Atemberaubende Tempogegenstöße, packende Zweikämpfe und eine ligaweit einzigartige Atmosphäre gibt es in der Stadtgartenhalle seit Mitte März nicht mehr. Dabei wäre am 25. April mit dem letzten Pflichtspiel die reguläre Handball-Saison für Drittligist HG Saarlouis zu Ende gegangen.
Aufgrund der aktuellen Corona-Lage sah sich der Deutsche Handball Bund (DHB) gezwungen, die laufende Spielzeit schon am 21. April vorzeitig zu beenden. Nach Anwendung der hierfür vorgesehenen Quotienten-Regelung schließt die HG Saarlouis die Saison 2019/2020 auf dem siebten Tabellenplatz ab und bestätigt damit das Ergebnis der Vorsaison. Meister und damit direkter Aufsteiger in die 2. Bundesliga ist der TuS Fürstenfeldbruck.
„Letzten Endes werden wir erst wieder spielen können, wenn ein solches Spiel für die Zuschauer und die Spieler nicht mehr gefährlich ist", weiß Richard Jungmann. Der Manager der HG Saarlouis sieht keine Möglichkeit, ein Konzept umzusetzen, wie es beispielsweise die Deutsche Fußball Liga vorgelegt hat. Sogenannte Geisterspiele ohne Zuschauer sind dabei ein wesentliches Merkmal, das die Fortsetzung der Ligen im Profifußball ermöglichen soll. „Im Handball wie auch in anderen Sportarten kann es keine Spiele ohne Zuschauer geben. Zum einen aus ökonomischen Gründen, weil die entstehenden Kosten in keinem Verhältnis zu den fehlenden Einnahmen stehen", erklärt Jungmann und ergänzt: „Die Vereine würden angesichts der bestehenden Verträge mit Spielern sehenden Auges in Konkurs gehen. Zum anderen hätten viele Vereine, darunter auch die HG Saarlouis, nicht die Mittel, ihre Spieler permanent testen zu lassen." Also ist Abwarten angesagt.
Um die Zeit finanziell zu überstehen, hat der Verein Kurzarbeit für seine Spieler angemeldet und stockt die Zahlungen aus eigenen Mitteln um zehn Prozent auf. Auch die Soforthilfe für Unternehmen ist beantragt. Schließlich fehlen nicht nur die Einnahmen aus den Heimspielen, sondern auch die des finanziellen „Liberos", wie Jungmann den Vereins-Stand am Saarlouiser Stadtfest „Emmes" nennt, das bereits abgesagt wurde.
„Es hat riesigen Spaß mit euch gemacht"
Am planmäßig letzten Heimspieltag (18. April) hätte der Verein nach dem Spiel gegen Horkheim einige verdiente Spieler verabschiedet. Traditionell war die Abschiedsparty der letzte Höhepunkt des Spieljahrs. „Es ist schon sehr traurig, wenn man von den Spielern über Whatsapp Abschied nehmen muss. Man hat ja auch ein persönliches Verhältnis aufgebaut", klagt Richard Jungmann. „Es gibt bei allen nachvollziehbare Gründe, weshalb sich unsere Wege trennen, und allen hat es bei uns super gefallen. Dass man sich das nicht gegenseitig ins Gesicht sagen kann, ist schon sehr schade." Den Verein verlassen werden Tommy Wirtz (zur DJK Rimpar), Max Hartz (TVG Großsachsen), Julian Kreis (VTZ Zweibrücken), Josip Grbavac und Ivo Kucharik (Ziele unbekannt). Auf der Internetseite der HG werden sie unter anderem mit folgenden Worten verabschiedet: „Wir bedanken uns herzlich bei diesen sehr sympathischen Spielern. Es hat riesigen Spaß mit euch gemacht." Ob und wie sich der Verein von seinem langjährigen Macher Richard Jungmann verabschieden kann, ist offen. Er hatte seinen Abschied zum Sommer 2020 verkündet. „Ich hatte mir das schon ein bisschen anders vorgestellt. Nicht so trostlos", sagt Jungmann und gibt zu: „Das ist ein sehr unangenehmes Zusammentreffen dieser beiden Ereignisse. Diese letzte Überraschung zu meinem Abschied ist jedenfalls wahrlich ‚gelungen‘."
Einige Neue stehen auch schon fest: In der kommenden Saison sollen Marcel Becker (kommt von RPS-Oberligist HF Illtal), Rückkehrer Tom Paetow und der Franzose Loic Laurent (beide VTZ Zweibrücken) für Saarlouis auflaufen. „Die Positionen der Abgänge haben wir damit neu besetzt – sogar mit einem Linkshänder mehr, was uns hoffentlich noch einmal mehr Möglichkeiten gibt", sagt HG-Trainer Philipp Kessler. Hinzu kommen die Ausnahme-Rückraum-Talente Marko Grgic und Konrad Wagner aus der eigenen Jugend. Kessler ist davon überzeugt, „dass die Spieler, die zu uns kommen, den Kader verstärken werden". Das ist auch nötig. Schließlich sieht der Trainer „schon noch viele Bereiche, die ausbaufähig sind" und meint insbesondere die Anzahl der Tore von der Kreisläufer-Position, die Variabilität in der Abwehr und die Reduzierung der Anzahl technischer Fehler. „Demnach hoffe ich natürlich, dass wir so schnell wie möglich weiterarbeiten können", sagt Kessler.
Der Lehrer spricht damit seinem Kapitän Peter Walz aus der Seele. „Allein schon, endlich mal wieder in der Halle zu stehen, den Finger in die Harz-Dose zu stecken und ein paar Bälle abzufeuern, das fehlt momentan am meisten", gibt der Bereitschaftspolizist zu. Wie seine Mannschaftskameraden hält sich der Kreisläufer mit Laufeinheiten und Krafttraining fit. Kontakt zum Team besteht über soziale Netzwerke – hin und wieder wird auch schon mal online auf der Konsole mit- beziehungsweise gegeneinander gezockt. „Generell sind wir schon früh davon ausgegangen, dass die Saison nicht mehr zu Ende gespielt wird. Auch viele andere Sportarten haben ihre Spielzeit unter- oder abgebrochen", sagt Walz und stellt klar: „Ich finde, das ist richtig. Bei solchen Events kommen einfach zu viele Menschen zusammen, und die Gesundheit ist einfach wichtiger, als so eine Handballsaison zu Ende zu spielen." Das für sein körperbetontes Spiel bekannte „Kampfschwein" hält sich zwischenzeitlich mit gelegentlichem Zweikampftraining mit seinem Bruder und Mannschaftskamerad Lars Walz fit. Nur, um nicht aus der Übung zu kommen, versteht sich.
Mit dem Endergebnis der abgebrochenen Saison ist Peter Walz nur so mittel zufrieden: „Ich hatte mir schon etwas mehr erhofft, weil wir keinen so großen Umbruch hatten wie im Jahr davor, als wir die Liga noch gar nicht kannten und fünf, sechs neue Spieler zu integrieren hatten", sagt er und ergänzt: „Zu Hause war es eigentlich recht ordentlich, aber auswärts haben manchmal der letzte Biss und der letzte Siegeswille gefehlt. Wobei man auch sagen muss, dass wir fast alle stärkeren Gegner auswärts hatten." Trainer Kessler sieht das ähnlich. „Die Phase der Konsolidierung nach dem Abstieg aus der Zweiten Liga und mit der Maßgabe, mit weniger Mitteln ein vernünftiges Ergebnis zu erreichen, ist abgeschlossen", stellt er fest und kündigt an: „Wir haben schon jetzt mehr Regionalität im Kader, und das wird sich auch so fortsetzen. Wir wollen der Verein sein, der die saarländischen Talente voranbringt und ihnen die Möglichkeit bietet, vor dem besten Publikum der Liga spielen zu können." Natürlich hoffe er, dass die HG „irgendwann wieder oben angreifen" kann. Für dieses Unterfangen braucht es zu den regionalen Talenten allerdings „zwei, drei gereifte Leute, die entscheidende Impulse geben können." Die dafür notwendigen finanziellen Mittel sind derzeit nicht vorhanden. Ob sie nach dem Ende der Corona-Krise zu akquirieren sind, wird sich zeigen.