inklusive des Pokalsiegs zu Jahresbeginn – fünften Double trübt denn auch nur der sich ebenfalls abzeichnende Abbruch der Champions League: „Wir wollten die beiden deutschen Titel und international mindestens bis ins Halbfinale. Das haben wir geschafft. Aber wir dachten auch, mit der womöglich besten Mannschaft, die wir je hatten, vielleicht noch einmal das Triple holen zu können."
In naher Zukunft spielt die Königsklasse zunächst eine eher untergeordnete Rolle. Die Rumänin Szöcs verlässt den Club nach ihrem Champions-League-Engagement, die Schwedin Ekholm beendet ihre Laufbahn, die Ungarin Pota nimmt nach der Geburt ihres ersten Kindes eine Babypause, und auch die Chinesin Fu Yu, die einen portugiesischen Pass besitzt, verlässt den Verein. Die Lücken füllen die frühere Nationalspielerin Jessica Göbel vom zurückgezogenen Ex-Meister TV Busenbach, Vivien Scholz vom Erstliga-Aufsteiger ESV Weil und – als momentan einzige Ausländerin – die Niederländerin Britt Eerland aus dem Nachlass des ebenfalls zurückgezogenen Vizemeisters Bad Driburg auf.
Jessica Göbel und Vivien Scholz füllen die Lücken auf
„Bei uns ist trotz Corona finanziell im Moment alles stabil, aber niemand weiß, wie es sich entwickeln wird. Deswegen war uns umso wichtiger, auf die Finanzen zu achten und keinen Kraftakt zu wagen", erläutert Teichmann die Hintergründe für die Personalplanungen und fügt hinzu: „Wir haben auch wegen der noch unklaren Reisemöglichkeiten ein deutsches Kernteam, sind aber umso zufriedener, dass wir die Chance auf Eerlands Verpflichtung nutzen konnten und dadurch auf alles reagieren können." So überzeugt ist der Unternehmer von der Qualität seines künftigen Teams, dass Teichmann die neuen Regeln für Wechsel auch in der Saisonmitte vorerst gerade einmal als theoretische Möglichkeit einstuft: „Die Option ist zwar da. Man muss aber schauen, wie es dann aussieht. Ich weiß aber nicht, ob wir diese Möglichkeit brauchen, denn wir haben schon eine starke Mannschaft."
Auch Mittelham steht dem vollzogenen Umbruch positiv gegenüber. „Ich finde grundsätzlich gut, dass wir eine Mannschaft fast nur mit deutschen Spielerinnen haben. Britt Eerlands Verpflichtung bedeutet für uns außerdem noch einmal eine enorme Verstärkung für das Grundniveau der Mannschaft. National sind wir auf jeden Fall gut aufgestellt", meint die Deutsche Meisterin.